Im Prozess um nicht ärztlich verordnete Schmerzmittelgaben in zwei Pflegeeinrichtungen in der Oberpfalz hat das Landgericht Regensburg lange Haftstrafen gegen vier Pflegekräfte verhängt – unter anderem wegen versuchten Mordes. Als der Richter das Urteil verkündete, war den vier Angeklagten der Schock anzusehen.
Alle Angeklagten müssen ins Gefängnis
Der Hauptangeklagte ist der Leiter der beiden Pflegeeinrichtungen in Eschlkam und Furth im Wald. Er wurde zu zehn Jahren Haft und einem lebenslangen Berufsverbot im Pflegebereich verurteilt.
Zwei Mitangeklagte, die als Einrichtungsleiterinnen tätig waren, erhielten je sechs Jahre Freiheitsstrafe. Ein weiterer, jüngerer Mitarbeiter muss für vier Jahre ins Gefängnis. Er war wegen versuchten Mordes durch Unterlassen angeklagt.
Todesursache nicht eindeutig nachzuweisen
Seit Anfang Mai wurden am Landgericht Regensburg die drei Todesfälle in zwei Seniorenwohnheimen im Kreis Cham verhandelt. Der Pflegeunternehmer und die beiden Einrichtungsleiterinnen sollen Patienten starke Schmerzmittel, Fentanyl und Morphin, ohne ärztliche Verordnung verabreicht haben – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Der vierte Angeklagte sei über die Gabe der Medikamente informiert gewesen und sei nicht eingeschritten – deswegen der Vorwurf des versuchten Mordes durch Unterlassen.
Laut Gericht war am Ende nicht eindeutig nachzuweisen, ob die Patienten an den Medikamenten oder an ihren Vorerkrankungen starben – deshalb blieb es beim Vorwurf des versuchten Mordes. Auch Exhumierungen der Leichen konnten diese Frage nicht mehr klären.
Angeklagter erleidet Schwächeanfall im Gerichtssaal
Während der Urteilsverkündung stand allen vier Angeklagten der Schock über die langen Haftstrafen ins Gesicht geschrieben. In der Folge kam es zu einem Zwischenfall: Der Hauptangeklagte verlor im Saal das Bewusstsein und musste von Sanitätern versorgt werden. Die Verhandlung wurde vorübergehend unterbrochen.
Nach der Behandlung verließ der Pflegeunternehmer den Gerichtssaal – bei der anschließenden Urteilsbegründung war er nicht mehr anwesend. Seine Verteidiger blieben im Saal.
Richter: Angeklagte handelten gezielt
Für die Kammer steht fest: Die Angeklagten handelten mit dem Ziel, das Leben der schwerkranken Patienten gezielt zu verkürzen. Ein zentraler Beleg dafür waren interne Chatnachrichten – unter anderem schrieb der Hauptangeklagte nach dem Tod eines Bewohners per WhatsApp: "Wir haben ein bisschen nachgeholfen."
Auch die ungewöhnlich hohe Dosierung der Schmerzmittel Fentanyl und Morphin stütze laut Gericht die Annahme einer gewollten Lebensverkürzung. Nach Überzeugung der Kammer war der Pflegeunternehmer getrieben von der Vorstellung, ein früher Tod sei für die Patienten besser. Die Mitangeklagten hätten sich mit ihrem Chef solidarisiert und seine Haltung übernommen.
Die Richter erkannten das Mordmerkmal der Heimtücke, sahen aber keine niedrigen Beweggründe – diese hatte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer Anfang Juni angeführt.
Verteidigung hatte Bewährungsstrafen gefordert
Die Staatsanwaltschaft hatte hohe Freiheitsstrafen und Berufsverbote gefordert – für den Hauptangeklagten sogar 14 Jahre Haft. Die Verteidiger hatten hingegen auf mildere Strafen plädiert: Im Fall des Unternehmers und der beiden Einrichtungsleiterinnen hatten sie höchstens Bewährungsstrafen gefordert. Für den vierten angeklagten Mitarbeiter wurde Freispruch gefordert. Er war wegen versuchten Mordes durch Unterlassen angeklagt.
Die Angeklagten selbst betonten im Prozess, ihr Ziel sei es gewesen, die Schmerzen der schwerkranken Patienten zu lindern – eine Lebensverkürzung habe nicht in ihrer Absicht gelegen.
Die vier Verurteilten haben nun eine Woche Zeit, über ihre Anwälte Revision einzulegen.
Im Video: Versuchter Mord – Hohe Strafen für Pflegekräfte
Weil sie Senioren tödliche Medikamentenmengen verabreicht haben, wurden vier Pflegekräfte wegen versuchten Mordes zu Haftstrafen verurteilt.
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