John Grantthematisiert n seinen Songs Erfahrungen wie Schwulsein in der Kleinstadt
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"The Art Of The Lie" : John Grant hat sein neues, sein sechstes Album rausgebracht.

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Starker Titel , starkes Album: "The Art Of The Lie" von J. Grant

Starker Titel , starkes Album: "The Art Of The Lie" von J. Grant

"The Art Of The Lie" – "Die Kunst der Lüge" heißt das neue, das sechste Album von John Grant. Darauf verarbeitet der amerikanische Singer-Songwriter, der in Island lebt, seine traumatische Kindheit in einem ultrareligiösen Umfeld.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

"Die Verwandlung von Kafka – das ist es, was ich am eigenen Leib erlebt habe. Ich bin eines Morgens aufgewacht und war dieses Monster, das man nicht sein darf. Seitdem will ich nicht mehr Teil dieser Gesellschaft sein – weil darin kein Platz für mich ist", sagt der Singer-Songwriter John Grant. Er sieht sich als Außenseiter. Als Opfer einer homophoben Welt, die ihm seit seiner Jugend im ländlichen Colorado das Leben schwer macht.

Tiefe seelische Narben

Für seine Eltern war der schwule Sohn eine Katastrophe, für die lokale Kirchengemeinde untragbar, für seine Mitschüler eine leichte Zielscheibe. Das hat tiefe seelische Narben hinterlassen.

Auf seinem 6. Album "The Art Of The Lie" hält Grant dem modernen Amerika den Spiegel vors Gesicht: geballter Hass, scheinheilige Religiosität, der Schulterschluss von christlichen Fundamentalisten und Nazi-Gruppierungen, aber auch die Handlungsunfähigkeit der Politik und die irren Reden eines Donald Trump. Grants Fazit: America has lost its marbles – Amerika hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.

"Es ist ein Theater des Absurden – was jedoch zu den USA mit all ihren Paradoxien passt. Hier werden das Geld und der Materialismus verehrt", sagt Grant. Das Land basiere auf der Ausrottung der Ureinwohner, die den europäischen Immigranten weichen mussten. Auf den Friedhöfen der Indianer hätten sie dann ihre Einkaufszentren, Spielhallen und Kirchen gebaut.

Kunst ist ein Weg, gesehen zu werden

In "Marbles" kombiniert Grant bitterböse System-Kritik mit therapeutischen Gedanken zu seinen verstorbenen Eltern. Er versucht hier späten Frieden zu schließen – und reflektiert seine persönlichen Probleme: als 55-jähriger Mann mit HIV-Erkrankung, der sich heimatlos, weltfremd und verloren fühlt. Damit zeigt er allen, denen es genau geht: Ihr seid nicht alleine, wir sind viele – und wir können etwas ändern. "Jeder hat seine eigene Geschichte", so Grant. "Aber indem ich meine erzähle, spreche ich auch für andere. Und für jemanden wie mich, der sich seit langem unsichtbar fühlt, ist Kunst ein Weg, um gesehen zu werden und sich Ausdruck zu verschaffen – selbst, wenn das nur die Erfahrungen eines einzigen Menschen auf diesem Planeten wiedergibt."

Kreatives Austoben

Musik als Akt der Befreiung und Verwirklichung. Ein spannender Ansatz, den John Grant genauso umsetzt: Die elf Stücke variieren zwischen Ambient, Synthie- und Dreampop sowie New Wave und Funk. Sie weisen viel Atmosphäre, Ecke und Kanten, aber auch verspielte Vokaleffekte und skurrile Sounds auf. Ein gezieltes kreatives Austoben - mit starkem inhaltlichen Konzept.

John Grant: "The Art of the Lie" ist als Vinyl und CD bei ‎ Pias/Bella Union (Rough Trade) erschienen

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