Selbstverteidigung mit blauer Farbe: Darauf setzen offenbar immer mehr Menschen in den Niederlanden. "Schlumpf-Sprays" sind niederländischen Medienberichten zufolge in Online-Shops und Geschäften ausverkauft.
- Zum Faktenfuchs: Getötet vom (Ex)-Partner: Femizide in Bayern und Deutschland
Das Spray soll ähnlich wie Pfefferspray bei einem Angriff zum Einsatz kommen. Es enthält Lebensmittelfarbe und soll dem Angreifer die Sicht vernebeln, was dem Opfer helfen soll zu fliehen. Zudem soll die Farbe mehrere Tage am Angreifer haften bleiben. So soll er als Täter erkennbar und von der Polizei leichter identifizierbar sein.
Alternative zu Pfefferspray
Anlass für die steigende Popularität des Sprays ist laut niederländischen Medien die Tötung einer 17-jährigen Jugendlichen in Amsterdam Mitte August, mutmaßlich durch einen 22-jährigen Mann. Seitdem herrsche große Verunsicherung – und die Nachfrage nach Produkten zur Selbstverteidigung sei gestiegen.
In Online-Shops wird das Spray für 9,90 bis 14,95 Euro für 40 Milliliter angeboten. Auch andere Farben sind erhältlich. Es ist die Rede von einer "legalen Alternative zu Pfefferspray". In den Niederlanden ist es verboten, Pfefferspray zu besitzen, mitzuführen oder anzuwenden. In Deutschland hingegen ist es unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Besprühen mit Farbe: Körperverletzung vs. Notwehr
In einem der Shops heißt es zudem, das Farbspray sei ungiftig, frei von Schadstoffen und für die Verwendung in Europa zugelassen. Kann man es also auch hierzulande nutzen?
Eine Person mit Farbe zu besprühen, könnte als Körperverletzung gewertet werden, sagt Hans Kudlich, Lehrstuhlinhaber am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf BR24-Anfrage. Dies gelte etwa, wenn das Spray die Augen reizt. "Zum anderen aber gegebenenfalls auch, wenn man die Verfärbung zeitnah nur auf eine Weise entfernen kann, die ihrerseits schmerzhaft ist – also etwa ganz, ganz heftiges Bürsten oder hautreizende Lösungsmittel", sagt Kulich. Zugleich könne der Einsatz in einer Gefahrensituation als Notwehr gerechtfertigt und damit erlaubt sein.
Was, wenn es Unschuldige trifft?
Die Farbmarkierung könne man aber aus noch einem Grund kritisch sehen, so der Strafrechtler: "Hier wird ein Spray, das etwa die Augen reizt, typischerweise auch ohne die Markierungsfunktion genügen. Die dient ja eher der erleichterten Strafverfolgung, und das ist nicht die Aufgabe der Privatperson."
Matthias Jahn, Strafrechtler an der Goethe-Universität Frankfurt erwähnt gegenüber dem ZDF (externer Inhalt) zudem die Gefahr von Missbrauch des Sprays: Auch Unschuldige könnten grundlos mit Farbe markiert werden – und so ins Visier geraten oder Ziel von Racheaktionen werden. In diesem Fall wäre der Einsatz des Sprays strafbar.
Keine Vorfälle in Bayern bekannt
Dem Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) sind auf Anfrage bislang noch keine Vorfälle in Bayern mit "Schlumpf-Sprays" bekannt. Allerdings erfasst die Behörde derartige Sprays nicht mit einer speziellen Kategorisierung. Es könne daher trotzdem sein, dass sie in Bayern schon zum Einsatz kamen.
Ob die Anwendung erlaubt ist, hänge von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Reichweite und der gesundheitlichen Unbedenklichkeit des Sprays. Der Einsatz des Sprays gegen einen Angreifer sei aber unabhängig davon zu betrachten. Hier werde im Einzelfall geprüft, ob hier "Notwehrtatbestände" zum Tragen kommen.
Polizei rät von waffenähnlichen Gegenständen ab
Auch das Polizeipräsidium München spricht in Bezug auf "Schlumpf-Sprays" von einem weitestgehend unbekannten Phänomen. Eine rechtliche Bewertung sei nicht möglich, "da belastbare Erkenntnisse zu den Inhaltsstoffen und zur tatsächlichen Wirkung fehlen", heißt es auf Anfrage.
Das Präsidium rät aber generell davon ab, sich selbst mit "Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen" auszustatten, da diese im Ernstfall auch gegen die betroffene Person selbst gerichtet werden könnten. Besser sei es, potenzielle Täter beispielsweise mit Lärm abzuschrecken und andere Personen auf die Notsituation aufmerksam zu machen.
Dieser Artikel ist erstmals am 3. September 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!