Hochhäuser am Stadtrand von München im Stadtquartier "Südseite".
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Hochhäuser am Stadtrand von München im Stadtquartier "Südseite".

Bildbeitrag
>

#Faktenfuchs: Gibt es in München eine Immobilienblase?

#Faktenfuchs: Gibt es in München eine Immobilienblase?

Nirgendwo in Deutschland ist Wohnen so teuer wie in München. Wegen der hohen Preise ist immer wieder von einer Immobilienblase die Rede. Der #Faktenfuchs klärt, was mit der Blase gemeint ist, ob sie wirklich platzen kann und welche Folgen das hätte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Wohnen ist in München so teuer wie in keiner anderen deutschen Stadt. 16,30 Euro kostete die Monatsmiete pro Quadratmeter laut der Preisdatenbank des Immobilienmarkt-Forschungsinstituts Empirica im vierten Quartal 2019. Jahr für Jahr steigt der durchschnittliche Mietpreis; im Vergleich zum dritten Quartal 2009 ist er um mehr als 50 Prozent nach oben gegangen. Die Kaufpreise haben sich in den vergangenen zehn Jahren sogar fast verdreifacht. Eine Eigentumswohnung in München kostete im vergangenen Jahr pro Quadratmeter 7.559 Euro, bei Ein- und Zweifamilienhäusern waren es sogar 9.426 Euro.

UBS: München hat weltweit höchstes Immobilienblasen-Risiko

Gibt es in München also eine Immobilienblase? Das Empirica-Institut definiert eine solche Blase als "spekulativen Preisauftrieb, der durch den fundamentalen Zusammenhang von Angebot und Nachfrage nicht mehr zu rechtfertigen ist". Im zurückliegenden Oktober kam die Schweizer Investmentbank UBS in ihrem jährlichen "Global Real Estate Bubble Index" zu dem Schluss, dass das Risiko einer Immobilienblase in München weltweit am höchsten sei. Auch das Empirica-Institut sieht in München eine große Blasengefahr. In seinem Blasenindex legt das Institut drei Kriterien dafür an:

  1. Das Verhältnis von Kaufpreis zu Jahresmiete: Musste ein Käufer in München 2005 noch 27,5 Jahresmieten in den Kauf einer Mietwohnung investieren, waren es 2019 schon 41,6 Jahresmieten – Rekordwert in Deutschland.
  2. Das Verhältnis von Kaufpreis zum Jahreseinkommen: Es ermittelt, wie viele regionale Jahresnettoeinkommen eine neue Eigentumswohnung kostet. 2005 lag dieser Wert in München bei 6,6, im Jahr 2019 waren es 12,5 Jahreseinkommen, also fast eine Verdopplung.
  3. Wie viele Wohnungen pro Tausend Einwohner werden fertiggestellt? Der Gedanke dahinter: Wenn mehr Wohnungen als die prognostizierte Neubaunachfrage erstellt werden, ist das ein Anzeichen für eine Blase. Hier ist der Wert für München von 2005 bis 2019 von 4,0 auf 6,4 Wohnungen gestiegen. Das ist kein besonders hoher Wert und daher kein Indikator für eine Blase.
Bildrechte: BR24
Bildbeitrag

In den vergangenen zehn Jahren sind die Mietpreise in München um mehr als 50 Prozent gestiegen.

Zuzug aus dem Ausland und dem Inland

Im Kern geht es bei der Frage, ob es eine Immobilienblase gibt oder nicht, um das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach Wohnungen in München ist ungebrochen hoch. Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender von Empirica, führt das auf verstärkte Zuwanderung aus dem In- und Ausland zurück. Zum einen aus Südeuropa, speziell Spanien, durch die Erweiterung der EU und durch Geflüchtete in den Jahren 2015/16. Hinzu komme eine Binnenwanderungswelle durch die Landflucht, etwa aus dem Bayerischen Wald.

Durch die anhaltend niedrigen Zinsen von weniger als einem Prozent pro Jahr werde die Nachfrage zusätzlich angekurbelt, nicht nur von Wohninteressenten, sondern auch von Kapitalanlegern, die wegen der niedrigen Zinsen nach Möglichkeiten suchen, eine höhere Rendite zu erzielen: "Immobilienfirmen sagen sich: Wenn ich nach München gehe, bin ich auf der sicheren Seite", sagte Braun zu BR24.

Professor Stephan Kippes, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland (IVD), führt den ungebremsten Zuzug auf die nach wie vor starke Wirtschaftsentwicklung in der Region München zurück. Die Folge: Die Einwohnerzahl Münchens ist in den vergangenen zehn Jahren von 1,36 Millionen auf 1,56 Millionen gestiegen.

Baugrund in München ist knapp

Das Wohnungsangebot kann mit der wachsenden Nachfrage nicht mithalten: Während die Einwohnerzahl von 2009 bis 2019 um knapp 15 Prozent gestiegen ist, hat die Zahl der Wohnungen im gleichen Zeitraum nur um sieben Prozent zugenommen.

Immobilienmarktexperten fordern eine stärkere Bautätigkeit in München. Das ist allerdings nicht leicht, denn Baugrund ist knapp. Schon jetzt ist München mit mehr als 5.000 Einwohnern pro Quadratkilometer die am dichtesten besiedelte Stadt Deutschlands. Eine der letzten großen zusammenhängenden Flächen in der Stadt ist Freiham, wo gerade ein neuer Stadtteil entsteht, in dem rund 25.000 Menschen leben sollen. Um mehr Baugrund zu bekommen, sollte die Stadt München Kippes zufolge eine maßvolle Umwidmung von Gewerbeflächen in Wohnflächen andenken.

Bildrechte: BR24
Bildbeitrag

Die Kaufpreise für Wohnungen und Ein- und Zweifamilienhäuser haben sich in München in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht.

Wohin fließt die Miete und wer profitiert von den steigenden Preisen? Zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern möchten BR und Correctiv den Wohnungsmarkt transparenter machen. Lassen Sie uns gemeinsam herausfinden: Wem gehört die Stadt? HIER MITMACHEN!

Keine Blase, aber "Überhitzungserscheinungen"

Trotz der hohen Immobilienpreise in München spricht Stephan Kippes nicht von einer Immobilienblase, sondern von "Überhitzungserscheinungen", die in naher Zukunft nicht stark abnehmen würden. Er rechnet, wenn überhaupt, mit einer Marktkorrektur von maximal 20 Prozent und das sei noch kein Platzen einer eventuellen Blase. Den Grund sieht der Marktforscher darin, dass sich weder die hohe Nachfrage nach Wohnungen noch das knappe Angebot in München so schnell ändern werden.

Auch der Sparkassenverband Bayern ist der Meinung, "dass man generell nicht von Immobilienblasen in Deutschland und auch nicht in München sprechen kann", wie Sprecherin Eva Mang sagte. Den steigenden Kaufpreisen stünden eine historisch günstige Baufinanzierung und steigende Einkommen entgegen. Der Sparkassenverband geht deshalb nicht davon aus, dass die Nachfrage nach Immobilien in naher Zukunft sinkt. Die Immobilienpreise in Deutschland seien im Vergleich zu vielen anderen EU-Staaten immer noch günstig. Außerdem sei der Immobilienmarkt in Deutschland gerade im Vergleich zu Städten wie London oder Paris lange unterbewertet gewesen.

Immobilienblase platzt bei fallender Nachfrage

Ob es tatsächlich eine Immobilienblase gegeben hat, erkennt man erst, wenn sie platzt. Wie das abläuft, erläutert Eva Mang so:

"Bei plötzlich stark fallender Nachfrage fallen auch die Immobilienpreise entsprechend stark. Viele Immobilieneigentümer entscheiden sich aus diesem Grund dazu, ihre Immobilie jetzt zu verkaufen, bevor die Preise noch weiter sinken. Dadurch steigt das Angebot. Und die Preise fallen weiter. Eine Abwärtsbewegung setzt sich in Gang. Die Immobilienblase ist geplatzt." Eva Mang, Sparkassenverband Bayern

Geplatzte Immobilienblasen

Als Beispiele für geplatzte Immobilienblasen gelten Spanien und Irland, wo es um 2007 herum zu raschen Preisverfällen bei Immobilien kam. In beiden Ländern waren in den Jahren zuvor mehr Wohnungen fertig gestellt worden als der Markt benötigte. 2007 und 2008 platzte auch in den USA eine enorme Immobilienblase; es war der Hauptauslöser der darauffolgenden weltweiten Finanz- und Bankenkrise.

In Deutschland gab es in den Neunziger Jahren in den neuen Bundesländern eine Immobilienblase, genauer gesagt, eine Immobilien-Investitionsblase: "Unter anderem aufgrund steuerlicher Förderung wurde der Wohnungsneubau deutlich angeregt und über Bedarf in spezifischen Regionen gebaut", sagt Silke Wolf, Geschäftsführerin des Bayerischen Bankenverbandes zu BR24.

Die Folgen waren für die Beteiligten gravierend. Die Käufer dieser Immobilien hätten ihre Immobilien aufgrund fehlender Nachfrage nicht wie geplant vermieten können. "Erwerber mussten zum Teil noch jahrelang die Finanzierung zurückzahlen, obwohl sie die Immobilie nicht nutzen konnten", so Wolf. In der Bauwirtschaft halbierte sich die Zahl der Beschäftigten zwischen dem Höchststand 1995 und dem Tiefststand 2009 auf 715.000 Personen. "Dadurch sank auch die Attraktivität der Ausbildung mit Folgen, die wir bis heute spüren. So hat die Bauwirtschaft heute zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, geeignetes Fachpersonal zu rekrutieren", sagt Wolf. Bei den Banken sei es zu Zahlungsausfällen und hohem Abschreibungsbedarf gekommen.

Fazit

Wohnen ist in Deutschland nirgendwo teurer als in München. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Mieten um mehr als 50 Prozent erhöht, der Kaufpreis für Immobilien hat sich fast verdreifacht. Das liegt an einer anhaltend hohen Nachfrage, die durch das vorhandene Wohnungsangebot nicht ausreichend befriedigt werden kann. In München werden nach Ansicht von Immobilienexperten zu wenige Wohnungen neu gebaut. Allerdings ist Baugrund in München knapp. Deswegen könne man nicht von einer Immobilienblase sprechen, sondern eher von einem "überhitzten Wohnungsmarkt".

Weil die Nachfrage nach Wohnungen in München auch in nächster Zeit hoch und das Angebot vergleichsweise gering bleiben wird, gehen der Immobilienverband Süd und der Sparkassenverband Bayern nicht davon aus, dass die Immobilienpreise in München demnächst stark sinken werden.

💡 Was macht der #Faktenfuchs?

Der #Faktenfuchs ist das Faktencheck-Format des Bayerischen Rundfunks. Wir gehen Gerüchten auf den Grund - und wir beantworten Fragen. Die Journalistinnen und Journalisten im #Faktenfuchs-Team klären absichtlich verbreitete Falschmeldungen oder sich haltende Gerüchte auf. Die Ideen für unsere Artikel kommen vor allem aus den Social Timelines und Kommentarspalten. So erklärt sich die Vielfalt der Themen beim #Faktenfuchs: Politik, Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft, Landwirtschaft oder Medizin. Wirken Inhalte verdächtig oder tritt der Breaking-News-Fall ein, dann prüfen wir auch Bilder oder Videos auf ihre Echtheit und ihren Faktengehalt. Hier erklären wir das ausführlicher. Warum eigentlich "Faktenfuchs"? Wir arbeiten mit einer Software, dem “factfox”. Sie hilft uns, die Fakten im Internet besser zu verbreiten.

"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!