Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Abgabe des Corona-Impfstoffs Comirnaty von Biontech/Pfizer zu deckeln, bedeutet für die Hausärzte eine riesige Herausforderung. Ihre Planungen wurden dadurch völlig über den Haufen geworfen.
Terminverschiebungen am laufenden Band
Ein Beispiel aus München: Im Medizinischen Versorgungszentrum Laim sind alle Stühle besetzt. Vor dem Empfang hat sich eine Warteschlange gebildet. Das Praxis-Team führt ein Telefonat nach dem anderen. Fast immer geht es um Corona-Impfungen. Termine müssen verschoben, verärgerte Patientinnen und Patienten beschwichtigt werden. Wenn es nur um eine Woche Verschiebung gehe, hätten viele noch Verständnis, erzählt eine Mitarbeiterin. Aber wenn es länger dauere, "sind alle sauer".
Nur die Hälfte des bestellten Impfstoffs geliefert
1.000 Dosen Biontech hatte die Arztpraxis für diese Woche bestellt - gerade einmal die Hälfte hat sie bekommen. Wie viele Dosen es nächste Woche sein werden, ob nun überwiegend Moderna oder doch auch wieder Biontech, kann der Arzt Hans-Joachim Willerding noch nicht sagen. Anders als vor einem Jahr hat er kein Verständnis dafür, dass der Impfstoff wieder knapp ist. Die Schuld sieht er beim Bundesgesundheitsministerium: "Das war doch alles seit vielen Wochen und sogar Monaten planbar", schimpft er.
"Es ist wirklich eine Katastrophe"
Auch Wolfgang Ritter vom Vorstand des Bayerischen Hausärzteverbandes ist von der Bundespolitik "wirklich maßlos enttäuscht". Zuerst habe sie die Praxen in die Pflicht genommen und gesagt, sie sollten für die Booster-Impfungen sorgen. Aber jetzt kümmere sich keiner um die Hausärzte, und somit bleibe "das Desaster in unserer Ebene". Auch würden Patienten, die gerade Vertrauen zum Impfstoff Biontech gefasst hätten, verunsichert, wenn sie nun plötzlich doch Moderna nehmen sollten: "Es ist wirklich eine Katastrophe." Auch wenn das Robert-Koch-Institut klargestellt hat, dass der Moderna-Impfstoff genauso gut ist.
"Zaubern können wir auch nicht"
Die Hausärzte sollten stärker in die Entscheidungsprozesse auf Bundesebene einbezogen werden und schon im Vorfeld mehr Informationen bekommen, fordert Ritter. Stattdessen müssten sie nun diverse Probleme alleine schultern: die steigende Zahl normaler Infektionen, die Corona-Entwicklung, das Boostern. "Zaubern können wir auch nicht", sagt Ritter.
Forderung nach Entschuldigung von Spahn
Der Münchner Hausarzt Hans-Joachim Willerding hat unterdessen auch an diesem Arbeitstag alles gemacht, was nur ging. Er hat geimpft, was das Zeug hält. Was er sich von der Politik wünschen würde? Eine Entschuldigung von Bundesgesundheitsminister Spahn, "dass er das einfach versemmelt hat", sagt der Mediziner. In erster Linie wünscht er sich aber, "dass wir genügend Impfstoff kriegen" und zwar vor allem Biontech.
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