Lady Gaga macht Musik, aber sie spielt auch mit ihrem Status als Popstar: 2010 trat sie mit einem Fleischkleid bei den "MTV Video Music Awards" auf und schrieb sich damit ins Pop-Gedächtnis ein. Lange her.
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Von der Popkritik wurde Lady Gaga als "soziale Skulptur" gefeiert
Damals hat die Pop-Kritik große Worte für Gaga gefunden: Sie sei eine Art "soziale Skulptur", die mit ihrer Inszenierung gezeigt habe: Geschlechtsidentität, Gefangenschaft im eigenen Körper – all das kann mit Hilfe von Pop überwunden werden. Was damals spektakulär war, ist heute zur neuen Normalität geworden. Was hat die Künstlerin uns also heute noch zu sagen? Das fragt man sich, wenn man ihr neues Album "Mayhem" auflegt.
"Dance – or die!" verkündet sie gleich im Song "Abracadabra". Darunter macht sie's nicht. Das Video zum Song zeigt eine Art Casting-Show: Normschöne Körper, mal in Weiß, mal in Schwarz gekleidet, kreisen um die Musikerin. Dazu gibt es rollende Elektro-Beats. Es geht um Himmel und Hölle, Unterwerfung und Lust. Und am Ende schreit sich Lady Gaga die Kehle aus dem Hals.
Auf "Mayhem" bleibt der Popstar schwer einzuordnen
"Mayhem" bedeutet Chaos, totales Durcheinander. Das passt zur Weltlage. So klingt Pop im Superlativ. Doch wer tiefere Botschaften sucht, wird hier enttäuscht.
Seit über 20 Jahren baut Lady Gaga ihre ganz eigene Welt, die Musikvideos sind opulent, ihre Performance ist ein Spiel mit Ekel, Schock und Übertreibung. Es gibt Leute, die sagen: Die Musik dazu war noch nie ihre große Stärke. Schwer einzuordnen ist sie geblieben, das muss man ihr lassen.
Der Song "Killah" klingt, als hätten ihn David Bowie und Prince geschrieben. "Shadow Of A Man" erinnert dagegen an Michael Jackson. Das ist gut gemacht. Wirklich gut ist es leider nicht. Die besten Gaga-Songs waren und sind meist Duette. Auch auf "Mayhem". Hier ist es der Song "Die With A Smile" mit Soul-Sänger Bruno Mars.
Am Ende nur ein mittelmäßiges Album
Ein Song wie eine warme Umarmung. Eine Ausnahme zwischen den ansonsten eher kühlen 13 anderen Songs. Die gehen untereinander keine tiefere Verbindung ein: Mal hört man schwere Industrial-Gitarren, dann wieder luftige Disco-Beats. Man sucht ständig nach einem musikalischen Anknüpfungspunkt – und findet ihn nicht. Man fragt sich schon: Wer ist diese Musikerin? Wofür steht sie? Ist sie mehr als das "Perfect Celebrity", das sie in einem Song besingt?
Auch auf Lady Gagas siebtem Album lassen sich diese ganzen Fragen nicht abschließend beantworten. Das macht diese Pop-Figur immer noch interessant. Doch dass Gaga ihren Pop-Star-Status in einigen Songs wieder zum großen Thema macht, wirkt nicht mehr so neu wie am Anfang ihrer Karriere. Auch deshalb ist "Mayhem" am Ende nur ein mittelmäßiges Album.
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