Flachlandgorillas
Bildrechte: Tiergarten Nürnberg/Tom Burger
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Diese Flachlandgorillas sollen kastriert werden.

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Nürnberger Tiergarten kastriert Gorillas einer seltenen Art

Nürnberger Tiergarten kastriert Gorillas einer seltenen Art

Der Tiergarten Nürnberg plant, zwei Gorillamännchen zu kastrieren - obwohl ihre Art vom Aussterben bedroht ist. Nur so sei ein Verbleib im Zoo möglich. Warum sollen sich die Tiere nicht fortpflanzen dürfen? Die Hintergründe.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen: Gerade das Europäische Erhaltungszuchtprogramm hat empfohlen, zwei Gorillas einer seltenen Art im Tiergarten Nürnberg zu kastrieren. Das schreibt der Tiergarten Nürnberg in einer Pressemitteilung. Das Programm ist eigentlich für den Erhalt der Art zuständig.

419 der vom Aussterben bedrohten Westlichen Flachlandgorillas leben aktuell in europäischen Zoos. Einige von ihnen im Tiergarten Nürnberg. WWF zufolge hat die Gesamtpopulation der Westlichen Flachlandgorillas im Zeitraum 2005 bis 2013 um knapp ein Fünftel abgenommen. Dennoch sollen die Jungtiere in Nürnberg kastriert werden.

Geschlechtsreife Flachlandgorillas werden zu Rivalen

Im Normalfall leben Westliche Flachlandgorillas in Haremsgruppen zusammen, die aus einem Männchen – dem sogenannten Silberrücken – sowie mehreren Weibchen und Jungtieren bestehen. Die männlichen Jungtiere werden ab etwa 13 Jahren selbst zu Silberrücken und damit zu Rivalen ihres Vaters. Dies ist für die jungen Männchen der Augenblick, die Gruppe zu verlassen.

Der Tiergarten Nürnberg sieht sich nun mit dem Dilemma konfrontiert, dass für die beiden Gorillas weder die Gründung eines eigenen Harems noch ein Zusammenschluss einer reinen Männchen-Gruppe in Frage kommt. Ein Verbund in sogenannten Jungessellengruppen, die nur männliche Tiere umfassen, hält lediglich wenige Jahre an. Auch eine Einzelhaltung komme nicht in Betracht. Bei der Kastration geht es also nicht um die Fortpflanzung der Tiere. Vielmehr soll sie dafür sorgen, dass der Vater seine Söhne auch weiterhin in der Gruppe akzeptiert.

Klimawandel und Wilderer: Auswilderung zu riskant

Eine Auswilderung in den natürlichen Lebensraum der Tiere ist nach Angaben des Tiergartens Nürnberg auch nur begrenzt möglich. Zum einen bestehe ein Risiko, dass die Tiere aus den Zoos verschiedener Herkunftsländer sich gegenseitig mit Krankheiten infizieren oder von Wilderern getötet werden. Zum anderen hätten sich Bedingungen in Zentralafrika für die Flachlandgorillas etwa wegen des Klimawandels und der Zerstörung ihres Lebensraums zuletzt weiter verschlechtert.

Aus diesen Gründen wird der Tiergarten die Jungtiere kastrieren. Das Verfahren ähnelt der Kastration von Hunden oder Katern, teilte der Tiergarten mit.

Nicht alle Tiere können für die Zucht berücksichtigt werden

Obgleich der Bestand an Flachlandgorillas gering ist und die Art sogar vom Aussterben bedroht ist, kann das Erhaltungszuchtprogramm nicht alle Tiere für ihre Zucht berücksichtigen. Denn für eine erfolgreiche und gesunde Zucht ist es notwendig, dass eine genetische Vielfalt gewahrt wird, so der Tiergarten. Die Gene der Nürnberger Gorillas seien jedoch schon häufig vertreten.

Anders stellt sich die Situation im Münchner Tierpark Hellabrunn dar. Dort leben zwei Männchen zusammen, die gemeinsam aufgewachsen sind. Ihr Vater ist hingegen nicht Teil der Gruppe. In München wird darum vorerst abgewartet, ob sich einer der beiden von sich aus unterordnet. Sollte dies nicht der Fall sein, käme auch dort eine Kastration in Betracht – jedoch nur, wenn sich die Gene des betreffenden Gorillas nicht für die Zucht eignen. In jedem Fall sei dies aber eine Einzelfallentscheidung.

Tierschützer sehen Haltung von Menschenaffen kritisch

Die Fachreferentin für Zoos der Tierschutzorganisation Peta, Dr. Yvonne Würz, verweist auf ein "dahinterliegendes Problem" der anstehenden Kastration: Die Haltung und Zucht der Gorillas durch Tiergärten an sich. Erst dadurch komme man in die Situation, dass der Platz knapp werde und Männchen kastriert werden müssten. Die Affen hätten keine Perspektive auf Auswilderung und würden nur für eine Zurschaustellung gezüchtet.

Zwar sieht sie eine Kastration aus "reinem Populationsmanagement wegen schon vertretener Gene" kritisch. Jedoch schließt sie nicht aus, die Tiere zu kastrieren, um das angestrebte Ziel eines Zuchtstopps zu erreichen. Selbst vom Aussterben bedrohte Arten dürften nicht mit der Absicht gezüchtet werden, sie dann in Tierparks zu halten.

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