- Zum aktuellen Artikel: Fahrt in Menschenmenge in Berlin: Zahl der Verletzten erhöht sich
Der tödliche Vorfall mit einem Auto nahe der Berliner Gedächtniskirche sorgt für Entsetzen – und wird von Bundeskanzler Olaf Scholz als "Amoktat" bezeichnet, wie zuvor bereits auch von der Berliner Innensenatorin. "Die grausame Amoktat an der Tauentzienstraße macht mich tief betroffen", schrieb der SPD-Politiker am Mittwochabend bei Twitter. Der Fahrer des Autos, das eine Schülergruppe erfasst und die Lehrerin in den Tod gerissen hatte, war nach jüngstem Kenntnisstand wohl psychisch beeinträchtigt.
"Die Reise einer hessischen Schulklasse nach Berlin endet im Alptraum. Wir denken an die Angehörigen der Toten und an die Verletzten, darunter viele Kinder. Ihnen allen wünsche ich eine schnelle Genesung", so Scholz weiter. Neben der getöteten Lehrerin wurden nach Angaben der Polizei von Mittwochabend 14 Menschen verletzt, mehrere von ihnen lebensbedrohlich. Die Trauer und die Anteilnahme aus ganz Deutschland waren enorm.
Schüler aus Hessen auf Klassenfahrt in Berlin
Berlins Innensenatorin Iris Spranger, hat den tödlichen Zwischenfall, bei dem ein Auto in Berlin auf einen Bürgersteig gerast war und zahlreiche Menschen erfasst hat, als "Amoktat" bezeichnet. "Nach neuesten Informationen stellt sich das heutige Geschehen in der Tauentzienstraße als eine Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen dar", erklärte Spranger am Abend im Onlinedienst Twitter.
Der 29-jährige mutmaßliche Täter war gegen 10.30 Uhr nahe der Berliner Gedächtniskirche in eine Menschenmenge gefahren und hatte dabei eine Schulklasse aus Hessen erfasst. Ihre Lehrerin wurde getötet, ein weiterer Lehrer sowie mehrere Jugendliche wurden zum Teil schwer verletzt, wie die Regierungen in Berlin und Wiesbaden mitteilten. Den Behörden in Berlin und Wiesbaden zufolge war die zehnte Klasse einer Schule im hessischen Bad Arolsen auf Klassenfahrt in Berlin.
"Diese schockierende Nachricht aus Berlin macht mich fassungslos und tief betroffen", erklärte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Den Hinterbliebenen der Toten sprach er sein Beileid aus. Hessen habe der Stadt Berlin "jedwede Unterstützung" angeboten.
Kultusminister Ralph Alexander Lorz (CDU) zeigte sich ebenfalls betroffen: "Ein Team aus der Schule ist auf dem Weg nach Berlin, um den Jugendlichen vor Ort sowie ihren Eltern zur Seite zu stehen", sagte er. Die Behörden vor Ort tun alles Denkbare zur Aufklärung dieses Vorfalls", ergänzte Landesinnenminister Peter Beuth (CDU).
Schriftstücke und Plakate im Wagen gefunden
Nach dem tödlichen Vorfall wurden in dem Wagen inzwischen neben Schriftstücken auch Plakate mit Aufschriften gefunden. "Ein richtiges Bekennerschreiben gibt es nicht", teilte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mit. Zuvor hatte es aus Polizeikreisen geheißen, es sei ein Bekennerschreiben in dem Auto gefunden worden.
Spranger sprach davon, dass Äußerungen zur Türkei auf den Plakaten stehen würden. Eine Polizeisprecherin sagte: "Welcher Art die Äußerungen auf Schriftstücken und Plakaten sind, die im Auto gefunden wurden, prüfen wir noch." Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach von einem "Tatverdächtigen", der sich nun im Krankenhaus befinde. Im Moment gebe es keine einschlägigen Erkenntnisse zu einer politischen Motivation. Von einem zufälligen Unfall war in den Stellungnahmen nicht die Rede.
Täter soll der Polizei bekannt und psychisch auffällig gewesen sein
Der Fahrer soll der Polizei bereits bekannt gewesen sein, allerdings nicht in Zusammenhang mit Extremismus. Er war nach dpa-Informationen mit einem Auto unterwegs, das seiner älteren Schwester gehört. Er soll psychisch auffällig sein, hieß es von der Polizei. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang eine Amokfahrt auf der Stadtautobahn A100 im August 2020, als ein anderer Autofahrer gezielt drei Motorradfahrer rammte. Er wurde vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen.
Mehrere Stunden nach dem Vorfall wurde das benachbarte Europa-Center, ein großes Berliner Einkaufszentrum, zum Teil von der Polizei begangen. Grund sei die genauere Untersuchung des Autos des Täters gewesen, das gegenüber des Einkaufszentrums auf der anderen Seite der Tauentzienstraße stand, sagte die Polizei. Es gehe um eine reine Vorsichtsmaßnahme, falls sich in dem Wagen etwas Gefährliches befinden sollte.
Auto kam in Schaufenster zum Halten
Der Fahrer wurde vorläufig festgenommen. Er sei zunächst von Passanten festgehalten worden, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz am Vormittag vor Ort. Der 29-jährige Berliner mit armenischen Wurzeln lebe in Berlin, gab die Polizei bekannt.
Das Auto war nahe der Straßenecke Kurfürstendamm, Rankestraße und Tauentzienstraße in eine Gruppe von Menschen gefahren und dann einige Meter weiter im Schaufenster eines Geschäfts auf der Tauentzienstraße zum Halten gekommen. Beim Fahrzeug handelte es sich laut Polizei um einen Renault Clio. Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr sind mit Großaufgeboten im Einsatz. Laut Feuerwehr waren etwa 60 ihrer Helfer im Einsatz.
Berliner Polizei bittet, keine Bilder zum Vorfall im Netz zu verbreiten
Die Berliner Polizei hat dazu aufgerufen, keine Bilder vom tödlichen Vorfall zu posten: "Wir bitten Zeuginnen und Zeugen, Hinweise und Mediendateien zum Geschehen #Tauentzienstraße an unser Hinweisportal zu übersenden", twitterte die Polizei. Und: "Bitte verbreiten Sie keine Aufnahmen vom Ereignisort im Netz."
Zwei Stunden nach dem tödlichen Vorfall hat sich Polizeipräsidentin der Polizei Berlin Barbara Slowik vor Ort ein Bild gemacht. Slowik sprach mit Polizisten und ließ sich den Ablauf schildern. Dann ging sie die etwa 200 Meter lange Strecke bis zu dem Geschäft, in das der Wagen gerast war.
Berlins Bürgermeisterin Giffey sichert Betroffenen Unterstützung zu
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte den Betroffenen Unterstützung zu. "Wir werden alles dafür tun, den Betroffenen zu helfen." Ebenso werde alles dafür getan, den Hergang aufzuklären. Giffey wollte sich am Nachmittag auch ein Bild von der Lage vor Ort machen. "Jetzt ist es erstmal wichtig, dass die Verletzten versorgt werden", sagte sie. Zudem brauchten die Angehörigen, die unter Schock stünden, Hilfe und Beistand.
Giffey nahm am Abend mit zahlreichen Menschen in der Gedächtniskirche an einer Andacht bei, um der getöteten Frau und der Verletzten zu gedenken. Vor Ort waren ebenso Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und die Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (beide SPD), aber auch Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei. Auch viele Bürgerinnen und Bürger drückten bei der Andacht ihre tiefe Anteilnahme aus.
Auf arglose Menschen sei bei dem Vorfall am Mittwoch "brutale Gewalt" eingebrochen, sagte die Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein bei der Andacht. "Eine solche Situation verschlägt uns die Sprache."
Schauplatz des Anschlages von 2016
An der Gedächtniskirche war im Dezember 2016 der islamistische Attentäter Anis Amri in einen Weihnachtsmarkt gefahren. Damals starben zwölf Menschen, mehr als 70 wurden verletzt.
Der Täter Amri konnte zunächst entkommen, wurde aber am übernächsten Tag von der Generalbundesanwaltschaft als dringend Tatverdächtiger öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben und am 23. Dezember bei einer Routinekontrolle in Norditalien von Polizisten in Notwehr erschossen.
Die terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) verbreitete auf ihrer Website am 20. Dezember 2016 eine Meldung, der Täter habe als "Soldat des Islamischen Staates" gehandelt.
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