Familie Jödicke hat sich entschieden, ganz auf das Auto zu verzichten. Bei ihren Freizeitaktivitäten müssen sich die Jödickes gut überlegen, was ohne Auto gerade für die Kinder machbar ist.
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Familie Jödicke hat sich entschieden, ganz auf das Auto zu verzichten.

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Autofrei leben: Der Selbstversuch einer Familie auf dem Land

Autofrei leben: Der Selbstversuch einer Familie auf dem Land

Ganz ohne Auto ist es vor allem auf dem Land oft nicht so einfach. Und doch gibt es Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden, autofrei zu leben. Die BR-Redaktion mehr/wert hat eine Familie begleitet, die auf das Auto verzichtet.

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Mehr Bewegung, weniger Kosten, mehr Umweltschutz - die Vorteile eines Lebens ohne Auto liegen auf der Hand. Und doch trennen sich die wenigsten von ihrem fahrbaren Untersatz. Vor allem auf dem Land ist die Infrastruktur meist auf Autofahrer ausgelegt. Aber es geht auch ohne Auto, wie Familie Jödicke aus Kempten beweist.

Schneefall im April: Nicht gerade ein Traumtag zum Radfahren. Doch wie jeden Wochentag fährt Bianka Jödicke quer durch Kempten. Sechseinhalb Kilometer nimmt die Softwareentwicklerin auf sich, morgens hin zur Arbeit und nachmittags wieder zurück nach Hause. "Es ist okay bei dem Wetter, es macht nicht so viel Spaß", sagt Bianka Jödicke und fügt hinzu: "Mit den Öffentlichen brauche ich mindestens eine halbe Stunde, wenn ich den Anschlussbus erwische, ansonsten eine Stunde. Und mit dem Fahrrad bin ich auf jeden Fall in 20 Minuten da.

Das Auto stand immer mehr in der Garage

Vor eineinhalb Jahren hat sich Familie Jödicke entschieden, ganz auf das Auto zu verzichten. Seit Beginn der Pandemie stand es immer häufiger in der Garage, wurde wenig genutzt, wie Dominik Jödicke erzählt: "Wir haben beide viel Zeit vor dem Computer verbracht. Und dann hat man sich halt irgendwann gefragt, ob man es überhaupt noch braucht." Mehr Bewegung, mehr Zeit an der frischen Luft – nach all diesen Überlegungen sagten sie damals: "Wir probieren das einfach mal aus und wir haben dann auch ein kleines Abenteuer im Alltag noch", berichtet Bianka Jödicke.

Autofrei auf dem Land: Einschränkungen bei Freizeitaktivitäten

Seitdem die Jödickes ihr Auto verkauft haben, radelt Julia mit Mutter Bianka zum Flötenunterricht in den Nachbarort. Bei jedem Wetter. Meistens hat das auch gut geklappt. "Einmal war das Wetter so schlecht, da konnten wir auch nicht fahren, weil die Straßen waren noch nicht geräumt, da war es unmöglich hierher zu fahren", erinnert sich Julia Jödicke.

Bei ihren Freizeitaktivitäten müssen sich die Jödickes gut überlegen, was ohne Auto gerade für die Kinder machbar ist. Mit dem Öffentliche Nahverkehr ist in Kempten und Umland vieles schwer zu erreichen. Auf manches muss die Familie ganz verzichten. "Es gibt Grenzen: Sie wollte zum Beispiel gerne regelmäßig zum Klettern gehen. Das ist sechseinhalb Kilometer entfernt. Das ist einfach zu weit mit ihr. Vor allem auf dem Rückweg, wenn sie fertig ist. Das geht nicht", sagt Bianka Jödicke.

Mehr Bewegung, weniger Kosten

Trotz mancher Einschränkung kommt die Familie im Alltag ohne Auto gut zurecht. Für sie überwiegen positive Aspekte wie mehr Bewegung, viel frische Luft und weniger Kosten. Laut Dominik Jödicke spart die Familie im Jahr ungefähr 3.000 Euro. "Das ist einfach ein halber Tag jede Woche, den ich nur für das Auto arbeite. Und das war das uns einfach nicht mehr wert", erklärt Bianka Jödicke.

Autofrei in der Stadt

Auf das Auto verzichten – vor allem auf dem Land kommt das selten vor, in der Stadt schon eher. Der Münchner Wirtschaftswissenschaftler Vincent Konrad hat vor drei Jahren seine eigene Challenge gestartet. Ein Versuch sich von seinem Auto loszusagen. "Ich war ja 20 Jahre routinierter Autofahrer und irgendwann dachte ich mir: 'Okay ich möchte was ändern in meinem Leben, ich möchte nicht Teil des Autoproblems gerade in der Stadt sein' und dann dachte ich mir als ersten Schritt: 'Lass das Auto doch einfach mal stehen!'"

Doch einfach war der "Verzicht" anfangs nicht. Immer wieder sitzt der heute 41-Jährige im Auto. Zum Einkaufen oder zum Besuch der Oma in Kochel. Es sind vor allem mentalen Hürden, die es zu überwinden gilt: "Also ich denke, tatsächlich die Gewohnheit, ja, so ein Reflex, oder vielleicht auch eine Art mentale Abhängigkeit", sagt Vincent Konrad. "Ich würde jetzt nicht sagen Sucht, aber einfach so ein: 'Seit 20 Jahren habe ich das so gemacht.'" Erst als er sich von seinem Wagen trennt, kommt Vincent Konrads autofreies Leben richtig ins Rollen.

Reaktionen wie "Du kannst dir das doch leisten, du Geizhals"

Überrascht hat ihn die Kritik aus dem Umfeld, wie Vincent Konrad erzählt. "Es kamen dann so Reaktionen wie: 'Ja, dann kannst du uns vielleicht nicht mehr besuchen oder kannst uns vielleicht nicht mehr unterstützen', 'Du kannst dir das doch leisten, du Geizhals', 'Warum gönnst du dir das nicht, warum schneidest du dir dein Leben so ein?'".

Doch Vincent Konrad hat an seiner autofreien Zeit Gefallen gefunden. Ein Weitwander- oder Fahrradurlaub birgt für ihn mehr Abenteuer, als eine Autoreise. Er fühlt sich unabhängiger. Er beschreibt es als "eine große Überraschung, dass das Loslassen von der Maschine Auto so viele positive Aspekte hatte für mein Leben. Es hat sich selbstwirksamer gestaltet, entschleunigter, und ich habe auch so viele andere Leute kennengelernt auf diesem Weg und bin sehr, sehr froh, dass ich den Sprung geschafft habe."

Mit guter Planung ohne Auto ins Skigebiet

Auch Familie Jödicke zieht trotz Einschränkungen ihr autofreies Leben konsequent durch. Gute Planung ist wichtig. Nach längerer Suche haben sie im Januar sogar ein Skigebiet im Allgäu gefunden, das mit dem Öffentlichen Nahverkehr erreichbar ist. "Das heißt mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren, dann mit dem Zug weiterfahren. Dann noch ein Stück mit dem Bus fahren und die letzten Meter laufen. Ja, das ist anstrengend, weil wir natürlich auch die Snowboards und die Skier mit dem Fahrrad mitnehmen müssen", berichtet Bianka Jödicke. "Aber es funktioniert und hat trotzdem Spaß gemacht."

  • Zum Artikel: Bund Naturschutz für autofreie Bergstraßen

Hoffnung auf mehr Carsharing-Angebote

Doch es gab auch Momente, in denen sich Familie Jödicke ihr Auto zurückgewünscht hätte. Vor drei Wochen hatte sich Sohn Alexander am Nacken verletzt. Die Eltern wollten möglichst schnell mit ihm in die Bereitschaftspraxis. Die Schwiegereltern halfen schließlich mit ihrem Auto. Für zukünftige eventuelle Notfälle haben die Jödickes eine Lösung in Aussicht: Das Kemptener Carsharing-Netz soll auch in den Umlandgemeinden ausgebaut werden. Das wäre eine gute Ergänzung.

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