Überall in Altertheim verteilt hängen große Plakate an Hauswänden. "Wir können Geld nicht trinken", steht etwa darauf. Oder: "Lebenswertes Altertheim für unsere Kinder und Enkel".
In der kleinen Gemeinde westlich von Würzburg sind die Fronten verhärtet. Grund dafür ist ein Gips-Bergwerk, das der Baustoffkonzern Knauf dort plant. "Das Thema sorgt für eine Spaltung im Dorf", sagt Altertheims Bürgermeister Bernd Korbmann (SPD) im Gespräch mit BR24. Bei zwei Bürgerentscheiden haben die Bürgerinnen und Bürger jetzt darüber abgestimmt, wie sich die Gemeinde gegenüber dem Vorhaben positionieren soll.
Altertheimer stimmen gegen Bergwerk
Das Ergebnis ist zwar eindeutig, zeigt aber trotzdem, wie gespalten das Dorf ist: Bei beiden Bürgerentscheiden hat sich die Mehrheit gegen das geplante Gips-Bergwerk in der "Altertheimer Mulde" ausgesprochen. Im ersten Bürgerentscheid ging es um die Forderung: Die Gemeinde soll alle zulässigen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Genehmigung des Bergwerks zu verhindern – im Zweifel auch vor dem Verwaltungsgericht klagen. Das Ergebnis: 56 Prozent haben dafür gestimmt, 44 Prozent dagegen.
Ähnlich ist das Ergebnis beim zweiten Bürgerentscheid ausgefallen. Dabei ging es darum, dass Altertheim der Firma Knauf keine gemeindeeigenen Grundstücke zur Verfügung stellen soll. Das Ergebnis: 55,7 Prozent haben dafür gestimmt, 44,3 Prozent dagegen.
Gemeinde prüft rechtliche Schritte
Vor allem die Umsetzung des zweiten Bürgerentscheids ist für die Gemeinde laut Bürgermeister Bernd Korbmann (SPD) nicht einfach. Nach seinen Angaben ist die Gemeinde Eigentümerin von nur einem Grundstück und einigen Wegen im geplanten Abbau-Gebiet. Die Vertragsbedingungen für dieses eine Grundstück seien mit Knauf schon seit einigen Jahren ausgehandelt. Ob sich das rückgängig machen lässt, will die Gemeinde laut Korbmann jetzt rechtlich prüfen. Auch viele Privatleute und die Bayerischen Staatsforsten haben laut dem Bürgermeister schon Verträge mit Knauf geschlossen.
Bund Naturschutz sieht wichtiges Zeichen
"Dies ist ein wichtiges Signal an Politik und Behörden, den Trinkwasserschutz ohne Wenn und Aber an die oberste Stelle zu stellen und ernst zu nehmen", sagt Andrea Angenvoort-Baier, die Vorsitzende des Bund Naturschutzes in Würzburg. Wirtschaftliche Interessen dürften hier nicht überwiegen, Trinkwasserschutz und Bergwerk seien nicht vereinbar. "Erkennen Sie den Willen der Mehrheit an", appelliert sie an das Unternehmen.
Die Bürgerentscheide binden die Gemeinde Altertheim für ein Jahr an das Ergebnis. Initiiert wurden sie vom Verein zur Förderung und Erhaltung einer gesunden Umwelt in Altertheim. Die Wahlbeteiligung lag bei 75,8 Prozent.
Bergamt entscheidet über Gips-Abbau
Für die Zulassung des Bergwerks ist der Bürgerentscheid nicht ausschlaggebend: Die Entscheidung liegt beim Bergamt Nordbayern in Bayreuth. Dort läuft derzeit das bergrechtliche Genehmigungsverfahren. Das Bergwerk soll einmal das größte für Steine und Erden in Bayern werden. Etwa 1.000 Einwendungen und Stellungnahmen sind dazu beim Bergamt Nordbayern eingegangen – von Privatleuten, Behörden und betroffenen Gemeinden. Der Großteil der Einwendungen befasst sich mit Sorgen um eine sichere Trinkwasserversorgung.
Größter Streitpunkt: Sorge ums Trinkwasser
Der geplante Gips-Abbau liegt im Einzugsgebiet der "Zeller Quellen". Die Quellen versorgen etwa die Hälfte der Würzburger mit Trinkwasser – etwa 65.000 Menschen. Umweltschützer, der Würzburger Trinkwasserversorger, aber auch andere Gemeinden befürchten, dass Grundwasser nach unten ins Bergwerk fließen und verloren gehen könnte. Steffen Jodl, Geschäftsführer der Kreisgruppe Würzburg, fordert nach den Bürgerentscheiden das zuständige Landratsamt Würzburg auf, "nun auch die Erweiterung des Trinkwasserschutzgebietes Zeller Quellstollen endlich festzusetzen." Es sei "aller höchste Zeit".
Knauf beteuert: Abbau sei sicher
Knauf hingegen beteuert immer wieder: Der Abbau in der "Altertheimer Mulde" sei sicher. Negative Auswirkungen aufs Trinkwasser seien nicht zu befürchten. Das habe ein Gutachten ergeben. Erstellt hat es ein Tochterunternehmen des TÜV Nord, im Auftrag von Knauf. Es sei ausgeschlossen, dass sich Klüfte vom Grundwasserleiter ins Bergwerk bilden, so wie sie etwa der Trinkwasserversorger befürchtet.
Auf Anfrage von BR24 schreibt Knauf, als "tief in der Region verwurzeltes Unternehmen" die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst zunehmen. Das Ergebnis der Bürgerentscheide verstehe man als Ansporn, weiter transparent und offen um Akzeptanz für Bergwerk zu werben. "Denn klar ist: Wir halten an den Plänen zur Errichtung des Gipsbergwerks fest. Die Voraussetzungen für die Zulassung unseres bergbaulichen Vorhabens liegen weiterhin vor", heißt es in dem Schreiben. Die Rechtslage bleibe durch die Bürgerentscheide unverändert. Und weiter: "Wir bleiben gesprächsbereit, informieren faktenbasiert und nehmen unsere Verantwortung für die Region wahr."
Ab 2038: Keine Kohle, kein Gips
Für Knauf geht es bei dem Bergwerk um viel Geld und um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Bislang deckt das Unternehmen mit Sitz im unterfränkischen Iphofen große Teile der Nachfrage über sogenannten REA-Gips, ein Abfallprodukt aus der Kohlekraft. Mit dem Kohleausstieg 2038 fällt diese Gipsquelle in Deutschland weg. Deshalb will Knauf verstärkt Natur-Gips fördern.
Plakate zum Bürgerentscheid in Altertheim
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