Der AfD-Kandidat Bernhard Zimniok in der BR Wahlarena
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#Faktenfuchs zur BR Wahlarena: Der AfD-Kandidat im Faktencheck

#Faktenfuchs zur BR Wahlarena: Der AfD-Kandidat im Faktencheck

In der Passauer BR Wahlarena beklagt sich Bernhard Zimniok über eine "Klimahysterie", äußert sich zu Flüchtlingen im Mittelmeer und kritisiert die Machtposition der EU gegenüber ihren Mitgliedsstaaten. Der #Faktenfuchs hat seine Aussagen gecheckt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Wahlarena am .

1. Behauptung: "Viele seriöse Wissenschaftler und 800 Gutachten sprechen gegen den Klimawandel"

In der BR Wahlarena vom Mittwoch behauptete Bernhard Zimniok von der AfD, dass der Klimawandel wissenschaftlich nicht bewiesen sei. Der bayerische Spitzenkandidat zur Europawahl sagte:

"Was die Klimahysterie betrifft: Das ist keine sachlich fundierte Diskussion. Es gibt ja enorm viele seriöse Wissenschaftler, es gibt 800 Gutachten, die dagegen sprechen, von diesem berühmten Klimawandel." Bernhard Zimniok, AfD-Kandidat zur Europawahl, in der BR Wahlarena, Minute 05:49

Diese Behauptung hört man immer wieder, sie ist wissenschaftlich aber nicht fundiert. Forscher sind sich einig, dass der Klimawandel existiert und der Mensch dazu beiträgt. Die wissenschaftliche Zustimmung wächst seit Jahren, weil immer mehr Studien Beweise liefern. Uneinigkeit besteht allerdings über die Frage, ob der Anteil des Menschen groß oder sehr groß ist.

Weltklimarat sammelt weltweit Erkenntnisse

Maßgebliche Belege kommen vom UN-Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Der Rat, der 1988 gegründet wurde, hat es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst objektiv weltweit wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel zusammenzutragen und Konsequenzen für Natur, Politik und Wirtschaft zu erkennen. 195 Nationen sind Mitglied beim IPCC und 120 Organisationen beobachten ihn. Die wichtigen wissenschaftlichen Akademien unterstützen den IPCC. Wieso der IPCC besonders genau und glaubwürdig arbeitet, begründet der Klimaforscher Nicolas Gruber.

"Der IPCC zählt nicht einfach die Anzahl der Studien, die das eine oder andere sagen, sondern bewertet diese nach einem standardisierten Schlüssel. Das Endresultat ist nicht nur eine Aussage, sondern auch ein Konfidenzstatement, d.h. wie sicher oder unsicher sind wir, dass diese Aussage korrekt ist." Klimaforscher Nicolas Gruber

Bezüglich des menschengemachten Klimawandels ist die Aussage im jüngsten Bericht, dem IPCC-Klimareport 2014 eindeutig:

Die Belege für den Einfluss des Menschen auf das Klimasystem haben seit dem Vierten Sachstandsbericht des IPCC (AR4) zugenommen. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass mehr als die Hälfte des beobachteten Anstiegs der mittleren globalen Oberflächentemperatur von 1951 bis 2010 durch den anthropogenen Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen zusammen mit anderen anthropogenen Antrieben verursacht wurde.

Die Aussagen des Berichts werden vor Veröffentlichung einstimmig von Wissenschaftlern und den 195 Regierungsvertretern angenommen. An dem Bericht waren mehr als 830 Wissenschaftler als Autoren und mehrere Tausend Wissenschaftler als Gutachter beteiligt. Für seine Bemühungen, den Klimawandel in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zu rücken, erhielt der Weltklimarat 2007 gemeinsam mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore den Friedensnobelpreis.

Widerspruch gegen anthropogenen Klimawandel liegt bei 0,3 Prozent

Im selben Zitat behauptete der AfD-Politiker, dass es 800 Gutachten gebe, die den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel verneinen. Auf eine BR24-Anfrage, woher er die Zahl habe, antwortete Zimniok am Tag nach der Sendung:

"Ich habe leider Quellenangabe nicht zur Hand. Bin mir aber sicher, dass es eine seriöse Quelle war." Bernhard Zimniok, AfD-Kandidat zur Europawahl

Es ist davon auszugehen, dass es weltweit sogar noch mehr Gutachten beziehungsweise Studien gibt, die den anthropogenen Klimawandel abstreiten - allerdings ist ihr Anteil an gesamten Klimastudien verschwindend gering. Das hat unter anderem ein Wissenschaftler-Team rund um den australischen Kognitionswissenschaftler John Cook im Jahr 2013 festgestellt. Es hat die Zusammenfassungen von 11.944 Klimastudien aus den Jahren 1991 bis 2011 ausgewertet und herausgefunden: In 0,3 Prozent der Arbeiten widersprachen die Studien-Autoren dem Einfluss des Menschen auf den Klimawandel.

Wegweisende Studien über die wissenschaftliche Einigkeit

John Cook hat seine Studie und andere wegweisende Studien zum Thema "Wissenschaftliche Zustimmung zum Klimawandel" zusammengetragen, etwa von Naomi Oreskes (2004) und Stuart Carlton (2015). In dieser Grafik sieht man das Ergebnis:

Bildrechte: John Cook skepticalsciene.com
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Anteil an wissenschaftlicher Zustimmung zum menschengemachten Klimawandel

2. Behauptung: Dank Italien würden Migrationsströme unterbunden, seitdem keine Flüchtlinge mehr im Mittelmeer ertrinken

In der BR-Wahlarena äußerte sich Zimniok außerdem zu Flüchtlingen, die im Mittelmeer ums Leben kommen:

"Fakt ist jedenfalls, dass wir hier diese Seenotrettung, wie sie genannt wird (...), durch Italien unterbunden haben und deshalb haben sich hier diese Migrationsströme um 90 Prozent verringert. (...) Sobald wir nicht mehr diese Rettungsmaßnahmen vor Ort durchführen, es sind auch keine mehr gestorben wohlgemerkt." Bernhard Zimniok, AfD-Kandidat zur Europawahl, in der BR Wahlarena, ab Minute 40:00

Schiff von Hilfsorganisationen beschlagnahmt

Zimniok bezieht sich auf die Flüchtlingspolitik Italiens. Die dortige Regierung hat bereits mehrfach die italienischen Häfen für internationale Rettungsschiffe geschlossen und angekündigt, keinen Flüchtling ins Land zu lassen. Diese Politik bekommen auch die Hilfsorganisationen zu spüren. Ihre Schiffe werden beschlagnahmt, sie dürfen Häfen in Italien nicht mehr anlaufen oder verlassen. Ende 2018 musste etwa die von Ärzte ohne Grenzen (MSF) und SOS Méditerranée betriebene "Aquarius" ihre Mission einstellen. Neben Italien zeigen sich auch andere Länder nichts hilfsbereit.

Aktuell betroffen ist das Rettungsschiff "Sea-Watch 3". Es treibt nach der Rettung von 65 Flüchtlingen ohne Aussicht auf Aufnahme in einen europäischen Hafen vor Libyen. Italien, Malta und die Niederlande - der Flaggenstaat des Schiffs - hätten bereits einen sicheren Hafen verweigert, erklärte die Hilfsorganisation Sea-Watch auf Twitter.

Hunderte Flüchtlinge in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken

Die Folge: Flüchtlinge sitzen in oft nicht seetüchtigen Booten. Immer wieder ertrinken zahlreiche Menschen. Die Schlussfolgerung Zimnioks, dass durch ein Ausbleiben der Rettungsmaßnahmen keine Flüchtlinge mehr gestorben seien, lässt sich klar widerlegen. Allein in diesem Jahr werden laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR 486 Menschen vermisst oder sie sind gesichert im Mittelmeer ertrunken.

Zimniok schickt auf BR24-Nachfrage einen Link zu einer kommerziellen Statistik-Datenbank. Die darin enthaltenen Zahlen bestätigen ebenfalls, dass allein in diesem Jahr hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind.

UNHCR: Todesrisiko gestiegen

Ende April vergangenen Jahres zählte das Hilfswerk UNHCR seit Januar 609 Tote und Vermisste, Ende Mai 2018 waren es 659. Insgesamt hat die Zahl der Toten und Vermissten im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen: 2014 waren es nach UNHCR-Angaben 3.538, 3.771 (2015), 5.096 (2016), 3.139 (2017) und 2.277 (2018).

Die Abnahme führt das Hilfswerk darauf zurück, dass weitaus weniger Menschen die Flucht nach Europa über das Mittelmeer wagen: Im Jahr 2015 gelangten 1.015.877 Menschen auf diesem Weg nach Europa, 336.425 (2016), 172.324 (2017), 116.647 (2018) und in diesem Jahr bisher 17.488.

Trotzdem geht das UNHCR davon aus, dass durch die Blockade Italiens das Todesrisiko steigt. Im Jahr 2015 sei von 269 Menschen, die es an Land geschafft hätten, ein Toter gekommen. Seitdem habe sich die Anzahl der Toten im Vergleich zur Gesamtzahl der Menschen erheblich verändert: 2016 starb jeder 71., 2017 jeder 55., 2018 jeder 51.. In diesem Jahr sei es aktuell jeder 36.

3. Behauptung: "80 Prozent der (deutschen) Gesetze kommen aus Brüssel"

Außerdem sagte Zimniok, der auf der bundesweiten Liste der AfD auf Platz fünf steht, 80 Prozent aller deutschen Gesetze kämen aus Brüssel (ab Minute 17:00). Dieselbe Zahl hatte die Europa-Spitzenkandidatin der Freien Wähler, Ulrike Müller, bereits auf dem Parteitag in Amberg genannt, als sie sagte: "80 Prozent der Gesetze werden in Brüssel gemacht, haben aber Auswirkungen auf unsere Menschen."

Ursprung der Aussage liegt in den 1980er Jahren

Vorgetragen wird die Zahl der 80 Prozent regelmäßig - von Kritikern wie Verfechtern der Europäischen Union. So regelmäßig, dass die Behauptung gemeinhin als "80-Prozent-Mythos" bezeichnet wird. Während Müller mit ihrer Aussage herausheben wollte, wie bedeutend die EU sei, nannte der AfD-Kandidat die 80 Prozent, um zu kritisieren, sie sei zu übermächtig.

Ihren Ursprung soll der "80-Prozent-Mythos" bereits in den 1980er Jahren haben. Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors aus Frankreich hatte in einer Rede im Jahr 1988 prognostiziert: "In zehn Jahren werden 80 Prozent der Wirtschaftsgesetzgebung, vielleicht auch der steuerlichen und sozialen, gemeinschaftlichen Ursprungs sein."

Welchen Einfluss hat die EU auf nationale Gesetzgebung?

Vorgaben aus der EU beeinflussen die deutsche Gesetzgebung ohne Frage - aber in deutlich geringerem Maße als die genannten 80 Prozent und in den einzelnen Politikfeldern unterschiedlich stark. Im Bereich "soziale Sicherung" zum Beispiel sind einer wissenschaftlichen Analyse der Fernuniversität Hagen zufolge weniger als 10 Prozent der Gesetze auf die EU zurückzuführen, bei der inneren Sicherheit oder "Bildung und Erziehung" etwa 20 Prozent. Untersucht wurden dabei die Jahre 2005 bis 2013.

Bei über 50 Prozent liege die "Europäisierung" in Bereichen wie Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Landwirtschaft. Die Untersuchung macht aber auch darauf aufmerksam, dass unter Experten umstritten sei, wie man "Europäisierung" überhaupt adäquat messen könne und dass "mit diesen Daten die Europäisierung der Bundesgesetzgebung nur näherungsweise abgebildet werden kann".

Beziehe man vergleichsweise bei der Berechnung zusätzlich noch die europäischen Verordnungen mit ein, komme man lediglich bei den am stärksten "europäisierten" Bereichen auf Werte von um die 80 Prozent - bei der Umwelt auf 75 Prozent, bei der Landwirtschaft auf 86. Im Gegensatz zu Richtlinien, die von den Mitgliedsstaaten erst in nationales Recht umgewandelt werden müssen, gelten EU-Verordnungen unmittelbar auf nationaler Ebene.

Auf Nachfrage von BR24 stellte Zimniok klar: "Mir ist durchaus bewusst, dass der Einfluss der EU auf nationale Gesetzgebung sich nicht auf alle Politikfelder übertragen lässt, aber in den Bereichen Umweltschutz, Landwirtschaft etc. bei 80 Prozent und darüber liegt."

Bildrechte: Grafik BR/Europäische Kommission
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Eine Auswahl der Zuständigkeiten der Europäischen Union

Fazit

1. Behauptung: Der Mythos, dass der menschengemachte Klimawandel nicht existiert, hält sich wacker. Aus der seriösen Wissenschaft erhält er aber keine Unterstützung.

2. Behauptung: Italien habe die Migrationsströme unterbunden, seitdem würden keine Menschen mehr im Mittelmeer ertrinken: Diese Behauptung Zimnioks ist nicht richtig. Allein in diesem Jahr werden nach Zahlen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR 486 Flüchtlinge vermisst oder sind nachweisbar ertrunken. Im vergangenen Jahr waren es 2.277.

3. Behauptung: Der Aussage Zimnioks zum Einfluss der EU auf die nationale Gesetzgebung liegt ein Mythos zugrunde, der seinen Ursprung wohl in den 1980er Jahren hat. Das Ausmaß, in dem nationale Gesetzgebung von der EU vorgegeben wird, ist deutlich geringer als der "80-Prozent-Mythos" andeuten mag und variiert bezogen auf die einzelnen Politikfelder stark.

Zu den BR Wahlarenen am 15. und 22. Mai prüft der #Faktenfuchs Behauptungen der Gäste. Neben denen des Politikers der AfD auch die der Freien Wähler, FDP, Linken, CSU, SPD und Grünen.

Die Wahlarena zur Europa-Wahl 2019
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