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AfD-Klage gegen Beobachtung: Die Frage nach dem Volksbegriff

AfD-Klage gegen Beobachtung: Die Frage nach dem Volksbegriff

Das Münchner Verwaltungsgericht muss entscheiden, ob der bayerische Verfassungsschutz die AfD beobachten darf. Am zweiten Verhandlungstag stand dabei vor allem die Frage nach dem Volksbegriff der Partei im Fokus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Nach der Mittagspause verteilt der Rechtsanwalt der bayerischen AfD einen Zettel. "7 Punkte zur Remigration" steht darauf. Und: "Wie die AfD den Begriff definiert". Dann führt Christian Conrad aus. Der Begriff sei auf ganz unterschiedliche Weise zu verstehen. Und deswegen habe die AfD nach den Medienberichten über das Treffen in Potsdam dieses Papier ausgegeben.

In dem Papier fordert die AfD konsequente Abschiebungen, spricht von einem "Import ausländischer Konflikte", von "Einwanderung in unser Sozialsystem". Und sie stellt noch einmal heraus: "Die AfD unterscheidet nicht zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund." Für Rechtsanwalt Conrad ist das die zentrale Stelle, um zu belegen, dass die AfD keinen ethnischen Volksbegriff vertritt.

Volksbegriff im Fokus der Verhandlungen

Denn um diese Frage geht es heute. Es ist der zweite Tag, an dem die Kammer am Münchner Verwaltungsgericht über die Klage der bayerischen AfD verhandelt. Sie muss entscheiden, ob das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die AfD beobachten und darüber informieren darf. Voraussetzung dafür ist, dass es ausreichend "tatsächliche Anhaltspunkte" für extremistische Bestrebungen in der AfD gibt. Das muss der bayerische Verfassungsschutz belegen. An diesem Tag steht dabei vor allem die Frage nach dem Volksbegriff der AfD im Fokus – eine juristisch und politisch schwierige Frage.

AfD: Vertreten Volksbegriff des Grundgesetzes

Entsprechend viel Zeit nimmt das Thema heute vor Gericht ein. Fast eine halbe Stunde lang spricht allein der Rechtsanwalt der AfD, um die Sicht der Partei darzulegen. Immer wieder betont er, die AfD vertrete einen Volksbegriff nach dem Grundgesetz. Aber er führt auch aus: Es gebe ein historisch gewachsenes Staatsvolk. Nur sei es weder "verfassungsschutzrelevant", diese Tatsache zu beschreiben, noch sich für den Erhalt dieses Staatsvolkes einzusetzen. Es gehe dabei lediglich um die Frage, wie man sich dafür einsetze. Da gebe es für die AfD dann rote Linien.

Allerdings: Wie schwer es ist zu erkennen, wo diese roten Linien in der Praxis für die Partei tatsächlich verlaufen, zeigt sich auch heute vor Gericht.

Wo sind die roten Linien?

Nach der Mittagspause geht es um konkrete Belege. Der Vorsitzende des Kreisverbandes München Ost, Rene Dierkes, hat zahlreiche Posts auf der Plattform X geteilt. Darin geht es etwa um Remigration. Ein Post ist dabei mit dem Hashtag "#Sellner" versehen, also mit einem Verweis auf den führenden Kopf der als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung im deutschsprachigen Raum. In einem anderen bietet der Verfasser des Posts den Personen, die auf Sylt "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" gegrölt haben, einen Job als Mitarbeiter im Landtag.

Wird hier also der Volksbegriff des Grundgesetzes vertreten, oder ein ethnischer, wie bei der Identitären Bewegung? Und: Wer teilt diesen Volksbegriff. Der Verfasser des Posts oder die AfD?

Rene Dierkes, selbst vor Gericht dabei, sagt dazu: Die Posts habe ein Mitarbeiter von ihm geteilt. Sie seien nicht Ansicht der AfD. Der Mitarbeiter habe eine arbeitsrechtliche Abmahnung erhalten. Der Verfassungsschutz entgegnet, dass manche Posts auch nach einer Abmahnung noch auf dem Profil geblieben und nicht gelöscht worden seien. Für sie ist klar, dass sich in solchen und anderen Äußerungen ein ethnischer Volksbegriff zeigt, der dazu führe, dass es Deutsche erster und zweiter Klasse gäbe. Mit der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip halten sie das nicht für vereinbar.

Zahlreiche Themen werden vor Gericht behandelt

Die Frage nach dem Volksbegriff ist nur eines von mehreren Themen, die das Gericht während des Prozesses erörtert. Am Dienstag ging es bereits um mögliche "Umsturzfantasien" und die Menschenwürde von Menschen mit Migrationshintergrund. Insgesamt sind für das Verfahren neun Prozesstage angesetzt. Allerdings sind die Verhandlungen am zweiten Prozesstag schon deutlich vorangeschritten. Im Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht die Klage der AfD abgewiesen. Sollte es auch im Hauptverfahren so entscheiden, wird erwartet, dass der Verfassungsschutz die AfD künftig auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet.

Im Video: Prozess - Darf der bayerische Verfassungsschutz die AfD beobachten?

Darf der bayerische Verfassungsschutz die AfD beobachten? Das muss das Verwaltungsgericht München entscheiden. Prozessbeginn war am Dienstag - mit einem Eingeständnis des Verfassungsschutzes und einer neuen Taktik der AfD.
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AfD gegen Verfassungsschutz: Wer überwacht die Wächter?

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