ADHS betrifft nicht nur Kinder. Etwa drei Viertel von ihnen sind auch später noch betroffen: Weltweit schätzen Experten den Anteil von Erwachsenen mit der "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung" auf 2,5 Prozent der Bevölkerung. Solche Menschen haben Schwierigkeiten bei längerer Konzentration oder vergessen immer wieder Termine, was Probleme im Alltag mit sich bringen kann. Einige von ihnen sind sehr impulsiv oder können mitunter nur schlecht mit Enttäuschungen umgehen.
Neuer Überblick über den Forschungsstand zu ADHS
Solche Eigenschaften bedeuten nicht, dass man ADHS hat. Aber wenn sie die Lebensqualität oder Beziehungen anhaltend beinträchtigen, kann eine Untersuchung auf ADHS bei einer Psychiaterin oder einem Psychiater Klarheit bringen.
Wie die Betroffenen am besten behandelt werden können, dazu gab es keine aktuellen Empfehlungen. Die entsprechende Leitlinie für Deutschland (externer Link) ist schon älter, sie stammt aus dem Jahr 2017. Dabei ist ADHS ein "Bereich, in dem kontinuierlich sehr viele neue Therapieformen auf den Markt kommen und propagiert werden", wie Marcel Romanos, Psychiater an der Universität Würzburg, gegenüber dem Science Media Center (externer Link) berichtet.
Diese Lücke hat ein internationales Ärzteteam um Edoardo Ostinelli von der Universität Oxford jetzt in der Fachzeitschrift Lancet Psychiatry (externer Link) durch eine sogenannte Metastudie geschlossen. Die Fachleute haben systematisch die 113 vorhandenen Therapiestudien gesichtet und die Ergebnisse zusammengefasst. Insgesamt liegen somit Daten von fast 15.000 Patientinnen und Patienten vor.
Schnelle Hilfe bei ADHS nur mit Medikamenten
Das wichtigste Ergebnis: Eine schnelle Besserung der Symptome ist nur durch die Behandlung mit Medikamenten möglich. Eine von zwei möglichen Optionen sind sogenannte Stimulanzien, von denen in Deutschland zur ADHS-Behandlung die Wirkstoffe Methylphenidat und Amphetamin bzw. Dexamphetamin zugelassen sind, letzterer auch in einer langsamer wirkenden Form als Lisdexamfetamin. Methylphenidat wird dabei am häufigsten eingesetzt.
Die zweite Gruppe sind nicht stimulierende Wirkstoffe: Atomoxetin und Guanfacin. Wegen der häufigeren Nebenwirkungen wie Herzrasen oder Blutdruckanstieg werden diese aber nicht so gut akzeptiert, wie die Studie ebenfalls zeigte. In ihr wurde außerdem die Wirksamkeit von Bupropion und Modafinil untersucht, die hierzulande nicht ausdrücklich für ADHS zugelassen sind, aber gelegentlich "off label", also außerhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs, verschrieben werden.
Nur moderate Wirkung und häufige Nebenwirkungen der Medikamente
Bei allen Medikamenten wurden sowohl die Betroffenen selbst als auch die behandelnden Ärzte nach der Wirksamkeit befragt. Insgesamt wird sie als "moderat" beurteilt: "Die Medikamente erzielen nur bei ungefähr 70 Prozent der Menschen überhaupt einen Effekt", wie Marcel Schulze vom Universitätsklinikum Bonn, einer der Studienautoren, berichtet. Je nach Präparat beobachten Psychiaterinnen und Psychiater auch weitere Nebenwirkungen wie Einschlafstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen oder Nervosität. "Daher ist es wirklich wichtig, dass man in Absprache mit dem ärztlichen Personal das richtige Präparat findet und die richtige Dosierung einstellt." Nicht genügend Untersuchungen gibt es bisher dazu, wie gut die Medikamente langfristig wirken – eine Lücke in der Forschung, wie die Autoren schreiben.
Ergänzend ist Psychotherapie bei ADHS wichtig
Auch psychotherapeutische Methoden, allen voran die kognitive Verhaltenstherapie, haben ihren Platz. Sie lindern zwar nicht die sogenannten Kernsymptome wie Konzentrationsprobleme oder Impulsivität. Doch dem Psychiater Marcel Romanos von der Universität Würzburg, der an der Metastudie nicht beteiligt war, ist wichtig: "ADHS ist selten allein". Die Störung bringe einen ganzen Strauß anderer Probleme mit sich, etwa in Beziehungen, am Arbeitsplatz oder in der Kindererziehung. Und da könnten die Betroffenen mit psychotherapeutischen Methoden erfolgreich unterstützt werden.
Die Überblicksstudie macht klar, dass ADHS nicht wenige Erwachsene betrifft. Und Fachleute können ihre eigentlichen Symptome noch am ehesten mit Medikamenten behandeln. Das entspricht auch den Aussagen in der mittlerweile veralteten Leitlinie. Sie wird gerade überarbeitet. Für Betroffene ist vor allem eines wichtig: Sie sollten ärztlichen und psychologischen Rat einholen. Leider ist das nicht immer einfach, bedauert Marcel Romanos: "Es gibt immer noch zu wenige Psychiater und Psychotherapeutinnen, die ADHS-Diagnostik und Therapie anbieten. Der Bedarf ist sehr hoch, die Not der Betroffenen entsprechend groß."
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