Der Zahnarzt (links) mit seiner Verteidigerin vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.
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Zahnarzt aus München gesteht Millionenbetrug vor Gericht

Zahnarzt aus München gesteht Millionenbetrug vor Gericht

Über Jahre soll ein Münchner Zahnarzt nicht erbrachte Leistungen abgerechnet haben. Der Schaden für die Krankenkassen laut Anklage: mehr als drei Millionen Euro. Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth räumte der Mediziner die Vorwürfe ein.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Der angeklagte Zahnarzt aus München soll die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) zwischen 2014 und 2020 um rund 3,21 Millionen Euro betrogen haben – das wirft ihm die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vor. Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gab der 60-jährige Jörg G. alle Vorwürfe zu.

Betrug war Chefsache

Er schilderte im Prozess, wie die Betrügereien möglich waren. Seinen eigenen Angaben zufolge übernahm er persönlich das Einlesen der Versichertenkarte von Notfallpatienten. An einem passwortgeschützten Rechner manipulierte er dabei Behandlungsdaten in der Zukunft und in der Vergangenheit. Obwohl diese Arztbesuche nie stattfanden, wurden sie bei den Quartalsabrechnungen geltend gemacht und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns vorgelegt. Praxismitarbeiter hätten nach Angaben des heute 60-Jährigen keinen Zugang zu dem geschützten Bereich auf dem Computer gehabt.

Angeklagter Arzt: "Es blieben nur noch Stammpatienten"

Der Vorsitzende Richter der 18. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, wollte die Beweggründe für den Betrug in Höhe von 3,21 Millionen Euro persönlich von dem Angeklagten Mediziner erläutert haben. "Ich kann das alles auch in Ihrer Akte nachlesen, aber ich möchte es auch verstehen", so der Vorsitzende. Irgendwann im Jahr 2010 habe in der Nähe seiner Praxis ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) am Leuchtenbergring eröffnet. "Da begann die Misere schleichend", schilderte der Arzt seine Beweggründe. Wegen der Nähe des MVZ zur S-Bahn-Station seien immer weniger Patienten zu ihm ins nahe gelegene Wohngebiet gelaufen, so der Arzt und ergänzte: "Es blieben nur noch alte Stammpatienten".

Richter verwundert über Erklärung

Von dem Honorar für deren Behandlung habe er weder seine Praxiskosten decken, noch seine Familie ernähren können. Warum er nicht Insolvenz angemeldet habe, wollte der sichtlich verwunderte Richter wissen. Mit dem Gedanken habe er gespielt, aber seine Schwäche, die Realitäten zu verkennen, sei größer gewesen, erklärte der Zahnarzt. Weil er häufig den Notdienst übernommen habe, sei ihm die Idee, bei deren Behandlung auch gleich weitere Behandlungsdaten einzugeben, gekommen. Das habe auch gut funktioniert, seit er das Abrechnungsprozedere mit der Kassenzahnärztliche Vereinigung 2014 online abgewickelt habe. In 25 Fällen habe er demnach Geld für Leistungen kassiert, die er größtenteils nicht erbracht hatte. Dadurch sei ein Schaden von fast 3,2 Millionen Euro entstanden.

Trotz Prüfung weiter gemacht

Als Vater von drei Kindern habe ihn die finanzielle Not getrieben. Eine Vielzahl der abrechenbaren Behandlungen der Patienten habe der Münchner Mediziner "sich aus den Fingern gezogen", so der Angeklagte. "Angst habe ich erst bei einer Prüfung durch die KZVB bekommen, Angst aufzufliegen", so der 60-Jährige. Der Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) waren die immer gleichen Behandlungen und Therapien der kleinen Münchner Praxis suspekt erschienen, dann seien sie in seiner Praxis vorstellig geworden und hätten die Angaben auf Richtigkeit geprüft, erinnert sich der Arzt. "Doch dann ist nichts passiert, dann dachte ich, das wird schon gut gehen und habe weiter gemacht", gestand der Arzt die Vorwürfe vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.

Krankenkasse zeigte Arzt bei der Polizei an

Bis zum Jahr 2020 soll der Münchner Zahnarzt Quartalsabrechnungen mit Honorarforderungen für fingierte Behandlungen eingereicht haben. Eine Mitarbeiterin einer gesetzlichen Krankenkasse sei 2019 misstrauisch geworden, weil der Angeklagte dort wiederholt sogenannte Ersatzbehandlungsscheine angefordert haben soll. Diese werden zum Beispiel ausgestellt, wenn ein Patient seine Versichertenkarte vergessen hat. So wird sichergestellt, dass der Arzt für seine Leistung honoriert wird.

Die Krankenkasse zeigte daraufhin den Mediziner beim Polizeipräsidium München an. Die umfangreichen Ermittlungen förderten einen Betrug im großen Stil zutage. Ein Fall für die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) in Nürnberg. Angesiedelt bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg verfolgt die Behörde bayernweit Fälle wie diesen. Diese werden dann erstinstanzlich auch am Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt.

Hohe Haftstrafe möglich

Jörg G. rechnet mit einer langjährigen Haftstrafe und dem Aberkennen seiner Approbation, erklärte der Arzt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Wie es danach weiterginge, sei ihm noch nicht klar, so der Mediziner. Er sei für die zu erwartende Rückzahlung des Schadens derzeit schon auf Jobsuche, auch wenn die KZVB noch keine Ansprüche schriftlich geltend gemacht habe. Nachdem er seine Praxis Ende vergangenen Jahres aufgegeben habe, sei er auf dem Arbeitsmarkt jedoch noch nicht fündig geworden, sagte der Arzt. Für gewerbsmäßigen Betrug sieht der Strafrahmen Haft von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vor.

Sieben Verhandlungstage geplant

Für den Prozess sind sieben Verhandlungstage bis Mitte Oktober geplant. Bei den nächsten Terminen werden wegen des umfangreichen Geständnisses deutlich weniger Zeugen, etwa Patienten, gehört werden müssen, als zunächst geplant. Beleuchtet werden nach Angaben des Vorsitzenden Richters in den kommenden Wochen auch die Vermögensverhältnisse des Arztes. Dieser erklärte heute, nach der Scheidung von seiner Frau im vergangenen Jahr von einer kleinen Rente zu leben. Der Prozess soll kommende Woche fortgesetzt werden.

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