Jule Steinert fährt mit ihrem Bike über eine Stufe auf dem Trial-Trainingsgelände in Heideck.
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Jule Steinert ist deshalb so gut, weil sie sich durchbeißt – auch wenn es schwierig wird.

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Diese Frau kämpft für mehr Fahrerinnen im Trial-Motorsport

Diese Frau kämpft für mehr Fahrerinnen im Trial-Motorsport

Jule Steinert ist eine der besten Trial-Fahrerinnen Deutschlands. Aber Frauen sind in dem Sport in der Minderheit. Das liegt an den Strukturen, aber auch am Mindset der jungen Fahrerinnen. Sie will das ändern – und fördert die Konkurrenz von morgen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

Beim Trial-Sport geht es nicht um Tempo, sondern um Technik. Durch die kam Jule Steinert zu ihrem Sport: Bei einem Vater-Kind-Motocross-Wochenende verlor sie als Kind schnell die Lust daran, mit den anderen über die Piste zu heizen, sondern fuhr lieber hoch konzentriert langsame, enge Wendungen. Heute ist die 27-Jährige eine der besten Trial-Fahrerinnen Deutschlands. 2021 hat sie die Deutsche Meisterschaft für sich entschieden. Doch die Nürnbergerin will nicht nur Pokale abstauben, sondern auch anderen Fahrerinnen dabei helfen, bei Meisterschaften abzuräumen. Frauen gibt es in den Spitzenklassen nämlich nur wenige. Das hat mit den Strukturen der Wettkämpfe zu tun – aber auch mit dem Umgang mit den Mädchen im Training.

Im Video: Taktik statt Tempo: Als Trial-Fahrerin im Motorsport

Als Trial-Fahrerin im Motorsport
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Als Trial-Fahrerin im Motorsport

Taktik statt Tempo

Trial – das sind Geschicklichkeitsübungen in schwerem Gelände. Die Fahrerinnen und Fahrer balancieren ihre Bikes teilweise im Schritt-Tempo durch die "Sektionen", also kleine Hindernisparcours und manövrieren ihre Reifen dabei zentimetergenau über Traktor-Reifen, Holzstufen oder Sandsteinbrocken. Bei den Wettkämpfen geht es nicht um die Zeit, sondern darum, dass die Fahrerinnen und Fahrer auf der Strecke bleiben müssen und den Fuß nicht absetzen dürfen.

Steinert aktiv im Jugendtraining

Bevor sich die zehn Jahre alte Ellena Piegler auf großen Wettkämpfen behauptet, wird sie auf dem Gelände des MSC Jura Heideck noch einige Trainingsstunden fahren. Steinert coacht sie dabei. "Das war schon total gut. Jetzt versuch mal, das Gas ein bisschen früher zu geben", ruft Steinert ihrer Schülerin beim Jugendtraining an einem Dienstagabend zu. Ellena grinst unter ihrem pinken Motorradhelm hervor, nickt, und fährt die kniehohe Stufe noch einmal an. Kurz vor der Kante zieht sie das Vorderrad hoch und ist oben. Steinert ist stolz auf Ellena. "Sie hat irgendwie so einen natürlichen Spaß an der Sache und lässt sich von nichts beirren", sagt sie. "Und sie ist einfach wahnsinnig mutig. Ich habe mich in dem Alter nicht so viel getraut."

Fahrerinnen brauchen mehr Selbstvertrauen

Denn Steinert war als junges Mädchen im Training meistens alleine unter Jungs. Oft wurde ihr gesagt "lass das mal lieber", oder "du kannst das eh nicht, du bist ja ein Mädchen". Steinert glaubt: "Wenn man das oft genug gesagt bekommt, glaubt man irgendwann selbst dran." Abhalten lassen hat sie sich von den anderen aber nie. Sie hat geübt und sich angestrengt, ist die Hindernisse immer und immer wieder gefahren, bis es schließlich geklappt hat. Die Skepsis ihrer Sportskollegen ist über die Jahre viel Respekt gewichen. Heute rät Steinert den Nachwuchstalenten: "Manchmal muss man es einfach ignorieren, wenn jemand sagt, du schaffst das nicht. Wir können oft viel mehr, als wir uns selbst zutrauen."

Unfall mit Folgen

Daran muss sich Steinert manchmal noch selbst erinnern. So wie beim Training auf dem Gelände in Heideck: Da gibt es seit Kurzem ein neues Hindernis. Drei Stufen, die jeweils fast schulterhoch sind, sind hintereinander an einem Hang aufgereiht. An so einem Hindernis hat sich Steinert bei einem Wettbewerb vor zwei Monaten erst das Wadenbein gebrochen. Ihr Motorrad ist weggerutscht, die sogenannten "Minder", die die Stelle absichern sollten, konnten es nicht mehr auffangen. Ein Video des Unfalls zeigt, wie Steinert in einen Fluss fällt, laut aufschreit und das Bike auf ihrem Bein landet.

Seitdem ist Steinert ängstlicher beim Fahren geworden, sagt sie. Besonders bei Hindernissen, die ihrem Schicksals-Sprung ähneln. So wie den drei Stufen in Heideck. "Da habe ich jetzt schon Bedenken, weil es oben sehr steil raus geht", sagt sie und mustert die Holzbretter, die in den Hang montiert sind. Doch der Ehrgeiz siegt, Steinert probiert das Hindernis trotz mulmigem Gefühl aus. Der erste Versuch scheitert, Steinert bleibt mit dem Motorrad an der letzten Stufe hängen. Doch beim zweiten Versuch klappt's – Steinert braust mit ihrem Rad über die Kuppe des Hügels und lässt eine kleine Staubwolke zurück.

Ladies-Cup in Heideck

Steinert hat Ehrgeiz aber auch Teamgeist. Sie sieht Trial nicht als Kampf gegen andere, sondern als Gemeinschaftssport. Und ihr liegt viel daran, die Konkurrentinnen von morgen so gut es geht zu unterstützen. Denn aktuell gibt es in Deutschland vier Spitzen-Fahrerinnen, die sich bei Wettkämpfen regelmäßig auf die ersten vier Plätze verteilen. Das Problem bei den Wettkämpfen: Die Frauen fahren oft mit vielen gleichaltrigen Männern. Die werden in der Regel schneller besser, als die Frauen, weil sie einfach mehr Kraft entwickeln. "Das kann einen total an sich selbst zweifeln lassen", sagt Steinert. Und das hält weibliche Nachwuchstalente davon ab, überhaupt bei Wettkämpfen mitzufahren.

Deshalb setzt sich Steinert dafür ein, eigene Frauen-Meisterschaften zu veranstalten. "Da können sich die Mädels dann untereinander vergleichen und austauschen", sagt Steinert. Erst in diesem Jahr hat sie den deutschlandweit ersten "Ladies-Cup" mit organisiert. Das große Finale findet am letzten Juliwochenende in Heideck statt. Besucherinnen und Besucher sind herzlich willkommen.

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