Algentechnikum in Ottobrunn: Thomas Brück beugt sich über grüne Algen.
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Thomas Brück und sein Team am Algentechnikum erforschen einzellige Mikroalgen, um ihre Fette in Bio-Treibstoff für Flugzeuge umzuwandeln.

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Biokerosin: Fliegen wir bald mit Algen?

Biokerosin: Fliegen wir bald mit Algen?

Die Forschung ist soweit, die Industrie aber lässt auf sich warten. Am Algentechnikum in Ottobrunn bei München werden mikroskopisch kleine Algen erforscht, aus denen Biokerosin gewonnen wird. Ist das der Treibstoff der Zukunft für Flugzeuge?

Nach Einschätzung von Thomas Brück, dem Leiter des Algentechnikums der Technischen Universität München in Ottobrunn, gibt es etwa 150.000 Algen-Arten mit unzähligen Spezies weltweit. Von diesen sind gerade mal 20 Prozent beschrieben und nur etwa zehn bis 15 werden bisher industriell genutzt. Dabei steckt in den Wasserlebewesen viel Potential. Weltweit wird geforscht, wie sie als nachhaltiger Rohstoff der Zukunft eingesetzt werden können. Schon jetzt nutzt man sie in kleinen Mengen in der Kosmetik-, Nahrungsmittel- und Verpackungsbranche. Und bald auch für Flugzeuge?

Algen-Forschung auf dem Vormarsch

Ein Passagierflugzeug wurde zwar noch nicht mit dem aus den Algen in Ottobrunn gewonnenen Kerosin betankt, kleine Drohnen aber durchaus schon. Mit mehr Platz würde auch noch mehr gehen, die Forschung ist so weit. Brück schätzt, dass Flugzeuge auch in 80 bis 100 Jahren noch mit flüssigem Treibstoff fliegen werden. Um den umweltschonender zu machen, forschen er und sein Team an Alternativen zum Mineralöl - Kerosin aus Algen.

"Es ist Zeit, das noch größer zu machen als das, was wir hier im Algentechnikum produzieren", sagt Brück im BR-Gespräch. Aber die Algen müssen auch an entsprechend sonnigen Standorten - wie beispielsweise Südeuropa - in großen Anlagen kultiviert werden. Dafür braucht es Investoren und die Industrie, die dafür eine neue Infrastruktur schaffen müsste.

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Das Algentechnikum der TU München wurde 2015 eröffnet und ist einzigartig in seiner Ausstattung.

Biokerosin und Carbonfasern aus Algen

Aber von vorn: Das Algentechnikum wurde 2015 eröffnet. Mithilfe einer LED-Anlage können das Spektrum und die Intensität des Sonnenlichts sämtlicher Regionen der Erde nachgeahmt werden. So lassen sich bestimmte Prozesse unter jeglichen klimatischen Bedingungen testen. Brück und sein Team haben zwei Forschungsschwerpunkte: Biokerosin und Carbonfasern. Dafür haben sie sich auf eine Salzwasseralge spezialisiert, die sehr robust ist gegen äußere Veränderungen wie Temperatur oder Salzgehalt: Nannochloropsis salina, die sie aus einem Meeresarm vor Australien isoliert haben.

Die Vorteile von Mikroalgen

Das sind Mikroalgen, also winzig klein und einzellig. Sie brauchen nicht viel Platz und zum Wachsen gerade mal CO2, Licht, Wasser und einige Nährstoffe. Genauso wie Makroalgen - das sind die, die wir aus dem Meer kennen - betreiben sie Fotosynthese und wandeln Kohlenstoffdioxid und Licht in Sauerstoff und Biomasse um. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu ihren größeren Vertretern sind sie sehr lipidreich, speichern also eine Menge Fett. Durch die Abspaltung dieser Fettsäuren in einem chemischen Verfahren kann daraus Biokerosin gewonnen werden. Und dieses Biokerosin könnte unsere Flugzeuge der Zukunft antreiben.

Effiziente Algenkultivierung

Um die Herstellung noch kostengünstiger und energieeffizienter zu machen, wurde der Kultivierungsprozess im Algentechnikum umgestellt. Bisher brauchte es drei Tanks: Einer, in dem die Algen wachsen können, einer, in dem gerade geerntet wird und einer, der gesäubert und für die nächste Generation vorbereitet wird - ein Zeitverlust. Bis zur Ernte sind es zehn Tage. Mit einem neuen enzymatischen und kontinuierlichen Prozess geht alles gleichzeitig - er ist besser für die Umwelt und verbraucht weniger Energie. Nun können in den drei Becken gleichzeitig Algen gezüchtet und geerntet werden. Außerdem wachsen sie dann nicht mehr, bilden aber weiterhin Fette. Auf gleich viel Platz wachsen also mehr Algen, aus denen Kerosin hergestellt werden kann.

Algen in Südeuropa kultivieren

Der Standort in Ottobrunn selbst reicht aber nicht mit seinem Ertrag, um ein Flugzeug zu betanken. Dafür bräuchte es viele Hektar Platz. Brück hat mal ausgerechnet, wie viele in etwa, um Europas Flugkraftstoffbedarf zu decken. Heraus kam eine Fläche so groß wie das Land Bremen.

Und noch wird im Algentechnikum Energie für die LED-Anlage benötigt, um die Algen wachsen zu lassen. Brück denkt aber an Kulturanlagen in Spanien, Portugal oder Griechenland, wo es sonnig genug ist. Dann könnten in sieben Jahren die ersten Flugzeuge mit Algen-Kerosin abheben. Um dort neue Standorte zu installieren, die Flächen zu bebauen, braucht es aber Investoren. Und die Mineralölindustrie muss aufspringen, "die diese Investition noch scheut", meint Brück.

"Diese Hürden müssen wir nehmen, und ich glaube, je höher der Druck ist, CO2 einzusparen, eine desto größere Chance haben wir, dass wir auch die Algenkultivierung mal in einem industriell relevanten Maßstab realisieren können und dann können wir auch mit diesem Kerosin fliegen." Biotechnologe Thomas Brück, Algentechnikum TU München

Carbonfasern aus Algen für den Flugzeugbau

Das mag auch daran liegen, dass Biokerosin momentan noch teurer ist als Erdöl. Um die Kosten weiter zu senken, sollen mehr Teile der Alge verwendet werden. Daher wird im Algentechnikum nicht nur am Treibstoff gearbeitet, sondern auch an Carbonfasern, die aus den Algen hergestellt werden. Das bei der Herstellung des Kerosins abgespaltene Glycerin in den Algen kann beispielsweise in polymere Fasern umgewandelt werden, die dann als Carbonfasern oder Kleidung genutzt werden können. Aus diesen Carbonfasern, die früher praktisch CO2 waren, können nun Treibhausgase gebunden und aus ihnen sogar Flugzeuge gebaut werden. Oder auch ein E-Scooter, den haben Brück und sein Team schon hergestellt.

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Pariya Shaigani, Doktorandin am Algentechnikum, auf dem E-Scooter mit einem Trittbrett aus Carbonfasern aus Algen.

Biodiesel aus Algen unwahrscheinlich

Theoretisch lassen sich aus den Fetten der Algen auch andere Kraftstoffe wie Biodiesel herstellen. Brück sieht darin allerdings keine große Zukunft. Der Dieselmarkt wird mit der Zunahme an Elektroautos immer kleiner werden. Im Bereich des Kerosins hingegen gibt es keine anderen Alternativen. Und möchte man die Luftfahrt decarbonisieren, braucht es Lösungen wie Biokerosin aus Algen. Würde man jetzt damit beginnen, könnten seiner Meinung nach bis 2050 30 bis 50 Prozent des Kerosinbedarfs mit Algen gedeckt werden.

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