ARCHIV - 12.07.2023, Schleswig-Holstein, Eekholt: Eine ausgewachsener weiblicher Wolf steht in seinem Gehege im Tierpark Eekholt. (Zu dpa "Mehr Wölfe in Deutschland: Bundesweit 184 Rudel nachgewiesen") Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Diskussion um Abschuss von Wölfen: Wann sind es zu viele?

Diskussion um Abschuss von Wölfen: Wann sind es zu viele?

Bundesumweltministerin Steffi Lemke präsentiert heute Vorschläge zum Umgang mit dem Wolf. Werden Abschüsse schneller möglich sein? Der Landkreis Neustadt an der Waldnaab könnte einer der ersten sein, der darüber entscheiden muss.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Mit ihren beiden Hunden geht eine Anwohnerin aus Grafenwöhr täglich spazieren - auf einem Weg, der direkt von der Straße "Im Grabengrund" ins Grüne abzweigt. Vor einiger Zeit sei sie wie angewurzelt stehengeblieben, erzählt sie. Die sonst wuseligen Hunde seien ebenfalls erstarrt.

Etwa 200 Meter entfernt saß auf einer kleinen Anhöhe ein Tier, das sie zuerst für einen Schäferhund hielt, doch es war ein Wolf, der sie beobachtete. Auch wenn alle sagen würden, ein Wolf tue nichts - sie hätte in dem Moment Angst gehabt, gibt die Anwohnerin zu.

Der Wolf als Nachbar

Des Öfteren wandert ein Wolf durch die Wohnsiedlung in Grafenwöhr, andere Hundebesitzer sind hier ebenfalls einem Beutegreifer begegnet. Hinter dem Haus einer Nachbarin soll der Wolf bereits ein Reh erlegt haben. Dennoch wirken die Anwohner unaufgeregt. Von Panik keine Spur.

Sie habe ständig Rehe im Garten, erzählt eine Nachbarin, eine weitere sieht auf Fotos ihrer Wildkamera im Garten zwei- bis dreimal in der Woche Füchse. Ein etwas mulmiges Gefühl hätten sie schon, sagen einige, sie seien verunsichert wegen des Wolfes. Manche hätten beim Spaziergang Trillerpfeifen dabei, um ihn gegebenenfalls zu verscheuchen. Dennoch bleibt ein großer Aufschrei aus.

Zahl der Wölfe in der Oberpfalz steigt

Seit gut sechs Jahren leben auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr Wölfe, der erste standorttreue Wolf wurde im Jahr 2017 nachgewiesen und war damit der erste in Bayern. Inzwischen gibt es im benachbarten Manteler Forst ein ganzes Rudel. Im Veldensteiner Forst, der zwar in Oberfranken liegt, aber direkt an den Truppenübungsplatz Grafenwöhr angrenzt, gibt es sogar mehr als ein Rudel. Dazu kommen durchziehende Einzeltiere, die in den meisten Fällen unbemerkt bleiben. In Niederbayern bildete sich im Jahr 2017 das erste Wolfsrudel in Bayern seit 150 Jahren. Inzwischen leben im grenzüberschreitenden Gebiet Bayerischer Wald/Sumava vier frei lebende Rudel.

Die Zahl der Wölfe steigt und damit vor allem in der Oberpfalz auch die Sichtungen der Wildtiere. Fotos und Videos von Wölfen mitten in einem landwirtschaftlichen Hof am Rande oder auch mitten in einem Wohngebiet häufen sich. Noch halten sich die Risse von Nutztieren in Grenzen. Es sind Einzelfälle, in erster Linie bedienen sich die Wölfe in der Oberpfälzer Natur, wo sie nach wie vor einen gedeckten Tisch an Wild vorfinden.

Steigende Sorgen und Ängste in der Bevölkerung

Der Neustädter Landrat Andreas Meier (CSU) spürt ein steigendes Problembewusstsein und auch Sorgen und Ängste in der Bevölkerung wegen der steigenden Anzahl der Wölfe und der Sichtungen in der Nähe von Wohngebieten. "Das geht jetzt noch nicht so weit, dass ich sage, es greift eine Panik um sich", sagt Meier. Aber ein Konflikt werde greifbarer.

Noch steht der Wolf unter strengem Artenschutz. Doch nach der Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der vergangenen Woche, Wölfe in Bayern bald auch entnehmen zu dürfen, warten Landrat, Förster, Jäger und Landwirte auf die genaue Ausgestaltung der neuen Wolfsverordnung.

Welcher Landkreis schießt als erstes?

Dann könnten Landrat Meier und seine Naturschutzbehörde die ersten in Bayern sein, die über den Abschuss eines Wolfes entscheiden müssen. "Die neue Regelung ist kein Freifahrtschein, dass man alles, was vors Zielrohr kommt, einfach abschießen darf. Es müssen gewisse Kriterien erfüllt sein. Aber ich sage ganz klar, wenn diese Kriterien erfüllt sind, werden wir im Zweifel dann auch entscheiden, das ein oder andere Tier zu entnehmen, wenn das Problem überhand nimmt, wenn es zu viel wird oder die Nähe zum Menschen einfach ungesund, zu groß wird", sagt er.

Nutztierhalter bekommen Ausgleich für Risse

Der Manteler Forst ist genau wie der Truppenübungsplatz Grafenwöhr, der Veldensteiner Forst oder auch der Bayerische Wald als offizielles Wolfsgebiet in Bayern ausgewiesen. Das bedeutet, Nutztierhalter bekommen finanziellen Ausgleich für Risse, insofern sie in Herdenschutz investiert haben. Seit sechs Jahren herrscht in der Oberpfalz eine friedliche Koexistenz zwischen Wolf und Bevölkerung sowie Nutztierhaltern.

Doch die Rudel vergrößern sich. Derzeit bekommen die Fähen wieder Welpen. Wie viele es sind, weiß man erst im Spätsommer, wenn sie aus dem Bau kommen und zufällig in eine Wildkamera tapsen. In den vergangenen Jahren sind bereits acht Wölfe im Straßenverkehr getötet worden, die meisten davon im Manteler oder auch im Veldensteiner Forst.

"Wenn was passiert, ist es wahrscheinlich zu spät"

Die Anwohner in Grafenwöhr, durch deren Wohngebiet der Wolf regelmäßig streift, sehen das relativ gelassen. Sogar die Spaziergängerin, die ihm mit ihren Hunden direkt begegnet ist, zaudert, ob der Wolf abgeschossen werden solle oder nicht.

Verharmlosen will allerdings auch keiner das Wildtier, das keine natürlichen Feinde hat. "Mich stört es nicht, aber wenn was passiert, ist es wahrscheinlich zu spät", sagt eine Anwohnerin.

Ein Wolf zwischen Gräsern und Sträuchern. (Symbolbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/David Van Den Broeck
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In der Oberpfalz leben die Menschen schon seit Langem mit dem Wolf. (Symbolbild)

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