Wenn Eltern sich aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend nicht selbst um ihre Kinder kümmern können und auch Familie und Freunde nicht aushelfen können, dann kann eine Familienpflegerin die Lösung sein. Doch davon gibt es viel zu wenige.
Doris Riedel ist Familienpflegerin im Landkreis Altötting. Heute besucht sie Familie Lang-Grätzl in Reischach. Vor fünf Monaten hatte sie dort Mutter Julia im Haushalt unterstützt. Julia war damals hochschwanger mit ihrem zweiten Kind und hatte sich wenige Wochen vor der Geburt ihres Sohnes einen Fuß gebrochen.
Familienpflegerin: Rettung in der Not
"Das war wirklich furchtbar, hochschwanger, mit einer zweijährigen Tochter zu Hause. Mein Mann, der ist beruflich sehr viel unterwegs, und ich war dann aufgeschmissen", erinnert sich Julia Lang-Grätzl. Doch dann kam Doris. Für zweieinhalb Wochen schmiss sie jeden Vormittag vier Stunden lang nicht nur den Haushalt, sondern kümmerte sich auch um Tochter Felicitas.
Sich um die Kinder kümmern, macht Doris am meisten Freude. Sie selbst ist dreifache Mutter. Sie schätzt die Vielseitigkeit, wie sie sagt. "Es ist unterschiedlich, von den Kindern her. Mal hast du ganz kleine mit paar Tagen alt, dann hast du wieder ältere. Der Beruf ist einfach abwechslungsreich."
Die Nachfrage von in die Krise geratenen Familien steigt stetig. Auch in ländlichen Regionen wird es immer schwieriger. Die traditionelle Großfamilie gibt es kaum noch, dafür immer mehr Alleinerziehende. Trotzdem droht der Beruf der Familienpflegerin auszusterben.
Die Familienpflege vor dem Aus?
Wer Familienpflegerin werden will, muss eine abgeschlossene Ausbildung aus dem hauswirtschaftlichen oder sozialen Bereich vorweisen. Zwei Jahre dauert dann die Ausbildung inklusive Praktikum, in der unter anderem Pädagogik, Psychologie, Familiensoziologie, Gesundheitslehre, Pflege, Ernährungslehre und Hauswirtschaft gelehrt wird. In der Zeit verdienen die Schülerinnen kein Geld. Ein Grund für deren schwindende Zahl. Im vergangenen Jahr musste die letzte Fachschule in Bayern schließen – wegen mangelnder Nachfrage.
Für Franziska Rauschecker ein unhaltbarer Zustand. Die Einsatzleiterin vom Familienpflegewerk des Katholischen Deutschen Frauenbunds koordiniert aktuell elf Mitarbeiterinnen für 40 Familien in den Landkreisen Altötting und Mühldorf. "Mir ist wichtig, dass ich Mitarbeiterinnen bekomme, die speziell geschult sind für diesen Beruf", sagt Rauschecker. "Weil die stehen einfach ganz anders draußen in der Familie. Die wissen ganz genau, auf was es ankommt."
Mangel besonders groß in der Stadt
Manche Familien in Bayern müssen lange auf Hilfe warten oder erhalten gar keine. Etwa in Städten wie München. Da ist der Mangel an Familienpflegerinnen besonders zu spüren. Stefan Galgon, Geschäftsführer des Familienpflegewerks, bekommt das täglich zu hören. Gerade berichtet ihm die Regensburger Einsatzleiterin, dass sie aktuell nur eine Mitarbeiterin hat und verzweifelt weitere sucht. Nur zwei Bewerbungen liegen vor – und das beim größten Anbieter für Familienpflege in Bayern, mit 22 Standorten und 180 Fachkräften.
Das Problem: Die Krankenkassen bezahlen laut Sozialgesetzbuch für Familienpflege lediglich eine 'Haushaltshilfe'. Der Träger ist deshalb auf staatliche und kommunale Zuschüsse angewiesen. "Es braucht das Engagement der Krankenkassen, zu sagen: Das ist eine wichtige Tätigkeit", fordert Stefan Galgon. Und es brauche den politischen Willen, auf allen Ebenen ein neues System von Ausbildung zu entwickeln.
Den zunehmenden Mangel an Familienpflegerinnen sieht Doris Riedel mit Sorge: "Wer springt ein? Wer hilft? Das funktioniert nicht. Das ganze System würde zusammenbrechen, das System Familie. Dann kommen die Kinder in Pflegefamilien derweil, wenn die Mutter krank ist. Wie geht es weiter mit den Kindern?". Doris Riedel jedenfalls kann sich keinen anderen Beruf vorstellen, der sie mehr erfüllen würde.
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