"Munch" der Film
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"Munch" – Experimentalfilm über die Einsamkeit eines Künstlers

"Munch" – Experimentalfilm über die Einsamkeit eines Künstlers

Vier unterschiedliche Hauptdarsteller, vier unterschiedliche Bildsprachen und ein Drehbuch: Der neue Kinofilm "Munch" des norwegische Regisseurs Henrik Martin Dahlsbakken schert sich nicht um die Konventionen des klassischen Biopics.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Dieser formal besonders gewagte Spielfilm über den Künstler Edvard Munch ist ein künstlerisch spannender Versuch. Auch ein Kunstkritiker fühlt sich nach den eindreiviertel Stunden Kino dem Menschen Munch näher gekommen, wenn auch nicht unbedingt dem Künstler. Der norwegische Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken hat seinen Stoff auf vier zentrale Lebensstationen verteilt, die sich im Film ständig abwechseln. Das kann nur dadurch funktionieren, weil die vier Abschnitte auch formal völlig unterschiedlich ausfallen. Natürlich wechseln dabei auch die Munch-Darsteller.

Erster Teil: Der junge Künstler auf Sommerfrische im Jahr 1865. Er verliebt sich unglücklich in die Frau eines Schriftstellers. Das ist der Abschnitt, der am ehesten dem Klischee eines Künstlerfilms entspricht: Bunte Farben, historische Kostüme. Der zweite Teil: Berlin 1892. Aus dem 29-jährigen Edvard wird bei einer Ausstellung der "Fall Munch". Ganz Berlin streitet über seine Bilder. Schließlich wird die Ausstellung geschlossen. In der Berlin-Sequenz wagt Regisseur Dahlsbakken am meisten: Sie spielt im heutigen Berlin, einschließlich Besuch in einem Techno-Schuppen.

Der moderne Munch

Mal abgesehen davon, dass Edvard Munchs Gemälde in der heutigen Kunstszene Berlins wohl kaum noch einen Skandal auslösen würden wie 1892: Der Vergegenwärtigungstrick geht trotzdem auf. Munch verkehrt mit kahl geschorenem Kopf in der abgeranzten Künstlerboheme von heute. Und man folgt diesem wilden, unverstandenen Kreativen bis in die zwangsläufige Schlägerei. Der dritte Teil – der Alkohol süchtige Edvard Munch zum Jahreswechsel 1908/1909 im Sanatorium in Kopenhagen – ist schwarz-weiß gedreht und fast ein Kammerspiel. Der Künstler, jetzt ein mittelalter Mann mit wieder vollem Haar, befindet sich im ständigen Gespräch mit seinem klugen Therapeuten. Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken lässt uns hier dem kranken Künstler sehr nahekommen. Wenn er nicht acht Monate ins Sanatorium gegangen wäre, wäre er mit 45 gestorben. Er stoppte seinen Alkoholkonsum. Und verbrachte die letzten 35 Jahre seines Lebens mit dem Malen. Das ist ein großes Opfer. Und auch ein großes Geschenk, das er uns damit gemacht hat.

Der einsame Künstler

Munchs Therapeut vergleicht ihn einmal mit Michelangelo - Einem anderen großen Einsamen der Kunstgeschichte. Dieser Spielfilm macht diesen gewagten Vergleich nachvollziehbar. Der vierte Teil spielt im Kriegswinter 1943 in Munchs Haus bei Oslo. Norwegen ist von Nazi-Deutschland besetzt. Munch, schon gezeichnet von seiner tödlichen Lungenkrankheit, muss deutschen Soldaten die Gartentür öffnen. Dies ist sehr bedrohlich für den alten Maler. Obwohl die deutschen Soldaten ihm mitteilen, dass ihr Offizier ein großer Verehrer seiner Kunst sei und sie schließlich unverrichteter Dinge wieder abziehen, handelt der gebrechliche Künstler sofort, der im vierten Teil übrigens von einer Frau wie ein weißhaariger Troll gespielt wird. Er ändert sein Testament noch in der Weihnachtsnacht: Nicht Nazi-Norwegen soll ihn beerben, sondern die Stadt Oslo. Die Grundlage für das heutige Munch-Museum. In Henrik Martin Dahlsbakkens Spielfilm "Munch" vermengen sich vier zentrale Momente im Leben des Malers zu einem abwechslungsreichen Zeiten- und Stilmix. Man springt zwischen Jugend und Alter hin und her. Und weil sich die Episoden so stark voneinander unterscheiden, verliert der Zuschauer dabei nie die Orientierung. Indes eine Warnung für Kunstfreunde: Um Gemälde und das Malen geht es in "Munch" nicht. Es handelt sich um einen Experimentalfilm über die Einsamkeit eines Künstlers.