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Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken - doch nicht unbedingt dem Glauben, wie Studien zeigen. (Symbolbild)

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Evangelische Kirche in Bayern: So viele Austritte wie noch nie

Evangelische Kirche in Bayern: So viele Austritte wie noch nie

Noch nie sind in einem Jahr so viele Menschen aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ausgetreten wie 2022. Studien zeigen, woran das liegt. Bei der katholischen Kirche sieht es ähnlich aus. Weltweit steigt die Katholikenanzahl trotzdem.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Nachmittag am .

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat 2022 einen Negativrekord aufgestellt: 48.542 Menschen kehrten ihr den Rücken - so viele wie noch nie zuvor in einem Jahr. 2021 war die Zahl der Austritte noch bei 36.580 gelegen. Die Zahl der Mitglieder der bayerischen Landeskirche sank zum Stichtag 31. Dezember 2022 auf ungefähr 2,143 Millionen Menschen.

Warum so viele Menschen aus der Kirche austreten

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bekannte, die bayerische Landeskirche schaue angesichts dieser Zahlen nicht weg, sondern stelle sich der Realität: "Auch wenn es schmerzt." Studien zeigten die Gründe für die Kirchenaustritte, sagte er. So werde in der "heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft" der christliche Glaube "in den Familien nicht mehr als Selbstverständlichkeit gelebt und weitergegeben". Viele Austritte basieren zudem auf einer Kosten-Nutzen-Analyse. Weil Menschen heutzutage "allein aus Freiheit" Kirchenmitglied seien, seien die aktuellen Mitgliederzahlen "auch ehrlicher als früher".

Auch, wie es nach dem Austritt für die Mitglieder weitergeht, konnten Studien aufdecken: Die wenigsten Menschen suchen nach ihrem Kirchenaustritt nach einer Ersatzreligion oder orientieren sich spirituell neu.

Kirchliche Start-ups: Neue Formen von Kirche austesten

Die Kirche reagiere auf diese Situation, sagte Bedford-Strohm. Man sei "mittendrin, die Kirche umzubauen", damit sie attraktiver werde für religiös ansprechbare Menschen: "Für Menschen, die nach dem Sinn in ihrem Leben suchen. Ein Patentrezept werde es aber nicht geben, so der Landesbischof. Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel forderte "Mut, über zeitgemäßes Christsein nachzudenken und Neues auszuprobieren". Die Kirche der Zukunft müsse eher ein flexibles Netzwerk als eine starre Organisation sein.

Ein erster Schritt sind die 40 kirchlichen Start-ups, für die die Landeskirche vor einem Jahr drei Millionen Euro in die Hand genommen hat, um neue Formen von Kirche auszutesten. Ein Beispiel für diese Start-ups ist die Aktion "einfach heiraten" am 23. März, wenn sich an mehr als zwölf Standorten in Bayern die Kirchen öffnen und die Menschen ohne aufwändige Vorbereitung und große Feier kirchlich heiraten können (sofern sie schon standesamtlich getraut sind) oder einen Segen für ihre Partnerschaft empfangen können, teilte die Kirche mit.

Bundesweit starker Rückgang bei Kirchenmitgliedern

Auch bundesweit sank die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder stark. Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover mitteilte, waren im Jahr 2022 rund 19,1 Millionen Deutsche evangelisch, das ist ein Anteil von 22,7 Prozent an der Bevölkerung. Das waren rund 575.000 oder 2,9 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor.

Damit erreichte der Mitgliederverlust einen neuen Rekordwert. Im vergangenen Jahr übertraf auch die Zahl der Kirchenaustritte (380.000) erstmals die Zahl der Sterbefälle (365.000), teilte die EKD mit.

Vatikan: Anzahl der Katholiken weltweit gestiegen

Neue Mitgliederzahlen für die 27 katholischen Erzbistümer und Bistümer liegen noch nicht vor. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht ihre Statistik im Sommer. Jedoch hatte die katholische Kirche 2021 einen ähnlichen Negativrekord gemeldet. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte knapp 360.000 Kirchenaustritte und damit so viele wie noch nie verzeichnet. Zwischen 2020 und 2021 ging die Zahl der Katholiken in Deutschland um 2,47 Prozent zurück.

Weltweit jedoch ist die Zahl der Katholiken nach Angaben des Vatikans im Jahr 2021 auf rund 1,378 Milliarden Menschen gestiegen. Das geht aus dem Statistischen Jahrbuch der Kurie hervor, wie das offizielle Nachrichtenportal Vatican News am Wochenende berichtete. Demnach stieg die Anzahl der Menschen mit katholischem Glauben zwischen 2020 und 2021 um 1,3 Prozent.

Anteil der Afrikaner an katholischer Weltbevölkerung wächst

Während in Europa kaum Veränderung zu beobachten sei, gebe es vor allem in Afrika immer mehr Katholiken, konkret gut drei Prozent mehr als noch 2020. In Amerika und Asien betrug der Anstieg laut der Erhebung etwa ein Prozent. Insgesamt machten Katholiken im Jahr 2020 rund 17,67 Prozent der Weltbevölkerung aus, das geht aus dem Annuarium Statisticum Ecclesiae hervor, dem vatikanischen Jahrbuch.

Der Anteil der Afrikaner an der katholischen Weltbevölkerung wächst. In den Jahren 2020 und 2021 stammten demnach mehr als 19 Prozent von dem Kontinent. Inzwischen gibt es der Auswertung zufolge fast so viele afrikanische Katholiken wie europäische. 48 Prozent aller Katholiken kommt demnach aus Nord-, Mittel- und Südamerika. Brasilien habe die höchste Anzahl an Menschen mit katholischem Glauben - rund 180 Millionen.

  • Zum Artikel: "Sind trotz Kirchenaustritt Taufe und Trauung möglich?"

Mit Informationen von epd, KNA und dpa

Korrekturhinweis

In einer früheren Version dieses Artikels hatte es geheißen, 48.542 Menschen hätten im Jahr 2022 der Evangelischen Kirche in Deutschland den Rücken gekehrt. In Wirklichkeit bezieht sich diese Zahl aber nicht auf Deutschland, sondern auf Bayern. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Korrigiert am 07.03.2022 um 19.50 Uhr.

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