AfD im Wahlkampf
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Landtagswahl: Warum die Günzburger AfD so stark ist

Landtagswahl: Warum die Günzburger AfD so stark ist

Fast jeder Vierte hat im Stimmkreis Günzburg die "Alternative für Deutschland" gewählt. Dafür gibt es wohl eine ganze Reihe von Gründen. Wie die anderen Parteien darauf reagieren wollen:

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Die Wahlplakate sind von den Straßen verschwunden, einige stehen noch im Gang des AfD-Wahlbüros im Landkreis Günzburg. Vor Kurzem feierte die Partei hier ein Ergebnis, von dem selbst Unterstützer kaum zu träumen gewagt hätten. Direktkandidat Gerd Mannes holte 24,4 Prozent der Erstimmen und damit das bayernweit beste Ergebnis für seine Partei.

Auf die Frage, warum die AfD hier so erfolgreich war, verweist Mannes auf die Wirtschafts- und Energiepolitik: "Wir haben viele verarbeitende Betriebe. Die Menschen können Stromrechnungen nicht mehr bezahlen, jeder Metzger oder Bäcker hat Schwierigkeiten", sagt Mannes, der als Ingenieur in der Chemieindustrie gearbeitet hat. Ein wenig habe das gute Abschneiden auch an ihm gelegen, meint er - und untertreibt, denn der AfD-Mann war schon zuvor bekannt.

Acht Frauen, vier Männer

Mannes holte als Direktkandidat mehr Stimmen als seine Partei, was für alle vier männlichen Bewerber gilt, die im Stimmkreis Günzburg angetreten waren. Bei den acht Kandidatinnen zeigt sich dagegen ein umgekehrtes Bild, sie schnitten meist schlechter ab. Einige Bürger machen ihre Entscheidung auch vom Geschlecht abhängig, sagt Jörg Siegmund von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

"Wenn Wähler einen Mann präferieren, aber nur wenige antreten, dann konzentrieren sich diese Stimmen auf die wenigen männlichen Kandidaten." Doch in Günzburg gab es einen Faktor, der gerade auch für die CSU noch wahlentscheidender gewesen sein dürfte. Die sogenannte "Maskenaffäre" um die beiden Abgeordneten Nüßlein und Sauter.

Maskenaffäre wirkt nach

An den Infoständen sei sie immer wieder damit konfrontiert worden, sagt Jenny Schack, neue Landtagsabgeordnete der CSU. Die Maskenaffäre habe der Partei massiv geschadet, jetzt gelte es, das Vertrauen wieder aufbauen. Schack will das Gespräch mit Vereinen, Institutionen und den Bürgern suchen, um festzustellen, was ihnen wichtig ist. "Wir sind in der Verantwortung und müssen die Probleme lösen. Wir sind diejenigen, die jetzt liefern müssen", sagt Schack, die sich unter anderem für die medizinische Versorgung und die Krankenhäuser in der Region einsetzen will. Den Erfolg der AfD sieht sie auch in lokalen Streit-Themen begründet, wie dem geplanten Ausbau der Bahnstrecke Ulm-Augsburg.

Schwierige Debatte um Bahnausbau

Rund einen Monat vor der Wahl gab es zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion in Burgau. Dabei sei mit den Direktkandidaten vor allem über die Sinnhaftigkeit der Neubaustrecke gesprochen worden, kritisiert Schack. "Wir können bei der Ausgestaltung mitreden, aber der Bund entscheidet über die Trasse. Wir sind in dieser Frage nicht die Ansprechpartner, haben aber die volle Wut der Menschen abbekommen." Genutzt habe die Veranstaltung am Ende nur der AfD, weil sie sich gegen die Bahntrasse gestellt hatte.

Angriff aus der Oppositionsrolle

Jörg Siegmund sieht einen strategischen Vorteil für die AfD, weil sie weder im Freistaat noch im Bund in der Regierung sitzt. "Sie kann Positionen übernehmen, die sie letztlich nicht umsetzen muss. Die AfD kann so auch leichter Probleme vor Ort aufgreifen, selbst wenn sie mal im Widerspruch zu der Parteilinie auf Landes- und Bundesebene stehen", sagt Siegmund. Doch warum war die AfD ausgerechnet in einem prosperierenden Landkreis, mit einer Arbeitslosigkeit, die deutlich unter dem bayernweiten Schnitt liegt, so erfolgreich? "Wir müssen uns von der These verabschieden, dass nur bestimmte Gruppen die Partei wählen. Sie ist inzwischen ein gesamtgesellschaftliches Phänomen geworden", betont Klaus Stüwe, Professor für Politikwissenschaft an der Universität in Eichstätt.

Flüchtlingspolitik im Zentrum

Wer in der Günzburger Innenstadt Passanten auf das Wahlergebnis der AfD anspricht, bekommt als Antwort immer wieder "Asyl" und "Migration" zu hören. Zu viele Flüchtlinge habe der Landkreis inzwischen aufgenommen, meinen viele. Mannes spricht von einem "Kontrollverlust", die illegale Migration sei das drängendste Problem derzeit. "Wenn sie in die Städte und Gemeinden schauen, da geht es einfach nicht mehr, es muss sich sofort etwas ändern", sagt Mannes. Dass der politische Gegner ihn bisweilen "Wolf im Schafspelz" nennt, sei ihm egal. Ihn ärgert aber, wenn andere behaupten, die AfD hätte keine Lösungen. Das sei schlichtweg falsch, in den Nachbarländern könne man sehen, wie sich Probleme erfolgreich bewältigen lassen, so Mannes.

Das wollen andere Parteien jetzt unternehmen

Der AfD-Landtagsabgeordnete ist seit 2018 im Landtag, als Einziger der Kandidaten und Kandidatinnen im Stimmkreis Günzburg. Marina Jakob von den Freien Wählern sieht einen gewissen "Amtsbonus", der sich im Wahlkampf bemerkbar machte. Mannes sei schlicht bekannter gewesen als die anderen Mitbewerber und habe immer wieder auf seine Arbeit im Landtag verweisen können. Silvera Schmider von den Grünen will auch die Medien in die Verantwortung nehmen: Sie müssten Aussagen der Kandidaten besser auf Fakten prüfen und nicht nur eins zu eins an den Leser, Hörer oder Zuschauer weitergeben.

Die Direktkandidatin kritisiert aber auch die CSU. Die Christsozialen hätten im Wahlkampf lange die Grünen als Hauptgegner benannt. Achim Fißl von der SPD gründet in Krumbach derzeit ein „Bündnis gegen Rechts“, dem sich Vereine anschließen sollen. Das sei bei einer Partei wichtig, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird, so Fißl.

Jedem Neuanfang wohnt ein Zaudern inne

Die Gewinne der AfD im Stimmkreis Günzburg waren vor allem auch die Verluste der CSU. 35,6 Prozent sind angesichts der Ergebnisse, die die Partei in der Vergangenheit holte, wenig berauschend. Die Christsozialen taten sich allerdings auch in anderen schwäbischen Stimmkreisen schwer, in denen sie mit neuen Kandidaten antraten. Ergebnisse um die 40 Prozent holten vor allem bekannte Köpfe wie Carolina Trautner, Klaus Holetschek oder Neu-Ulms Landrat Thorsten Freudenberger. Dass sich die CSU in Günzburg nach der Maskenaffäre komplett neu aufgestellt hatte, halten die Politikexperten Stüwe und Siegmund allerdings für sinnvoll. Nur so könne man auf Dauer das Misstrauen beseitigen und langfristig wieder gute Wahlergebnisse erzielen.

Parteien müssen Probleme angehen

Dass die AfD oft gerade auch auf dem Land besonders stark abschneidet, beobachtet Jörg Siegmund: "Viele haben den Eindruck, die Politik konzentriert sich auf die urbanen Zentren und weniger auf Bayern in der Fläche." Laut Politikwissenschaftler Stüwe haben es die anderen Parteien schlicht versäumt, große gesellschaftliche Fragestellungen anzugehen. "Wenn der Eindruck entsteht, dass man sich um ernsthafte Probleme drückt, haben die Populisten leichtes Spiel. Indem sie sagen, dass 'Die da Oben' die Ängste und Nöte der Menschen gar nicht mehr wahrnehmen."

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