Der russische Polit-Blogger Anatoli Nesmijan (112.000 Fans) beließ es nach dem Telefonat von Wladimir Putin mit US-Präsident Donald Trump bei einem Zitat von Jon Schnee [externer Link], des Kriegshelden, der in der TV-Fantasy-Saga "Game of Thrones" zum "König des Nordens" ausgerufen wurde und allerlei blutige Abenteuer erlebte und auf wundersame Weise sogar von den Toten auferstand: "Alles, was vor dem Wort 'aber' gesagt wird, ist völliger Unsinn."
Damit spielte Nesmijan auf Putins Erklärung vor der Presse an, wonach Russland zwar für eine friedliche Lösung der "Ukraine-Krise" eintrete, aber die "wirksamsten Wege" dahin erst noch gefunden werden müssten.
"Das ist sehr, sehr gut"
"Es wird überhaupt keinen Waffenstillstand geben, im Gegenteil, es wird viel sinnloses Gerede geben. Würde der Kreml ein Wunsch-Drehbuch der nächsten drei Monate schreiben, liefe es auf dasselbe hinaus. Er hat völlig freie Hand und ging keinerlei Verpflichtungen ein", spottete der Politologe Andrei Nikulin in seiner Reaktion [externer Link] auf die sehr allgemein gehaltenen Äußerungen von Putin und Trump.
Der Chefkommentator der auflagenstarken "Moskowski Komsomolez", Michail Rostowski, schrieb euphorisch [externer Link]: "Kiew wird nur dann in ein umfassendes, ernsthaftes Gespräch mit Russland eintreten, wenn es keine andere Wahl hat. Trump schneidet Selenskyj diese 'anderen Optionen' schrittweise ab. Und das ist sehr, sehr gut."
"Russland wird Druck erhöhen"
Ähnlich äußerte sich Kreml-Propagandist Sergei Markow. Russland werde seinen Druck auf die Ukraine weiter erhöhen: "Ergebnis war, dass es sich um sehr erfolgreiche Verhandlungen handelte. Sie könnten dazu führen, dass das ukrainische Regime mit Gewalt gezwungen wird, die Forderungen Russlands zu akzeptieren, und so Frieden einkehren könnte."
Weitere Kommentatoren meinten [externer Link], es sei "schade um die Zeit" gewesen, Trump und Putin hätten lediglich "Roaming-Minuten" verplempert: "Das Einzige, was der Kreml und das Weiße Haus in den kommenden Wochen in Umlauf bringen werden, ist das Wort 'Memorandum', das möglicherweise auch Fragen zu einem Waffenstillstand und den Grundsätzen einer Lösung enthalten könnte."
"Berücksichtige den Einfluss des Glücks"
Ironie auch beim Politologen Konstantin Kalaschew. Er zitierte den römischen Geschichtsschreiber Titus Livius [externer Link]: "Erfreulicher und sicherer ist ein gewisser Friede, als ein noch erhoffter Sieg. Jener steht in deiner, dieser in der Götter Hand. Setze nicht das Glück so vieler Jahre auf den Ausschlag einer einzigen Stunde. Berücksichtige deine Stärke, aber auch den Einfluss des Glücks und das bald den einen, bald die andere Seite begünstigende Schicksal einer Schlacht."
"Kreml beginnt Distanz zu demonstrieren"
Politikwissenschaftler Maxim Scharow nahm Bezug auf Putins Statement [externer Link], wonach das Telefonat mit Trump "ziemlich offen" gewesen sei: "Der Kreml beginnt, seine zunehmende Distanz zu Trump öffentlich zu demonstrieren", so Scharow. Putin habe sich in einem "kalten, distanzierten Stil" geäußert. Wenn unter Diplomaten von "offenen" Worten die Rede sei, sei das negativ zu verstehen.
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"In den nächsten Stunden wird sich also zeigen, ob hinter dieser Distanziertheit und Kälte des Kremls gegenüber Trump der Wunsch steckt, die wahren Ergebnisse des Meinungsaustauschs zu verbergen, oder ob Trump und Putin eine zwischenmenschliche Konfrontation beginnen, ohne sich jemals wieder persönlich zu begegnen", so Scharow.
"Memorandum ist ein wunderbares Wort"
Blogger Juri Barantschik hoffte [externer Link], dass das von Putin angedachte "Memorandum" über die Bedingungen eines Waffenstillstands und eines Friedensschlusses "erst nach der Einnahme von Charkow" realisiert werde: "Wir sind nicht gegen einen Frieden, der irgendwann einmal stattfinden könnte, aber gegen einen Frieden, in dem unsere Forderungen nicht berücksichtigt werden. Trump und Putin haben daran nichts geändert, das heißt, die eigentlichen Ursachen des Konflikts wurden nicht beseitigt."
Propagandist Dmitri Konanischin lobte Putin [externer Link], weil er sofort nach dem Telefonat an die Öffentlichkeit gegangen sei, um "angloamerikanische Manipulationen" zu unterbinden: "Memorandum ist ein wunderbares Wort. Wörtlich bedeutet das 'Merkzettel', um nicht zu vergessen, was besprochen wurde. Aus einem Memorandum ergeben sich keinerlei Verantwortlichkeiten oder Konsequenzen. Wir haben gerade mal unsere Positionen festgezurrt."
"Außer Kontrolle geratene Psychose"
"Was für ein Glück für den Kreml, Trump zu haben! Wir hatten einfach unglaubliches Glück. Fabelhaft", hieß es bei einem weiteren Blogger ironisch, während ein anderer seufzte [externer Link]: "Wie gut haben wir gelebt, als dieser ganze Wirbel hinter den Kulissen blieb und außer einem kleinen Kreis der Beteiligten niemand davon erfuhr. Und jetzt dominiert das Gefühl einer außer Kontrolle geratenen Psychose."
Dmitri Drise, Kolumnist des liberalen Wirtschaftsblatts "Kommersant", geriet ins Märchenhafte: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute."
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