Motor-und Segelboote im Hafen am Bodensee
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Motor-und Segelboote am Bodensee: Die Schifffahrt soll klimafreundliocher werden

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Kraftstoffwende: Bodensee soll klimaneutral werden

Kraftstoffwende: Bodensee soll klimaneutral werden

Bei der Energie- und Kraftstoffwende dürfen Luftverkehr und Schifffahrt nicht vergessen werden. Am Bodensee machen die Anrainer, darunter Bayern, heute mit einer Machbarkeitsstudie ernst. Der Schiffsverkehr soll klimaneutral werden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Wie kann die Schifffahrt auf dem Bodensee klimaneutral werden? Dazu hat die bayerische Staatsregierung in Kooperation mit der internationalen Bodensee-Konferenz eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die heute in München vorgestellt wird. Die Bodensee-Anrainer aus Österreich, der Schweiz und Deutschland ziehen dabei an einem Strang.

Bodensee als Vorbildregion

Der Bodensee soll als Ökosystem und Wirtschaftsraum weiterentwickelt werden und damit "Signalcharakter" haben, so Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Dass Handlungsbedarf aus ökologischer Sicht besteht, zeige die Temperaturzunahme von 1,5 Grad auf der Wasseroberfläche und 0,5 Grad in der Tiefe, zu wenig Schnee im Winter, tiefe Pegelstände im Sommer: Mithin Stress für das Ökosystem, der indirekt auch die Tourismus- und Freizeitqualität des Bodensees als Europas größtem Trinkwasserspeicher bedrohe.

Größte Herausforderung: 40.000 Motorsportboote

Professor Werner Tillmetz, Elektrochemiker und Autor der Präsentation, die BR24 vorliegt, skizziert die Chancen und Herausforderungen für dieses anspruchsvolle Projekt.

Wichtigster Punkt: Nicht nur die kommerzielle Schifffahrt mit Fahrgast-Schiffen und Fähren ist betroffen, sondern sogar mehr noch die geschätzten 40.000 Motorsportboote, die zu 95 Prozent mit Verbrennungsmotoren betrieben werden und je nach Gewicht zwischen 40 und 400 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen.

Damit sich Kraftstoffverbrauch und Lärmemissionen reduzieren und das Kraftstoffangebot erweitert, nennt die Studie mehrere Hürden, die überwunden werden müssen.

Zwar sei die Betankungsinfrastruktur am See etabliert und rund um die Uhr verfügbar, klimaneutrale Kraftstoffe der Zukunft aber noch nicht. Elektro-Tankstellen müssten zudem rund um den See noch gebaut werden. Dabei sei die fast zwingend erforderliche Schnelllade-Infrastruktur extrem teuer.

Batterie-elektrische Schiffe können nur Teil der Lösung sein

Noch stärker als beim Pkw-Verkehr zeigen sich die Grenzen des Batteriebetriebs. Dieser sei aus Kosten- und Gewichtsgründen nur für kurze Strecken und langsame Schiffe sinnvoll. Zudem brauche es grünen Ladestrom. Und da habe Deutschland im Vergleich zu den Anrainern Österreich und Schweiz eine größere Stromlücke.

Hinzu kommt: Schiffe und Yachten mit Verbrennungsmotoren haben teils eine sehr hohe Lebensdauer. Ein "Verbrennerverbot" auf dem See würde hohe Umrüstungskosten verursachen. Umrüstung sein zwar für Sportboote bis 10 Kw gut machbar. Die Durchschnittsleistung der Boote liege aber mit 37 Kw weit darüber.

Maßnahmen nur gemeinsam sinnvoll

Weil der Bodensee unter die Verwaltungshoheit von drei Staaten fällt, müssen die Vorschriften für Verkehr und Umwelt harmonisiert werden, von Lindau (Land Bayern) über Bregenz (Land Vorarlberg) bis Stein am Rhein (Kanton Schaffhausen). Ein Beispiel: Wenn Bürgerinitiativen wie "Heureka Lago" ein Tempolimit von 15 Kilometern pro Stunde fordern, braucht es dazu in der Schweiz eine Volksbefragung. Immerhin: Dass internationale Zusammenarbeit grundsätzlich klappt, hat die Bodenseeregion seit den 60er Jahren mit erheblich verbessertem Gewässerschutz nachgewiesen.

Zudem brauche es unterschiedliche Strategien für unterschiedliche Schiffstypen und Interessengruppen. Die Palette an Beteiligten ist laut Professor Tillmetz herausfordernd groß: Neben Berufsschifffahrt und Häfen wollen auch Bootshandel und Verleiher, Werften, Wassersportler, Seeforscher und nicht zuletzt Anwohner mitgenommen werden. Eine tragfähige wirtschaftliche Zukunft der Berufsfischer am See sei dabei nur ein Beispiel.

Bodensee könnte Musterbeispiel der Kraftstoffwende werden

Die eine schnelle Lösung gibt es laut Werner Tillmetz nicht. Man müsse daher die verschiedensten Techniken, die weltweit erprobt werden, einbeziehen. Die Machbarkeitsstudie nennt E-Methanol als sinnvollste Option – vor bislang nicht verfügbarem E-Benzin und E-Diesel und biomasse-basierten Kraftstoffen (HVO etc.) als Zwischenlösung. Mittlerweile seien große Dual-Fuel-Motoren von MAN, RRPs oder Scania verfügbar und in der internationalen Schifffahrt zunehmend verbreitet. Die Umrüstung von Motoryachten auf E-Methanol sei noch nicht kommerziell verfügbar, aber laut Tillmetz relativ einfach machbar.

Die Herausforderung: E-Methanol müsse dazu aber in wind- und sonnenreichen Regionen aus Wasserstoff und CO₂ erzeugt und per Schiff, Bahn und Lkw an den Bodensee importiert werden. "Nicht der Verbrennungsmotor ist das Problem, sondern der Kraftstoff, der reinkommt", so das Fazit von Professor Tillmetz.

Politik muss nun liefern

Der Politik hat die Machbarkeitsstudie einen Handlungsrahmen gegeben, in dem nun konkrete Maßnahmen folgen sollen. Erste Projekte werden bereits ausgewertet: Mit dem elektrobetriebenen Motorschiff Mainau und dem Gasmotor-betriebenen Fährschiff Richmond wird zurzeit auch mit der MS Lindau und MS München mit alternativen Kraftstoffen experimentiert. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann hebt deshalb auch die Chancen für Innovation und Wachstum in diesem Segment hervor und wünscht sich "Technologie vom Bodensee für die Welt".

Bayerns Europaminister Eric Beißwenger (CSU) nennt 2040 als Zielmarke für einen klimaneutralen Bodensee. Damit es so weit kommt, will die Politik jetzt zeitnah grenzübergreifend konkret werden – zunächst mit Pilotprojekten und regionaler Beteiligung.

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