Krieg, Gewalt und Zerstörung beschäftigen Menschen weltweit. Doch für die Menschen in den betroffenen Regionen bedeuten die Ereignisse ein Leben in ständiger Angst. Eine von ihnen ist Dafna Gerstner. Sie hat am 7. Oktober 2023 Schreckliches erlebt. Dass sie noch am Leben ist, gleicht einem Wunder.
"Ich war in Israel und zu Besuch bei meiner Familie im Kibbuz Be’eri", erinnert sie sich. "Um halb sieben morgens haben wir Raketen gehört und sind direkt in den Schutzraum gegangen." Nur wenig später verwüstete die Hamas den Kibbuz, in dem Dafna aufgewachsen ist. "Wir haben die Geräusche und Schießereien wahrgenommen", sagt sie. Der Schutzraum sei nicht verschließbar gewesen, die Terroristen hätten also leicht eindringen können. "Wir hatten einfach ein riesiges Chaos dort, man wusste nicht, was los ist."
"Wir haben alles verloren"
Umso größer sei ihr Schock gewesen, als sie wieder draußen war. Bekannte und Freunde waren verschleppt oder getötet worden. Auch ihr Bruder Eitan, der den Kibbuz als Freiwilliger verteidigt hatte, war ermordet worden. Zeit, um das wirklich zu verarbeiten, habe sie bisher nicht gehabt, sagt Dafna. "Dadurch, dass der Krieg nicht vorbei ist, ist das Trauma noch da. Wir haben alles verloren, wir hatten kein Haus mehr, die ganze Gemeinschaft ist auseinandergegangen."
Ablenkung und Austausch helfen Dafna
Nach der Zerstörung des Kibbuz kommen Dafna und andere Bewohner in einem Hotel unter. Sechs Monate bleibt sie dort, bevor sie nach München zurückkehrt, wo sie schon einige Jahre lebt. Um ihre Familie in Israel ist sie in ständiger Sorge. Täglich schaut sie Nachrichten und hat Angst vor einer Eskalation der Situation.
Dennoch fühlt sie sich in München sicher. Beim Versuch, mit ihrer Trauer und Angst umzugehen, helfen ihr Spaziergänge. Raus ins Grüne zu gehen, gibt ihr in dieser rasanten Zeit etwas Ruhe. "Das ist ganz wichtig für mich, damit ich den Tag über überhaupt zurechtkomme", meint sie. "Auch ein bisschen abzuschalten, etwas Schönes zu machen nach so einer schrecklichen Tat. Man darf sich nicht die ganze Zeit nur mit diesem Thema beschäftigen."
Dafna will "erzählen, was passiert ist"
Zurückziehen will Dafna sich nicht. In einem Podcast hat sie über das Massaker gesprochen. Auch das hilft ihr, die traumatischen Ereignisse im Ort ihrer Kindheit besser zu verarbeiten: "Es ist für mich extrem wichtig, zu erzählen, was passiert ist. Ich schulde das meinem Bruder und auch den anderen verstorbenen Menschen in Be’eri." Sie habe zwar nicht immer die Kraft dazu, sehe es aber als ihre Pflicht, darüber zu sprechen – zum Beispiel auch bei der Gedenkfeier in der Münchner Synagoge ein Jahr später.
Richtig trauern könne sie noch nicht, sagt Dafna. Erst, wenn der Krieg vorbei sei, könne man alles verarbeiten. Sie hatte noch Glück, dass sie keine Schießereien oder Leichen gesehen hat. Manchmal wünscht sie sich ihr altes Leben zurück. Aber sie weiß, dass sie es hinter sich lassen muss.
Mehr zum Thema "Angst · Wie überwinden wir sie?" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.