Ein Mitarbeiter einer Kläranlage entnimmt eine Probe des Abwassers.
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Analysen des Abwassers könnten bei der Bekämpfung der Pandemie helfen. Mit der Umsetzung in die Praxis hat Deutschland aber Probleme.

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Coronavirus im Abwasser - ein kaum genutztes Frühwarnsystem

Coronavirus im Abwasser - ein kaum genutztes Frühwarnsystem

Durch Analysen des Abwassers lässt sich die Ausbreitung des Coronavirus in einer Region schneller feststellen als durch Tests - das zeigen viele Untersuchungen. Was dieses Frühwarnsystem leisten könnte und warum es bisher wenig zum Einsatz kommt.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Das Coronavirus landet auch in unserem Abwasser. Coronavirus-Infizierte scheiden nämlich mit dem Stuhl auch Virusteilchen aus. Sieben bis zehn Tage früher als durch die Auswertung von Tests ist das Virus daher im Abwasser schon nachweisbar. Das belegen zahlreiche Studien. Genau das könnte bei der Bekämpfung der Pandemie enorm helfen.

Trotzdem wird das Abwasser bisher nur in Forschungsprojekten auf das SARS-CoV-2-Virus überprüft. Für generelle Analysen fehlen in Deutschland noch die dafür notwendigen Regelungen. Außerdem ist nicht jedes Kanalsystem für die Nachverfolgung von Corona-Infizierten geeignet.

Corona im Abwasser: Die Vorteile der Analysen

Die Analyse des Abwassers im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat entscheidende Vorteile: Zum einen spielt es dann keine Rolle, ob getestet wird oder nicht und wie zuverlässig die Testergebnisse sind. Ein weiterer Vorteil der Analysen ist: Das Auftreten neuer Virusvarianten ist dadurch schneller nachweisbar als anhand der Meldedaten der Tests.

Susanne Lackner vom Fachgebiet Abwasserwirtschaft an der TU Darmstadt hat auch in Frankfurt am Main alle Varianten zuerst im Abwasser gesehen, bevor sie in der Meldestatistik aufgetaucht sind. "Am Ende ist ein gewisser Verzug einfach da im Meldewesen, wie man es ja auch wieder über die Feiertage gesehen hat", sagt die Wissenschaftlerin.

Und genau darin sehen Experten wie sie das Potenzial der Abwasseranalysen. "In weniger als 48 Stunden berichten wir die Ergebnisse zurück an den Krisenstab", bestätigt Jörg Drewes von der TU München, der ein Pilotprojekt im Berchtesgadener Land leitet.

Gezieltere Durchbrechung von Infektionsketten

Aber nicht nur Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sprechen für die Abwasseranalysen. Im Extremfall können Forschende mit dieser Methode sogar einen Hotspot einer einzelnen Straße zuordnen. So ist es auch schon im Berchtesgadener Land geschehen: Behörden konnten anhand der Abwasseranalysen einen Corona-Ausbruch auf ein illegales Straßenfest zurückführen.

Bei steigendem Virusanteil im Abwasser schnell reagieren zu können, das heißt: Bei in Frage kommenden Personen wie Anwohnern einen PCR-Test durchführen, um so gezielt Infektionsketten durchbrechen zu können, das ist wohl der größte Vorteil der Abwasseranalysen in Zeiten der Pandemie.

Nicht immer ist das Abwasser als Frühwarnsystem geeignet

Doch nicht immer taugt das Abwasser als Frühwarnsystem eines Corona-Ausbruchs. Das Abwassersystem in München zum Beispiel ist dafür nicht überall geeignet. "Das ist nicht so gebaut, dass man an vielen Kanälen genau sagen kann, wo das Abwasser herkommt", sagt Drewes. Außerdem sei eine hohe Einwohnerzahl in Großstädten wie München für die Rückverfolgung der Virusinfektionen schwierig. "Wenn Sie einen Bereich haben mit 150.000 Einwohnern, dann können Sie da natürlich einen kleinen Ausbruch nicht so einfach sehen", sagt er.

Bürokratische Hürden für die generelle Abwasseranalyse

Zudem gibt es für die Abwasseranalyse jenseits von Forschungsprojekten noch weitere Hindernisse. 16 Bundesländer und die meist kommunal organisierten Gesundheitsämter und die Wasserwirtschaftsämter müssen für die Umsetzung unter einen Hut gebracht werden. Das ist nicht einfach.

Zudem fehlen auch noch Standards und Verordnungen zu Fragen wie: Wie oft sollen Proben genommen werden und am besten wo genau? Immerhin soll dies ab Februar in 20 weiteren Pilotprojekten gründlich erforscht werden.

Andere Länder sind hier schon weiter: Die Niederlande, Spanien, Frankreich, die Schweiz und Österreich haben die von der EU geforderte flächendeckende Einführung des Verfahrens bereits weitgehend umgesetzt. So kann in den Niederlanden schon seit Monaten jeder im Internet nachschauen, in welchen Kanälen gerade besonders viel Sars-CoV2 unterwegs ist. Und auch in den USA können Bewohner die Omikron-Welle anhand vorhandener Abwasserdaten nachverfolgen.

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