Buchdruckerwerkstatt aus der "Gallerie der vorzüglichsten Künste". Druck um 1820 - es sollten noch 50 Jahre vergehen, bis zum Tarifvertrag.
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Buchdruckerwerkstatt aus der "Gallerie der vorzüglichsten Künste". Druck um 1820 - es sollten noch gut 50 Jahre vergehen, bis zum Tarifvertrag.

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Vom Aufstand zum Branchenlohn: 150 Jahre Flächentarifvertrag

Vom Aufstand zum Branchenlohn: 150 Jahre Flächentarifvertrag

Es waren die Buchdrucker, die den ersten Flächentarifvertrag überhaupt abschlossen. Damit haben sie dauerhaft ein Stück sozialen Frieden nach Deutschland gebracht. Denn bis heute gilt die Idee des Branchen-Lohns.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Alles begann in Leipzig, zum Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit, in der eine ganz neue Idee sich ausbreitet in Mitteleuropa: Die Demokratie, die Gewaltenteilung, und damit auch die Selbstermächtigung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Der deutsche Buchdruckverein in Leipzig ist es, der diese Entwicklung als erstes für sich nutzt. Am 9. Mai 1873 ist der erste Flächentarifvertrag fertig ausgehandelt und tritt in Kraft.

  • Zum Artikel: "Diskussion um Streikrecht: Was ist verhältnismäßig?"

150 Jahre Flächentarifvertrag: Festakt in Berlin

Damit werden nach vielen Jahren intensive Auseinandersetzungen mit Entlassungen, Streiks, Inhaftierungen und Aussperrungen beendet. Denn der Flächentarifvertrag garantiert festgelegte Mindeststandards für die Branche: Lohn, Arbeitszeiten, Mitbestimmung.

Für die Buchdrucker bedeutete das die Einführung des 10-Stunden-Tags und eine sogenannte "Bezahlung per Alphabet". Sprich: 30 Pfennig gab es pro tausend gedruckter Buchstaben.

In Berlin findet anlässlich dieses 150. Jahrestags ein Festakt statt, bei dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Eröffnungsrede hält. Im Anschluss diskutieren der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi und der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands.

Kontrolle übernimmt die Politik

Strukturell hat sich gar nicht so viel verändert in den vergangenen 150 Jahren. Arbeitnehmer und Arbeitgeber verhandeln, die Kontrolle übernimmt die Politik. Beim Bundes-Arbeitsministerium sind alle Tarifverträge in einem eigenen Register festgehalten. Wer wieviel verdient, wie lange gearbeitet werden muss, welche Zuschläge es gibt – all das ist dort nachzulesen. Genau 84.147 Tarifverträge gab es Ende 2022 in Deutschland.

Erfasst werden dort nicht nur die sogenannten Flächentarife, die für ganze Branchen gelten. Sondern auch Regelungen, die eine Gewerkschaft mit einem einzelnen Unternehmen vereinbart, die sogenannten Haustarifverträge.

Bindung ans Grundgesetz bleibt bestehen

Arbeitgeber und Gewerkschaften können per Grundgesetz die Arbeitsbedingungen zwar frei aushandeln, allerdings müssen trotzdem einige Grundlinien beachtet werden. Denn es gibt allgemeingültige Gesetze zur Höchstarbeitszeit oder Urlaubstagen. Als Faustregel gilt: Besseres kann immer vereinbart werden. Schlechteres nur, wenn das Gesetz solche Öffnungen erlaubt.

Tarifverträge gelten eigentlich nur für diejenigen, die sie im Auftrag unterschrieben haben, also für die Mitglieder der Gewerkschaft oder des Arbeitgeberverbands. In der Regel aber wenden die Betriebe sie bei allen Beschäftigten an. Im Arbeitsvertrag wird dann darauf verwiesen.

Die Vorteile solcher Regelungen liegen für beide Seiten auf der Hand: Egal, ob im öffentlichen Dienst, im Einzelhandel oder im Baugewerbe, die Verhandler müssen keine Einzelverträge mehr abschließen. Das gilt als einer der wichtigsten Gründe dafür, dass in Deutschland weniger gestreikt wird und in den Betrieben mehr sozialer Frieden herrscht als beispielsweise im Nachbarland Frankreich. Außerdem unterbindet die allgemeingültige Regelung den Wettbewerb bei Lohnverhandlungen. Dumpinglöhne sind auch dank Mindestlohn nicht mehr möglich.

Nur noch die Hälfte aller Beschäftigten kann sich auf Flächentarifvertrag berufen

Aber obwohl das Konzept "Flächentarifvertrag" seit 150 Jahren Bestand hat, gibt es immer wieder auch Kritik. Von Gewerkschaftsseite heißt es oft, die Verträge seien ausgehöhlt und böten den Beschäftigten nicht mehr die Sicherheit, die möglich wäre. Tatsächlich kann sich heute nur noch die Hälfte aller Beschäftigten auf einen Flächentarifvertrag berufen.

Von Arbeitgeberseite heißt es oft, die Verträge seien zu unflexibel. Sie schlagen statt Flächen- eher Insellösungen vor. Sodass Module vereinbart und dann bei den einzelnen Betrieben angewendet werden können. Worin sich jedoch alle einig zu sein scheinen, ist die Kommunikation. Miteinander verhandeln und Argumente austauschen - auch das soll heute in Berlin ein zentraler Punkt des Festakts sein.

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