Warnstreik.
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Von Februar bis Mai kommt Verdi Bayern auf 14.544 neue Mitglieder in den Listen. Das wäre ein Plus von rund 7 Prozent seit Jahresende.

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Mehr Mitglieder: Wie Gewerkschaften von Streiks profitieren

Mehr Mitglieder: Wie Gewerkschaften von Streiks profitieren

Wenn Gewerkschafen zum Streik aufrufen, dann steigt meist die Zahl der Mitglieder. Das zeigt sich bei der Gewerkschaft Verdi nach der Tarifrunde für die Kommunen im Frühjahr. Auch die GDL könnte profitieren. Aber bleiben die Neuen auch auf Dauer?

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft und Börse am .

Erst die Zustellkräfte bei der Post, dann die Müllwerker, das Kita-Personal, die Beschäftigten im Personennahverkehr, an den Flughäfen, im Handel in Bayern und aktuell bei der Bahn: Gestreikt wurde in den vergangenen Monaten viel. An den Protestaktionen beteiligen sich nicht nur die, die Mitglied einer Gewerkschaft sind. Meist profitieren am Ende alle vom ausgehandelten Ergebnis. Auch für die Gewerkschaften bringt solch ein Arbeitskampf einen Gewinn. Viele werden Mitglied.

Die Gewerkschaft Verdi kommt für das letzte Jahr auf knapp 1,9 Millionen Mitglieder – ein Plus von 2,2 Prozent. Bei anderen Gewerkschaften wird noch gerechnet. Doch sie dürften auch davon profitieren, dass zumindest der Ausgleich der gestiegenen Preise bei den Tarifrunden gelang. Das ist immer noch die beste Werbung für eine Organisation, die die Arbeitsbedingungen verbessern will.

Der Streik als Werbemittel

Wenn Gewerkschaften zu Aktionen aufrufen, dann werben sie auch bei den Nicht-Mitgliedern für ihre Organisation. Das scheint mit den teils massiven Warnstreiks gelungen zu sein. Professor Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel und zuvor lange Jahre Mitarbeiter für die Tarifpolitik bei der IG Metall-Zentrale in Frankfurt, bestätigt den Trend: "Das kann man schon sagen, weil diese Konflikte die Sichtbarkeit der Gewerkschaften erhöhen. Es wird deutlich, wofür sie stehen, wofür sie kämpfen und was sie auch erreichen können."

Zu Hilfe kommt den Gewerkschaften auch die momentane Wirtschaftslage mit weiter steigenden Preisen. Viele Beschäftigte sorgen sich um ihre Haushaltskasse und unterstützen es, wenn ein Ausgleich gefordert wird. Der Mangel an Arbeitskräften kommt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern außerdem zugute. Es stärkt ihre Position, wenn es in Tarifrunden oder bei Neueinstellungen um die Bezahlung geht.

Die Gewerkschaft als Versicherung

Es gibt aber auch noch einen ganz praktischen Grund, warum viele Beschäftigte im Streikfall die ausgelegten Beitrittsformulare unterschreiben. Wenn sie an Aktionen teilnehmen, kann der Arbeitgeber ihnen die Zeit beim Einkommen abziehen, in der sie nicht gearbeitet haben. Die meisten Gewerkschaften zahlen dann ab einer bestimmten Streikdauer ein Ausgleichsgeld – aber nur an diejenigen, die bei ihnen organisiert sind. Die Gewerkschaft ist also auch eine Art Versicherung.

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder weist aber auf eines hin: "Wenn der Schadensfall vorbei ist, sprich der Streik, dann treten viele auch wieder aus. Insofern ist die neue Mitgliederentwicklung keine – wie der Schwabe sagen würde – gemähte Wiese."

Ob der momentane Zulauf diesmal nachhaltiger ist, wird sich zeigen. Das hängt sicher auch davon ab, ob es den Gewerkschaften gelingt, die Neuen zu halten, meint Schroeder: "Sie müssen den Beschäftigten klarmachen: Ja, ihr seid in einer besonderen Situation eingetreten. Wir sind aber auch im Normalfall für euch zuständig, für euch da und wirken im Alltag zu euren Gunsten."

Die Gewerkschaft als "Dinosaurier"?

In Umfragen bezeichnen weit über 50 Prozent der Bevölkerung die Gewerkschaften nach wie vor als wichtig im System der Bundesrepublik. Die soziale Marktwirtschaft wird auch als ein Erfolg gesehen, weil Gewerkschaften und Arbeitgeber den Ausgleich versuchen. Im Vergleich kommt es in Deutschland nicht zu überdurchschnittlich vielen Streiks. Laut Statistik eskaliert nur ein kleiner Teil der Tarifrunden. Da machen Beschäftigte in anderen Ländern häufiger von sich reden. Wobei Streiks auch für das Bundesarbeitsgericht ein legitimes Mittel sind. Alles andere wäre "kollektives Betteln", heißt es in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1980.

Trotzdem konnten die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren nicht allzu sehr punkten. Die Mitgliederzahlen gingen zurück oder stagnierten. Gerade in der digitalen Welt gelten Gewerkschaften vielfach als "Dinosaurier". Viele Arbeitnehmer wollen ihre Arbeitsbedingungen selber aushandeln.

Dass das nicht immer gelingt, zeigt sich am wachsenden Gewerkschaftsinteresse von denen, die auf Plattformen ihr Geld verdienen. Laut Gewerkschaften klagen inzwischen viele über Ausbeutung. Sie mit ihren Problemen abzuholen, muss Aufgabe der Gewerkschaften sein, meint der Politologe Schroeder. Dafür sei das Engagement der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtig und ein anderer Stil der Kommunikation, der Überzeugung aufseiten der Gewerkschaften. Sie nur "beglücken" zu wollen, ist zu wenig. Dafür müssen Gewerkschaften aber Mitarbeitende erreichen können, was bei Menschen ohne festen Arbeitsplatz in einem Betrieb manchmal gar nicht so leicht ist.

Die Gewerkschaften nutzen inzwischen auch intensiv das Internet bei der Betreuung ihrer Mitglieder und auf der Suche nach neuen. Tarifrunden werden im Netz begleitet, man kann sich aktiv einmischen. Ein Problem allerdings haben auch die Gewerkschaften: den demografischen Wandel. Viele Babyboomer gehen bald in Rente – und bei weitem nicht alle bleiben dann ihrer Gewerkschaft treu.

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