Symbolbild Integrationskurs: Eine Frau schreibt auf einer Tafel
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Integration ausgebremst: Zu wenige Sprachkurse für Geflüchtete

Integration ausgebremst: Zu wenige Sprachkurse für Geflüchtete

Wenn Geflüchtete nach Bayern kommen, müssen sie einen Sprachkurs besuchen, um hier leben und arbeiten zu können. Dafür hat der Staat Integrationskurse vorgesehen. BR-Recherchen zeigen jedoch, dass vielerorts die Kapazitäten nicht reichen.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Die 25-jährige Saadet Aydin möchte eine Ausbildung zur Bürokauffrau machen. Zuerst muss die gebürtige Türkin allerdings Deutsch lernen. Im Oktober vergangenen Jahres hat sie sich für einen Integrationskurs bei einem Sprachkursanbieter im oberbayerischen Landkreis Miesbach angemeldet. Erst im Mai - sechs Monate später - wird sie an einem Kurs teilnehmen können. So wie der 25-Jährigen geht es vielen Menschen in Bayern. Durch das lange Warten auf einen Sprachkurs werde die Integration häufig ausgebremst, monieren Experten.

Experten: Sprache wegweisend für Integration

Das beobachtet auch Yuliya Kosyakova. Sie ist Wissenschaftlerin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg und leitet den Bereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung. Zahlreiche Studien belegten, wie wegweisend Sprache für die Integration in einem neuen Land sei, sagt Kosyakova.

Eine Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat zum Beispiel gezeigt: Je besser Geflüchtete Deutsch sprechen, desto mehr soziale Kontakte entstehen. Das wiederum könne eine Arbeitsmarktintegration erleichtern, sagt Kosyakova. Deshalb sei Sprachunterricht so entscheidend. Menschen mit sehr guten Deutschkenntnissen hätten eine rund 15 Prozentpunkte höhere Erwerbswahrscheinlichkeit und auch 22 Prozent höhere Löhne im Vergleich zu Personen mit sehr schlechten Deutschkenntnissen, so die Wissenschaftlerin.

Integrationskurse: Wartelisten häufig voll

Der BR hat stichprobenartig in ganz Bayern bei Trägern von Integrationskursen angefragt. Es zeigt sich vielerorts das gleiche Bild: Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Häufig sind die Wartelisten voll. Im ländlichen Raum ist die Lage besonders angespannt, denn dort gibt es schlichtweg weniger Anbieter. Die Beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Wirtschaft, kurz BFZ, bieten derzeit bayernweit rund 260 Integrationskurse an.

Zwischen zwei und sechs Monate müssten die Teilnehmer warten, bestätigt eine Sprecherin. Wenn jemand nachmittags oder abends an einem Kurs teilnehmen könne, dann sei die Wartezeit in der Regel kürzer. Oft scheitere dieses Zeitmodell jedoch an den Themen Kinderbetreuung und Anbindung durch den ÖPNV. Am häufigsten nachgefragt seien die Vormittagskurse. Auch die Volkshochschulen bieten bayernweit Integrationskurse an. Dort gibt es - abhängig von der Region - mehr Anmeldungen als Kurse.

Nachfrage nach Sprachkursen sprunghaft angestiegen

Vergangenes Jahr besuchten in Bayern laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 50.000 Menschen einen Integrationskurs. Das waren fast doppelt so viele wie vor der Pandemie im Jahr 2019. Durch den Zuzug von Menschen aus der Ukraine sei die Nachfrage nach Deutschkursen sprunghaft angestiegen, heißt es seitens des Bayerischen Volkshochschulverbands. Lehrkräfte würden händeringend gesucht. Vielerorts wurden vermehrt Kurse gestartet und Lehrer als Honorarkräfte neu eingestellt. Trotzdem reicht das Angebot nicht.

Bundesamt erleichtert Zulassungsvoraussetzungen für Lehrkräfte

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das für die Integrationskurse zuständig ist, weiß um den Lehrermangel. Seit dem ersten Februar gelten daher geringere Zulassungsvoraussetzungen für Lehrkräfte, heißt es von dort auf Anfrage des BR. Damit sollen einerseits etwa die Möglichkeiten für den Quereinstieg flexibler gestaltet werden, andererseits soll auch pensionierten Lehrkräften aus dem Schuldienst unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht werden, ohne Zusatzqualifizierung in Integrationskursen zu unterrichten. Das Maßnahmenpaket habe bereits Wirkung gezeigt. Sowohl die Zahl der Zulassungsanträge als auch die Zahl der erteilten Zulassungen sei stark steigend, so ein Sprecher weiter.

Geflüchtete Frauen oft von Kinderbetreuung abhängig

Bei vielen Trägern in Bayern sind die Erleichterungen allerdings noch nicht angekommen. Bis die neuen Regelungen spürbar werden, werde es wohl noch etwas dauern, schreibt der Bayerische Volkshochschulverband auf Anfrage des BR. Für diejenigen, die warten, vergehen derweil wichtige Monate. Besonders betroffen: Mütter mit kleinen Kindern, berichtet Sarah Weiss, die bei der Diakonie München und Oberbayern für den Bereich Migration zuständig ist.

Viele Mütter sind auf einen Vormittagskurs angewiesen, da sie sich nachmittags um ihre Kinder kümmern müssen. Doch diese Kurse sind besonders schnell ausgebucht. Und parallele Kinderbetreuung zu den Integrationskursen bieten nur wenige Träger an. Häufig fehle es an Räumlichkeiten und wegen des Fachkräftemangels an geeignetem Personal, so Weiss. Zudem werde die Kostenerstattung für die Kinderbetreuung übers Bundesfamilienministerium refinanziert, und das sei ein bürokratisches Monster.

"Ich möchte eine starke Frau sein"

Auch im Landkreis Miesbach, wo Saadet Aydin wohnt, wird kein Integrationskurs mit paralleler Kinderbetreuung angeboten. Da die alleinerziehende Mutter nachmittags ihren sechsjährigen Sohn betreuen muss, kann sie nur einen Vormittagskurs besuchen. Darauf muss sie sechs Monate warten. Erst neun Monate später, wenn der Kurs beendet ist, kann sie ihre Ausbildung beginnen.

Nun freut sie sich umso mehr, dass sie im Mai endlich an einem Integrationskurs teilnehmen kann: "Ich möchte Deutsch lernen, ich möchte eine starke Frau sein und mit Freunden auf Deutsch sprechen."

Mehr zu diesem Thema hören Sie am 5.4. unter anderem um 12:17 Uhr in der Sendung "Funkstreifzug" im Radioprogramm von BR24. Hier finden Sie den Podcast.

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