Ein Mann zündet sich einen Joint an.
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Cannabis-Legalisierung

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Abstandsregeln für Cannabis: Wie soll das kontrolliert werden?

Abstandsregeln für Cannabis: Wie soll das kontrolliert werden?

Seit 1. April ist Cannabiskonsum legal. Karten zeigen aber: Regeln wie ein bestimmter Abstand zu Kitas, Schulen oder Spielplätzen schränken die Gebiete sehr ein. Bayern kündigt strenge Kontrollen an – aber wie soll das genau funktionieren?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Cannabis-Rauchschwaden, die durch den Englischen Garten oder am Isarufer entlangziehen, direkt ums Eck von Staatskanzlei und Landtag – das klingt nach dem zu verhindernden Alptraum der bayerischen Staatsregierung, wenn man deren Mitgliedern in den letzten Monaten zugehört hat.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte schon im Februar an, dass Bayern kein gutes Pflaster für Cannabis-Freunde sein werde. "Wer mit dem Thema Cannabis glücklich werden will, der ist woanders besser aufgehoben als in Bayern. Das werden wir garantieren", sagte er. Und Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) bekräftigte Mitte März, die Staatsregierung werde dafür sorgen, dass Bayern keine "Kiffer-Hochburg" und "kein lauschiges Plätzchen zum Kiffen" werde.

Cannabis-Kontrollen: Viele offene Fragen bei der Polizei

Was bei Politikern sehr entschlossen klingt, hört sich schon anders an, wenn man die fragt, die das Ganze durchsetzen sollen: die Polizei. Von dort hört man viele offene Fragen, wie die Kontrollen ab dem 1. April aussehen sollen. Wie bereiten sie sich also vor, was ist noch ungeklärt? Und was heißt das für Cannabis-Konsumenten, die ab sofort in Bayern unterwegs sind?

Was theoretisch ein "lauschiges Plätzchen" zum Kiffen werden darf und was nicht, legt erst mal das Gesetz fest: Zum Beispiel nicht in Fußgängerzonen zwischen sieben und 20 Uhr. Für Kitas, Schulen, Jugendclubs oder Spielplätze gilt nicht nur ein Verbot auf dem Geländer selbst – auch in deren Sichtweite darf nicht öffentlich konsumiert werden. Diese "Sichtweite" kann sich wohl von Fall zu Fall unterscheiden, das Gesetz sagt aber: Ab einem Abstand von mehr als 100 Metern ist sie spätestens nicht mehr gegeben.

Innerhalb kürzester Zeit tauchten Karten im Netz auf, in denen 100-Meter-Abstandskreise rot markiert waren und die zeigten: Wo darf man seit Montag in Bayern angeblich kiffen und wo nicht? Das führte zu vielen Witzen auf Social Media. Zum Beispiel, weil die Parteizentrale der CSU in München nicht in einer Fußgängerzone liegt und auch von keinem der Abstandskreise berührt wird – hier wäre öffentliches Kiffen also erlaubt.

Viele Userinnen und User stellten fest: Gerade die größeren bayerischen Städte sind auf den Karten ziemlich rot. Die gezeigten Flächen stellen zwar das mögliche Maximum an Verbotsbereichen dar – dennoch können sie einen groben Überblick geben, welcher Anteil der Stadtflächen betroffen sein könnte. Klicken Sie sich auf der folgenden Karte durch München, Nürnberg, Augsburg, Würzburg, Regensburg, Landshut und Bayreuth:

In München zum Beispiel könnte ein beträchtlicher Teil des Isarufers vom Verbot betroffen sein, ein grüner Fleck sind Teile des englischen Gartens. Für einiges an Spott und Ärger dürfte die Tatsache sorgen, dass ein Großteil des Hofgartens und das Gebiet um die Staatskanzlei – also quasi direkt vor Markus Söders Haustür – von keinem der 100-Meter-Abstandskreise berührt wird. Gras rauchen dürfte dort somit erlaubt sein.

Um den Bayerischen Landtag herum wird es für Polizei und Konsumenten Anlass zu Diskussionen geben. Ein Teil des Bereichs wird von Abstandskreisen bedeckt – ob tatsächlich eine der im Gesetz genannten Einrichtungen "in Sichtweite" ist, muss vor Ort geklärt werden. Außerdem ist ein Teil des Bereich Fußgängerzone, dort dürfte man also nur abends nach 20 Uhr oder morgens vor 7 Uhr kiffen. Das Beispiel Landtag zeigt, wie kleinteilig und komplex die Regelungen werden können:

In Augsburg ist das Universitätsviertel übersät von potenziellen Verbotszonen und auch am Lechufer gibt es einige Flächen, wo Cannabis-Konsum nicht erlaubt sein dürfte. Die Alte Mainbrücke in Würzburg, wo man sich traditionell auf einen "Brückenschoppen" trifft, ist Teil der Fußgängerzone. Während hier also tagsüber auf der Brücke Alkohol getrunken wird, ist Kiffen nicht erlaubt:

Polizei rechnet mit "Berg zusätzlicher Arbeit"

Die mit potenziellen Verbotszonen übersäten Karten führten auf Social Media viele zur Frage: Wer soll das eigentlich alles kontrollieren? Ein Nutzer mutmaßte, dass ab 1. April die Polizei mit der "Bubatzkarte" – einer der populärsten Open-Source-Karten mit den eingezeichneten Gebieten, die sich aktuell verbreitet – auf dem Handy durch die Städte laufen würde. Denn woher sollten die Beamten auf Streife sonst wissen, ob sie gerade 99 oder 101 Meter von einem deutlich sichtbaren Kita-Eingang entfernt sind?

Dass Polizei und Kreisverwaltungsbehörden den Konsum besonders in den "Konsumverbotszonen" streng überwachen sollen, hat die Staatsregierung schon angekündigt. Das bayerische Innenministerium sagte kurz vor Ostern auf Anfrage des BR, die Polizei in Bayern werde "so streng wie möglich kontrollieren".

Die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern sehen mit dem Cannabisgesetz einen Berg zusätzlicher Arbeit auf die Beamten zukommen. Auch weil die Abstandsregeln nicht die einzigen Vorschriften sind, die laut Bayerns hartem Kurs streng kontrolliert werden müssen: Da gebe es zum Beispiel noch das Mindestalter von 18 Jahren, die Besitzmenge (im öffentlichen Raum darf man maximal 25 Gramm dabeihaben) oder Grenzwerte im Straßenverkehr.

"Können schlecht mit Metermaß um die Schule laufen"

Der Unmut der Polizisten richtet sich dabei nicht nur gegen das ihrer Meinung nach "schlechte Gesetz" und "Bürokratiemonster", aus dem sich keine guten Verwaltungsvorschriften machen ließen – sondern auch gegen Ministerpräsident Söder. Mit seinen Aussagen, dass Bayern kein Kifferland werde, bringe er die Behörden in eine Position, in der sie ganz genau kontrollieren müssten, sagte Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Bayern vergangene Woche. Dazu fehlten aber genaue Vorschriften, Personalstärke und die Instrumente.

Bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gebe es im neuen Cannabisgesetz deutlich mehr Tatbestände als bisher. "Das wird ganz, ganz kompliziert", sagt Köhnlein. "Es gibt so viele Möglichkeiten, die auf uns zukommen, die kontrolliert werden könnten und bei denen wir aber gar nicht imstande sind, die Kontrollen überhaupt durchzuführen." Laut Köhnlein fehlt es zum Beispiel an ganz simplen Sachen wie Waagen oder Messgeräten für THC, den Wirkstoff von Cannabis.

Wie man in den Zweifelsfällen die 100-Meter-Abstände durchsetzen und messen solle, weiß man bei den Gewerkschaften noch nicht. "Unsere Kolleginnen und Kollegen können schlecht mit einem Metermaß um die Schule laufen, um zu messen, wer sich noch in der Sperrzone befindet und wer nicht", sagt GdP-Landesvorsitzender Florian Leitner.

Bayern: Von "streng überwachen" bis keine speziellen Kontrollen

Es könnte auch sein, dass die Polizei in Bayern je nach Ort unterschiedlich stark durchgreift. Das geht aus den Antworten der Präsidien an den BR hervor. Oberfranken erwartet einen "erheblichen" zusätzlichen Kontrollaufwand, die Polizei in Niederbayern und der Oberpfalz plant keine speziellen Kontrollen.

Die Polizei Schwaben-Süd will in Verbotszonen "präsent sein", München will die Konsumverbote an Schulen und in deren Sichtweite "streng überwachen", ebenso die Fußgängerzonen. Das Münchner Kreisverwaltungsreferat als Ordnungsamt plant erst mal keine städtischen Maßnahmen. Die Auswirkungen seien erst nach einigen Tagen oder Wochen erkennbar – dann gebe es gegebenenfalls neue Verordnungen.

Viele Einzelfallentscheidungen – viele Probleme?

Bei den Beamten vor Ort sind ebenfalls noch viele Fragen offen. Ein Großteil der bayerischen Präsidien beklagt, die neuen Regelungen seien "an vielen Stellen nicht scharf", wie zum Beispiel die Polizei der Stadt Augsburg schreibt, und würden Problemstellungen in die Vollzugspraxis verlagern. Das bedeutet vor allem: viele Einzelfallentscheidungen – und damit auch viel Konfliktpotenzial.

So geht die Polizei in Unterfranken davon aus, dass sich erst im täglichen Dienstgeschehen entwickelt, wie man künftig kontrolliert. Es komme darauf an, Erfahrungen zu sammeln. Auch in Niederbayern will man vor Ort im Einzelfall entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden. Ein Beispiel: Habe etwa jemand schon Anfang April 25 Gramm Cannabis in der Tasche (also die legale Menge), sei das trotzdem ein Hinweis auf einen verbotenen Handel in der Vergangenheit. Grund sei, dass es noch nicht aus dem erst ab Juli legalen Anbau stammen könne, sagt ein Sprecher der Polizei Oberpfalz.

Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband räumt ein: "Es ist am 1. April praktisch unmöglich, eine legale Quelle zu haben." Auch Bayerns Gesundheitsministerin Gerlach warnt vor einem blühenden Schwarzmarkt und dass es im Moment noch gar kein legal produziertes Cannabis geben könne.

Abstandsregeln: Im Einzelfall auf 100 Meter Sichtweite prüfen?

Und wie sieht es bei den Abstandsregeln aus? Bei den bayerischen Polizeipräsidien stehen der Kinder- und Jugendschutz und die Konsumverbotszonen im Zentrum der geplanten Kontrollen. Weder die Polizei Oberpfalz noch Schwaben Nord werden die Polizisten aber mit speziellen Karten oder digitalen Hilfsmitteln ausstatten. Es werde im Einzelfall auf 100 Meter Sichtweite geprüft.

Die Polizei Mittelfranken will einzuhaltende Abstände und die Sichtweite im Fall einer Anzeige beweiskräftig dokumentieren – zum Beispiel mit "Fotos, messen etc." Vielleicht zückt also doch der eine oder andere Polizist das Maßband.

Mit Informationen der BR-Korrespondentinnen und -korrespondenten Sebastian Wintermeier, Henning Pfeifer, Thomas Pösl, Julia Dechet und Katrin Bohlmann

Hinweis: Im finalen Gesetzestext heißt es: "Der öffentliche Konsum von Cannabis ist verboten: 1. in Schulen und in deren Sichtweite, 2. auf Kinderspielplätzen und in deren Sichtweite, [...]. Im Sinne von Satz 1 ist eine Sichtweite bei einem Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich der in Satz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 genannten Einrichtungen nicht mehr gegeben."

Die Karten zeigen daher eine Annäherung an den größtmöglichen Umfang, den die Verbotszonen annehmen können. Der Artikeltext und die Beschriftungen der Grafiken wurden entsprechend am 03. April 2024 geändert.

Im Video - Cannabis-Gesetz: Was ist erlaubt?

Cannabis-Gesetz: Was ist erlaubt?
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Dieser Artikel ist erstmals am 1. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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