Am Dutzendteich in Nürnberg laufen an einem sonnigen Tag viele Menschen über die Wiese, sitzen auf Bänken oder im Gras. Doch eine Frau liegt reglos am Boden. Sie trägt ein weißes Shirt, ihre Arme und Beine stehen vom Körper ab. Über ihr schwebt eine Drohne.
Vermisstensuche aus der Luft
Die Frau ist Doktorandin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN). Ein paar Meter weiter schaut Yannik Blei in sein Laptop. Blei ist ebenfalls Doktorand und hat seine Kolleginnen und Kollegen zum Test der Drohne herbestellt. Blei will ausprobieren, wie gut sie vermisste oder verletzte Personen aufspüren kann. Er und sein Team haben ein Programm namens "Cloud Track" entwickelt, das Menschen mithilfe von Textbefehlen finden kann. Im Falle der Person am Dutzendteich hatte er der KI folgende Aufgabe gegeben: "Du bist auf einer Rettungsmission. Du suchst eine verletzte Person - eine Frau mit einem weißen Top. Die gesuchte Person ist krank. Passt die Beschreibung zu der Person auf den Videos?"
Drei Jahre Entwicklungsphase
Bis der Bildschirm auf Bleis Laptop ein Warnzeichen anzeigt, dauert es einen Moment. "Gerade ist es sehr heiß, da braucht der Rechner länger", erklärt Blei. Eines der Probleme, die sein Team in den nächsten ein, zwei Jahren noch verbessern möchte. Dann will die UTN die Suchdrohne Rettungskräften zur Verfügung stellen.
Auf die Idee zur Rettungs-Drohne kam Blei vor eineinhalb Jahren, nachdem er gerade an der UTN angefangen hatte. "Damals gab es eine große Suchaktion nach einem autistischen Jungen", erzählt Blei. Hunderte Einsatzkräfte hätten nach ihm gesucht. "Und ich dachte mir: Mensch, solche Suchen sind so schwierig. Könnten Drohnen nicht dabei helfen?"
Jährlich tausende Personen vermisst
Laut Bundeskriminalamt (BKA) waren zum 01.01.2025 in ganz Deutschland rund 9.420 Personen als vermisst gemeldet. Pro Tag gibt es 200 bis 300 neue Fahndungsaufrufe. Einige Menschen werden laut BKA innerhalb weniger Tage wieder gefunden, andere sind viele Jahre vermisst, oder werden gar nicht mehr gefunden. Die Hälfte der Vermissten sind Kinder und Jugendliche.
Drohne muss noch viel lernen
Auf der Wiese am Dutzendteich blinkt es auf Bleis Bildschirm. "Jetzt haben wir ein Match", ruft Blei. Im Ernstfall würde die Drohne nun einen Notruf absetzen und den Standort übermitteln.
Das Experiment ist geglückt. Einige weitere stehen aber noch an. Bleis Kollege Michael Krawez erklärt: "Wir gestalten die Suchszenarien schrittweise immer komplexer." Die KI soll zum Beispiel noch lernen, auf Festivals zwischen dicht gedrängten Menschen die Personen zu finden, denen es nicht gut geht. Und: Aktuell arbeitet das Team nur an der Software, die Hardware steuert Blei per Hand. Aber auch das soll sich noch ändern.
Polizei hat "großes Interesse"
Michael Sachs von der Kompetenzstelle für unbemannte Luftfahrzeuge (ULS) der Bayerischen Bereitschaftspolizei sieht für künftige Einsätze Potenzial in der Drohne. Auch die Drohnenexperten mit Sitz in Roth tüftelten an neuen Techniken, erklärt er und sagt: "Wir haben großes Interesse an neuen Technologien wie dieser". Bei Auswertungen dieser Art könne eine KI die Polizei bei der Vermisstensuche gut unterstützen. Allerdings gibt Sachs zu bedenken, "dass solche Entwicklungen oft etwas länger dauern, als man denkt."
Missbrauch für den Krieg?
Und auch Folgendes sollte bedacht werden: Könnten Drohnen, die eigenständig durch Wälder fliegen, um Personen aufzuspüren, nicht auch missbräuchlich eingesetzt werden? Schlimmstenfalls als Waffe in einem Krieg, als sogenannter Dual-Use? "Wir wollen die Drohne für Rettungskräfte entwickeln, nicht für den Krieg", sagt Wolfram Burgard, Professor an der UT und Inhaber des Lehrstuhls für KI. Gleichzeitig räumt er aber ein: "Grundsätzlich lässt sich jede Erfindung auch im Krieg einsetzen." Die UTN lehne Anfragen von Waffenherstellern jedoch konsequent ab. "Wir treiben die Forschung voran", sagt Burgard. "Die Aufgabe der Gesellschaft ist es dann, dafür zu sorgen, dass die Anwendung nur für Gutes verwendet wird".
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