Eine kranke Frau ruht sich aus
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Corona wie auch Grippe und RSV: Die Fallzahlen steigen wieder an.

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Hausärzte warnen vor "Versorgungsnotstand" durch Infektwellen

Hausärzte warnen vor "Versorgungsnotstand" durch Infektwellen

Seit dem vergangenen Winter habe sich die Lage für Arztpraxen nicht verbessert, warnt der Hausärzteverband. Da Fachleute nun wieder viele Corona- und Grippe-Fälle erwarten, schlägt der Verband Alarm – und warnt vor Überlastung der Arztpraxen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

"Der letzte Winter war bereits ein Vorgeschmack – die Versorgung ist am Kippen", sagt Nicola Buhlinger-Göpfarth, die stellvertretende Präsidentin des Verbands der deutschen Hausärztinnen und Hausärzte. Mit Blick auf die nächsten Monate warnt der Verband vor einem "Versorgungsnotstand" durch Überlastung von Arztpraxen. "Mit Herbstbeginn füllen sich unsere Wartezimmer wieder mit Impfwilligen und Infektfällen", erklärt Präsident Markus Beier. Lediglich die Bereitschaft der Ärzte zu immer neuen Sonderschichten fange dies noch auf.

  • Zum Artikel: "Kinderärzte befürchten heftige Grippewelle im Herbst"

5.000 freie Hausarztstellen: Politik müsste "längst panisch" Maßnahmen ergreifen

Schon heutzutage seien "immer mehr Praxen gezwungen, neue Patientinnen und Patienten, die kein Notfall sind, abzuweisen", fügte Beier hinzu. Der Verbandschef kritisierte die Politik in diesem Zusammenhang. Bundesweit seien bald 5.000 Hausarztstellen unbesetzt, zudem sei mehr als ein Drittel aller Hausärztinnen und Hausärzte inzwischen über 60 Jahre alt. Die Politik müsste eigentlich "längst panisch eine Maßnahme nach der anderen anstoßen".

Stattdessen warteten die Praxen noch immer auf die Umsetzung von Reformen, die bereits vor Jahren beschlossen worden seien, kritisierte Beier. Die Politik müsse endlich aktiv werden und handeln. "Der Notfall ist längst da."

"Extrem frustriert": Verbandschef spricht von Unwucht in Gesundheitspolitik

In den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sprach der Verbandschef von einer Unwucht in der Gesundheitspolitik. Die Politik scheine nur noch an die Krankenhäuser zu denken und die Hausärzte zu vergessen. "Viele Kollegen sind inzwischen extrem frustriert", sagte er. Hausärzte verbrächten zu viel Zeit mit Bürokratie und müssten Apotheken abtelefonieren, weil Medikamente fehlten. So könnten sie nicht einmal die Corona-Impfungen vernünftig planen.

Wenn in den kommenden Monaten viele Menschen durch Infektwellen gleichzeitig krank würden, müssten Hausärztinnen und -ärzte Abstriche bei der Versorgung machen, warnte Beier in den Funke-Zeitungen weiter. "Patienten werden telefonisch oft nicht durchkommen, sie werden länger auf Termine warten, es wird Warteschlangen vor den Praxen geben."

Spürbare Welle befürchtet: Hausärzte rufen zu Grippeschutzimpfung auf

Das liege auch daran, dass sich die Lage für die Praxen seit dem vergangenen Winter nicht verbessert habe. Weiter sagte Beier: "Wir haben im vergangenen Winter gesehen, was passiert, wenn wir durch zeitgleiche Infektwellen sehr viele Menschen auf einmal betreuen müssen – die Hausarztpraxen sind dann schnell am Limit."

Mit Blick auf Herbst und Winter rufen die Hausärzte indes Risikogruppen wie Menschen ab 60 zur Grippeschutzimpfung auf. Die in Australien bereits beendete Saison deute darauf hin, dass auch hier mit einer zumindest deutlich spürbaren Welle zu rechnen sei, sagte Beier. "Wir waren dank der hausärztlichen Praxen in den letzten Jahren mit der Impfquote schon besser als in den Jahren zuvor. Aber da geht noch mehr."

Impfmüdigkeit deutet sich an: Zahlen könnten höher ausfallen

In Australien habe es in Teilen eine Impfmüdigkeit gegeben, sagte Beier. Auch bei uns gebe es dafür Anzeichen. Die Befürchtung seien sehr hohe Fallzahlen, falls die Impfbereitschaft niedrig ausfalle. Es gehe nicht um Alarmismus: "Es ist einfach so, dass die steigende Anzahl der Fälle einfach das ambulante System an sein Limit bringen wird und dann irgendwann auch das stationäre System."

Die Impfung sei die wichtigste Maßnahme gegen die Erkrankung, auch wenn sie keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion biete, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI). Sollte sich ein Geimpfter anstecken, erlebe er in der Regel aber einen milderen Verlauf. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung unter anderem auch Schwangeren sowie Kindern (ab sechs Monaten) und Erwachsenen mit bestimmten Vorerkrankungen.

Corona-Impfung: Probleme mit Dokumentation, viel Beratungsbedarf

Erwartungsgemäß steige derzeit schon die Zahl der Corona-Fälle an. Der neue Impfstoff sei in den Praxen verfügbar. "Und da geht aber dann der Ärger schon los", sagte Beier. Probleme seien unter anderem die Dokumentation und das Fehlen von Einzel-Impfstoffdosen. Eine Nachfrage nach der Impfung bestehe durchaus, sie sei aber noch "steigerungsfähig". Verbandsvertreter schilderten zudem einen hohen Beratungsbedarf, es sei kein Selbstläufer. Hinzu kämen Schwierigkeiten durch Lieferengpässe bei einigen Medikamenten, etwa bei Antibiotika. Schon im vergangenen Winter hätten die Praxen "bis zur Erschöpfung" gearbeitet, hieß es.

Am Donnerstag beginnt in Berlin der 44. Hausärztinnen- und Hausärztetag, auf dem der Verband unter anderem turnusmäßig seinen Bundesvorstand wählt. Bei der bis Freitag dauernden Veranstaltung wollen die Delegierten außerdem Forderungen an die Politik zur Stärkung und Entlastung der Hausarztpraxen beschließen und über die aktuelle Situation im Gesundheitssystem beraten.

Video: Protesttag der Krankenhäuser

Am Mittwoch gingen viele Klinkbeschäftigte auf die Straße.
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Am Mittwoch gingen viele Klinkbeschäftigte auf die Straße.

Mit Informationen von dpa und AFP

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