Verschiedene Stifte und Utensilien liegen auf einem Tisch in einem Klassenzimmer
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Die Mittelschule ist besser als ihr Ruf, auch wenn sie - nicht nur - mit einem wohl längst überholten Image kämpfen hat.

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Ist die Mittelschule besser als ihr Ruf?

Ist die Mittelschule besser als ihr Ruf?

An den bayerischen Mittelschulen laufen gerade die Abschlussprüfungen. Für viele Absolventen geht es anschließend in die Lehre oder in eine duale Ausbildung. Mit dem Zeugnis in der Hand gibt es mehr Möglichkeiten, als viele denken.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das Salesianum Don Bosco in München am Nachmittag: Die meisten haben ihre Hausaufgaben erledigt, es geht nach draußen zum Fußball spielen oder einfach zum Chillen. Zwischen sechs und 19 Jahre alt sind die Kinder und Jugendlichen, die hier den Hort besuchen. Sie kommen aus verschiedenen Schulen.

Michael Langer leitet den Hort seit einigen Jahren. Er kennt die heißen Phasen rund um Abschlussprüfungen- und auch die besonderen Herausforderungen für die Mittelschüler: "Der Unterschied zwischen Mittelschüler und Abschlussschüler der höheren Schulen ist einfach das Alter. In der 9. Klasse sind die noch deutlich unreifer als jetzt ein Abiturient, da ist grade die Motivation hoch zu halten ganz wichtig."

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Abschlusstraining und Bewerbungshilfe: Viel Unterstützung geboten

Man biete zusätzlich zu den allgemeinen Hausaufgaben auch Abschlusstrainings, so Langer. "Das heißt, dass sich dann nachmittags nochmal ein Betreuer mit einem Mittelschüler hinsetzt und da gezielt Aufgaben durchgeht." Dazu gibt es Zuspruch, wann immer wer ein offenes Ohr braucht. Hortleiter Langer hilft bei Bewerbungsschreiben, unterstützt bei der Lehrstellensuche oder bei der Frage: Gehe ich nach der Prüfung auf eine weiterführende Schule?

In diesem Jahr treten in Bayern rund 58.000 Mittelschülerinnen und Schüler zu den Prüfungen an. Etwa Dreiviertel machen den mittleren oder den qualifizierenden Schulabschluss – nach der 9. Klasse. Die anderen haben im sogenannten M-Zug die 10. Klasse angehängt und streben den mittleren Schulabschluss an. Der kann Grundlage sein für eine duale Ausbildung, den Besuch einer Fachoberschule oder eben auch für eine Lehre.

Bildungsforscher: Mittelschule ist besser als ihr Ruf

Ihr schlechtes Image habe die bayerische Mittelschule zu unrecht, urteilt Stefan Kühne vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation: "In anderen Bundesländer haben Schüler mit dieser schulischen Ausbildung, die man früher Hauptschulabschluss nannte, weitaus geringere Übergangsquoten in eine weitere Ausbildung. Das dürfte daran liegen, dass der Kompetenzstand von den Mittelschülerinnen und Schülern trotz ihres schlechten Rufs viel höher ist als in anderen Bundesländern."

Statistiken zeigen: Ein großer Anteil der Mittelschülerinnen und Mittelschüler stammt aus sozial schwachen Familien. Viele Kinder haben Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Darunter sind Inklusionskinder mit unterschiedlichsten Bedürfnissen.

Lehrerin sieht Herausforderungen bei Integration

Die Liste an Herausforderungen sei lang, erzählt eine Mittelschullehrerin aus dem ländlichen oberbayerischen Raum. Ihren Namen will sie nicht nennen: "Die kommen halt aus den verschiedensten Schichten und die kommen mit dieser Null-Bock-Mentalität. Die haben keine Hausaufgabe gemacht und fühlen sich wie Versager. Manchmal brauche ich eine Stunde, um die nur für irgendwas zu motivieren und ihnen ein Ziel vor Augen zu halten und dass es sich zu kämpfen lohnt."

Das sei keine einfache Aufgabe, sagt die Lehrerin, denn: "Da hast du 25, 26 Schüler dasitzen, dann kommen da ein, zwei neue dazu, die sollst du irgendwie in den Unterricht integrieren. Zum Teil kommen die ohne Deutschkenntnisse und du möchtest denen helfen, weil die wollen ja, aber du kämpfst alleine auf weiter Flur."

Lehrermangel großes Problem an Mittelschulen

Auch der anhaltende Lehrermangel sei gerade an den Mittelschulen ein großes Problem, sagt Bildungsforscher Stefan Kühne. Die Jugendlichen hätten erschwerte Bedingungen zu Hause, in den Familien. Wenn sie auch an der Schule keine Unterstützung bekommen, habe das oft drastische Folgen: Untersuchungen zeigten, dass sie sich dann als gesellschaftlich abgehängt wahrnehmen.

Dass es nicht soweit kommt, daran arbeitet Hort-Leiter Michael Langer am Salesianum Don Bosco in München. Er und seine Kollegen helfen, wo sie nur können. Etwa in Sachen Spracherwerb: "Das ist leider immer noch so, dass da die Eltern der Mittelschüler größere Sprachbarriere haben. Dann versuchen wir da auch zu unterstützen und den Kontakt mit den Lehrern zu suchen, der bei der Mittelschule deutlich enger ist."

Die Mittelschüler würden bei ihm gerade in den Abschlussphasen sehr eng betreut, um ihren besonderen Ansprüchen gerecht zu werden, sagt Lange. Deshalb sei es auch ein tolles Gefühl, wenn die Schülerinnen und Schüler am Ende ganz stolz ankommen mit dem Zeugnis in der Hand: Abschluss geschafft.

Dieser Artikel ist erstmals am 25. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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