Vor Leni sitzen zwei Hunde. Ein großer brauner und ein kleiner weißer. Leni sagt: "Siiiiitz. Und bleeeeeib." Die Hündinnen namens Malu und Viesta gehorchen. Leni strahlt. Dass sie den Hunden klare und deutliche Kommandos geben kann, war harte Arbeit. Denn Leni hat selektiven Mutismus. Sie tut sich schwer mit dem Sprechen, wenn ihr etwas zu viel ist, verstummt sie einfach.
Von Hunden das Sprechen gelernt
Kennengelernt hat Leni die Hündinnen und ihren Trainer Oliver Ludwig, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychosomatik des Südklinikums Nürnberg. Dort kommt Ludwig seit fünf Jahren einmal die Woche vorbei, um mit den Jugendlichen und den Hunden zu trainieren.
Am Anfang ihrer Therapie hat Leni gar nicht gesprochen. "Auch mit Olli nicht", erzählt sie. Die beiden haben zuerst nonverbal kommuniziert. "Mit der Körpersprache. Und dann ging es auch langsam mit der Stimme." Die Hunde hatten aber noch einen ganz anderen Vorteil: Auf die Hunde-Stunde mit Ludwig hat sich Leni immer sehr gefreut. Teilnehmen durfte sie aber nur, wenn sie auch die restliche Therapie mitgemacht hat. "Das hat mich motiviert, weiterzumachen, weil ich dann die Hunde sehen durfte", sagt sie.
Hunde-Therapie nicht selbstverständlich
Stationsleiterin Hiomara Gröf hat sich stark für die tiergestützte Therapie eingesetzt. Obwohl das Team um Spendengelder für Ludwigs Besuche ringen muss, denn die Krankenkasse zahlt keine tiergestützte Therapie. Die Hunde würden Leichtigkeit mit in den Raum bringen, auch bei schweren Themen, sagt Gröf. Und davon gibt es hier einige. Die rund zehn Jugendlichen sind aus ganz verschiedenen Gründen hier: "Depression, Essstörungen, Sozialphobie... die Liste ist lang."
Dass Hunde Menschen guttun, belegen einige Studien. Die Effekte sind unterschiedlich: Zum Beispiel schüttet der Körper das Wohlfühl- und Bindungshormon Oxytocin aus, wenn wir Hunde streicheln. Das beruhigt und nimmt das Gefühl von Stress. Nach einer Untersuchung der Harvard Medical School haben Hundebesitzer einen niedrigeren Blutdruck und Herzschlag.
Immer mehr Therapiehunde im Einsatz
Die Wirkung von Hunden auf Menschen scheinen sich immer mehr Therapeutinnen und Therapeuten zunutze zu machen. Zentrale Statistiken dazu, ob Therapiehunde immer beliebter werden, gibt es zwar nicht, aber es gibt Hinweise darauf. Zum Beispiel hatte der Verein "Hunde im Therapieeinsatz Nürnberg" kurz nach seiner Gründung im Jahr 2010 16 Mitglieder. Inzwischen heißt er "Therapiehunde Deutschland" und ist mit über 1.000 Mitgliedern und rund 7.000 Einsätzen im Jahr bundesweit tätig. Und auch Hundetrainer Ludwig sagt: "Die Zahl der Assistenzhunde explodiert aktuell. Und auch die Therapiehunde werden immer mehr."
Mira hat eigenen Dienstplan
Auch im Südklinikum gab es Zuwachs. Seit etwa drei Jahren ist Goldendoodle-Dame Mira Teil des Teams. Miras Besitzerin, Sozialpädagogin Birgit Girg, ist fest angestellt. Therapiehündin Mira damit irgendwie auch. Sie hat einen eigenen Dienstplan, eine eigene Mitarbeiterkarte und seit ein paar Tagen einen eigenen Eintrag auf der Website (externer Link). Miras Job ist in erster Linie: Da sein. Sich von den Jugendlichen kraulen lassen. Die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn Schwermut im Raum liegt. Während Girg am Schreibtisch arbeitet, tapst Mira durch den langen Gang, schiebt ihre flauschige Schnauze durch die Türen der Patientinnen und entlockt ihnen ein Lächeln.
Leni und ihre haarige Therapeutin
Leni ist inzwischen nicht mehr in der Psychiatrie. Mit Hunden trainiert sie aber immer noch. Gemeinsam mit Ludwig hat sie sich ihren eigenen Assistenzhund ausgebildet. Damit hat sie nun dauerhaft einen vierbeinigen Therapeuten an ihrer Seite.
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