Der Gitarrist Slash während eines Konzerts mit Ozzy Osbourne 2012.
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Der Gitarrist Slash während eines Konzerts mit Ozzy Osbourne 2012.

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Dank Youtube und Co: Die Rückkehr des E-Gitarrensolos

Dank Youtube und Co: Die Rückkehr des E-Gitarrensolos

Lange war das ausgedehnte Gitarrensolo out – ein Relikt der 70er- oder 80er-Jahre. Aber jetzt hört man es wieder häufiger. Vor allem auf Videoplattformen wie Youtube oder Twitch. Hier wird gegniedelt, was das Zeug hält. Auf hohem Niveau.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Die Zeiten, in denen geniale Gitarristen Götter waren, die auf Erden wandelten, und ihre Soli die Offenbarung in gegniedelter Form waren, diese Zeiten sind vorbei. Es mag den Einen oder Anderen schockieren, aber die gesamtgesellschaftliche Relevanz eines E-Gitarrensolos ist 2025 wohl nicht mehr so groß wie in den 70er- und 80er-Jahren. Gleichzeitig wird auf Youtube, Instagram oder Twitch soviel gegniedelt noch nie. Gern auch mal in lustig.

Skurrile Challenges funktionieren

Metal Riffs auf einer Miniaturgitarre, kaum größer als ein Esslöffel, warum nicht. Dargeboten vom Musiker Charles Berthoud, der einen Youtube-Kanal mit zwei Millionen Followern betreibt. Humor und skurrile Challenges funktionieren ja immer sehr gut in den sozialen Medien. Aber: Auch das ganz seriöses Virtuosentum gedeiht hier. Wer einmal anfängt, sich durch Gitarren-Youtube zu klicken, stößt auf eine schwindelerregende Menge an Videos von Menschen wie James Stent. Menschen, die zuhause vor der Webcam kauern und die abenteuerlichsten Dinge aufs Griffbrett zaubern.

Höchstes technisches Niveau

Manchmal klingt das Ganze sogar wie der Soundtrack eines Videospiels. Was insofern passt, als viele der Online-Gitarristinnen und Gitarristen auch auf der Plattform Twitch unterwegs sind, die vor allem als Portal für sogenannte Gaming-Streamer bekannt geworden ist. Das sind Leute, die sich online dabei zusehen lassen, wie sie Videospiele spielen. Manche machen das hauptberuflich. Deren Format haben viele Musikerinnen und Musiker in ihre Welt übertragen. Man sitzt vor einer Kamera, im heimischen Hobbyzimmer, spielt live fürs Internet, und die Zuschauer können per Chatfunktion kommentieren, Songwünsche äußern, und: Geld spenden, so wie früher mit Hut und Fußgängerzone.

Nicht selten herrscht bei diesen Video-Virtuosen ein Ehrfurcht gebietendes technisches Niveau vor. Aber wen wundert's. Schließlich ist auch das Lernmaterial so üppig, verfügbar und anschaulich wie noch nie. Vorbei die Zeiten, in denen die jungen Beatles, wie Paul McCartney das gerne erzählt, mit dem Bus ans andere Ende von Liverpool fahren mussten, um sich von jemandem, der es konnte, zeigen zu lassen, wie man einen B7-Akkord greift.

Online-Gitarrenlehrer haben Millionen von Followern

Heute findet man mit ein paar wenigen Klicks zu jeder Spieltechnik, jeder Frage von Sound und Komposition, zu dutzenden Analyse- und Lehrvideos, von Profis detailliert erklärt. Was Instrumentenunterricht angeht, ist Youtube quasi der Quantencomputer unter den Musikschulen. Und nicht nur der Gitarrenhersteller Gibson hat sich in den Corona-Jahren wirtschaftlich gesundgestoßen, als viele in der Leere der Pandemie wieder oder zum ersten Mal zu einem Instrument griffen. Auch die Branche der Online-Musiklehrer dürfte ordentlich profitiert haben.

Erfolgreiche internationale Gitarrenlehrer haben mehrere Millionen Follower auf Youtube, aber auch der Regensburger Gitarrist Andreas Januschke z.B. betreibt seinen Channel Fingerfux mit über 120.000 Abonnenten hauptberuflich, wie er in einem Youtube-Video erzählt (externer Link).

Webcam ist nicht live

Aber natürlich ist die Webcam etwas anderes als die Livebühne. Und so berichten Virtuosen der alten Schule, etwa der Megadeth-Gitarrist Marty Friedman, von versierten neuen Gitarristen, die nicht im Stehen mit Gitarrengurt spielen können, weil sie nur das sitzende Spielen vor dem Bildschirm gewohnt seien.

Und: Bei all der Webcam-Nahbarkeit leidet natürlich auch der alte Mythos: vom exzentrischen Gitarrengott, mit ausschweifendem Lebensstil, der für sein Talent seine Seele an den Teufel verkauft hat. Wobei – die okkulten Wundertaten dieser mythischen Figuren aus der Vergangenheit findet man ja auch auf Youtube.

Dieser Artikel ist erstmals am 28. März 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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