Ein normaler Morgen, kurz vor acht vor der Münchner Grundschule am Agilolfingerplatz: Autos kommen von allen Seiten angefahren, parken in zweiter Reihe, stehen auf dem Bürgersteig, vor anderen Autos oder in der Feuerwehrzufahrt. Die meisten Eltern steigen aus und bringen ihren Sohn oder ihre Tochter bis zum Schultor.
Per Elterntaxi zur Schule – das sind die "Gründe"
Kaum ist das eigene Kind im Schulgebäude verschwunden, steigen die Eltern schnell wieder ins Auto und fahren weg. Fragt man nach, warum sie ihr Kind mit dem Auto zur Schule fahren, fühlen sich einige sichtbar ertappt und lachen verlegen. Für andere ist es selbstverständlich: "Ich muss eh zur Arbeit und die Schule liegt auf dem Weg."
Andere Eltern antworten: "Zu kalt, um zu Fuß zu gehen." – "Wir haben es eilig!" – "Nur heute sind wir mit dem Auto. Sonst kommen wir zu Fuß." Eine Mutter gibt zu: "Meine Tochter schläft gerne länger. Wir sind einfach zu bequem."
Überall in Bayern sind Elterntaxis ein Problem
Ob in Oberbayern, Schwaben, Niederbayern, Franken oder der Oberpfalz: Elterntaxis sind in ganz Bayern ein Problem, wie eine BR24-Abfrage der Polizeipräsidien zeigt. Der elterliche Bring- und Holdienst bedeute eine Gefahr für die Kinder, vor allem für diejenigen, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen, so die Polizeipräsidien einhellig. Eltern fahren zu schnell, halten zu wenig Abstand, machen gefährliche Wendemanöver und die Kinder werden durch die vielen haltenden und parkenden Autos leicht übersehen.
Auch Anwohner ärgern sich laut Polizei über die täglichen Verkehrsbehinderungen, insbesondere über versperrte Grundstückszufahrten und das teils unkooperative Auftreten der Eltern, so die Polizei in Niederbayern. Das Eigeninteresse der Eltern überwiege, heißt es auch aus Mittelfranken. In Oberfranken fährt die Polizei regelmäßig morgens und nachmittags an den Schulen Streife und kontrolliert – auch zur Prävention, so eine Polizeisprecherin. In Schwaben macht die Polizei über die Social-Media-Kanäle auf das richtige Verhalten von Eltern beim Bringen und Abholen von Schulkindern aufmerksam.
Verwarnungen, Anzeigen, Strafen: Tausende Fälle
Die Liste der Ordnungswidrigkeiten von Elterntaxis ist lang: Halten oder Parken im absoluten Halteverbot, auf dem Gehweg, Feuerwehrzufahrten zuparken, das Kind ist nicht angeschnallt, teilt das Polizeipräsidium Oberbayern Nord mit. Die Strafen liegen dabei zwischen 20 und 60 Euro.
Bei Schwerpunktkontrollen im Rahmen der bayernweiten Aktion "Sicher zur Schule – Sicher nach Hause" wurden zu Schulbeginn in Bayern im September vergangenen Jahres insgesamt 31 Personen wegen eines Vergehens und 761 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit angezeigt sowie 6.187 verwarnt, teilt das Bayerische Innenministerium auf BR24-Anfrage mit.
ADAC: Kinder müssen früh Verkehrskompetenz lernen
Auch der ADAC sieht die Elterntaxis kritisch, bestätigt Bernd Emmrich vom ADAC Südbayern. Gerade zu Schulbeginn und nach Schulende herrsche ohnehin sehr viel Verkehr und Betrieb durch Schulbusse, Fußgänger und Radfahrer. "Beobachtungen vor manchen Schuleingangsbereichen lassen einen manchmal fassungslos zurück", so der Verkehrsexperte.
Außerdem lernten Kindern keine Verkehrskompetenz, wenn sie täglich mit dem Elterntaxi gefahren werden, sagt Emmrich: "Zu lernen, wie man sich im Verkehr bewegt, wie andere Verkehrsteilnehmer sich verhalten, wie das eigene Verhalten anzupassen ist. Das ist gerade im Grundschulalter sehr wichtig."
Welche Lösungen es gibt
Städte wie München und Augsburg initiieren Kampagnen, um Elterntaxis einzudämmen, zum Beispiel mit Bonuskarten für Kinder, die nicht mit dem Auto gebracht werden sowie mit dem "Walkingbus" oder "Bus mit Füßen": Kinder gehen in Kleingruppen begleitet von einem Elternteil zur Schule. In Bamberg wird aktuell geprüft, ob Schulstraßen eingerichtet werden können, teilt der Stadtsprecher mit. Dabei wird der Straßenabschnitt vor der Schule zeitweise für den Autoverkehr gesperrt.
Appell der Schulleitung: Mehr zu Fuß, mit Rad oder Roller kommen
An der Münchner Grundschule beobachtet Rektorin Stephanie Bierl fast täglich besorgt die Elterntaxis vor ihrer Schule. Auf Elternabenden, mit Aktionen und Projekten versucht die Schule, die Eltern dafür zu sensibilisieren. Lehrkräfte besprechen das Problem der Elterntaxis im Unterricht – der Lehrplan sieht "Schulwegsicherheit" vor. Der Elternbeirat unterstützt die Schulleitung dabei und sagt: "Die bisher uneinsichtigen Eltern seien nur über die Kinder zu erreichen."
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