Umringt von Männern wie Ministerpräsident Söder (M.): CSU-Politikerin Ilse Aigner (r.) beim Politischen Aschermittwoch am 22.02.23 in Passau.
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Umringt von Männern wie Ministerpräsident Söder (M.): CSU-Politikerin Ilse Aigner (r.) beim Politischen Aschermittwoch am 22.02.23 in Passau.

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Frauen in der bayerischen Politik: Die Ausnahme – aber warum?

Frauen in der bayerischen Politik: Die Ausnahme – aber warum?

Trotz aller Initiativen für mehr Politikerinnen: Im Landtag liegt der Frauenanteil bei 27 Prozent, das Kabinett von Ministerpräsident Söder ist männlich geprägt, die Kommunalpolitik auch. Was muss sich ändern?

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Es ist 7.45 Uhr in München-Neuhausen, und Katharina Schulze ist schon ziemlich guter Dinge. Die bayerische Grünen-Fraktionschefin fährt mit U-Bahn und Bus zum ersten Termin ihres Tages als Politikerin: Austausch mit der neuen Präsidentin der Bundeswehr-Uni in Neubiberg. Später stößt ihre Fraktionskollegin Claudia Köhler dazu – und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt.

Katharina, Claudia, Anna – verbringt man einen Tag bei den Grünen, könnte man meinen, wenn überhaupt braucht es in Bayerns Politik eine Männerquote. Aber der Eindruck täuscht, natürlich.

Derzeit 27 Prozent Frauenanteil im Landtag

Lange war die bayerische Landespolitik eine reine Männerwelt – und noch immer sind Frauen deutlich in der Unterzahl. Im Landtag sitzt gerade mal auf gut jedem vierten Abgeordnetenstuhl eine Frau: Im ganzen Parlament liegt ihr Anteil bei 27 Prozent. Dass es bei den Grünen 45 Prozent sind – und bei der SPD sogar 52 Prozent? Letztlich nur Ausreißer nach oben. Auch das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist männlich geprägt: Ihn mitgezählt regieren in Bayern, ohne Staatssekretäre, elf Männer und vier Frauen.

Dabei gibt es seit langem Initiativen und Forderungen, um mehr Frauen in die Politik zu bringen. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat in dieser Legislaturperiode zweimal zu parteiübergreifenden Netzwerktreffen ins Maximilianeum geladen – mit aktiven und potenziellen Politikerinnen sowie mit Wissenschaftlerinnen. CSU-Chef Söder hatte zwischenzeitlich versprochen, die Partei jünger und weiblicher zu machen. Auch bei der bayerischen FDP vergeht kein Parteitag, an dem nicht ein führender Vertreter betont, dass man mehr Frauen in den eigenen Reihen brauche und wolle.

Grüne wollen 50-Prozent-Quote für Staatsregierung und Mandate

Es gibt zwei Ansätze, wie der Frauenanteil in den Parlamenten und Regierungen steigen kann: Die Frauen müssen sich ändern – oder die Politik. Letzteres fordern in Bayern die Grünen. Nach ihrem Termin an der Bundeswehr-Uni fährt Fraktionschefin Schulze mit dem Taxi in den Landtag, Pressekonferenz zum "Hälfte-der-Macht-Gesetz", ein Grünen-Entwurf. Schulze zitiert das Grundgesetz: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Und sie sagt: "Jetzt haben wir 2023 und noch immer sind Frauen strukturell in der Politik benachteiligt und unterrepräsentiert – auch und gerade in Bayern."

Es folgt ein radikaler Reformvorschlag für das bayerische Wahlsystem: Die Grünen wollen, dass die Hälfte der Staatsregierung künftig aus Frauen bestehen muss. Plus, juristisch noch komplizierter, dass die Direktmandate bei Landtagswahlen paritätisch vergeben werden, also immer abwechselnd an einen Mann und eine Frau. Eine Mehrheit ist für diesen Plan aber in weitester Ferne: Bei der Ersten Lesung im Landtag einige Wochen später lehnen alle anderen Fraktionen den Gesetzentwurf ab, teils weil sie generell gegen Frauenquoten sind, teils wegen verfassungsrechtlicher Bedenken.

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Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, aufgenommen am 20.03.23

CSU-Politikerin Aigner: Die Frauen müssen sich ändern

CSU-Politikerin Aigner verfolgt den anderen Ansatz, um den Frauenanteil in ihrer Partei und der bayerischen Politik zu erhöhen: Sie findet, dass sich die Frauen ein Stück weit ändern müssen. Als Frau in der Politik habe sie seit 30 Jahren gelernt, sich auch durchzusetzen, sagt Aigner. Ihre Beobachtung beim politischen Engagement von Frauen: Sie lassen sich zu schnell entmutigen. Das habe sie bei einem Mann noch nie erlebt.

"Da gibt’s erst fünf Gründe, warum ich das nicht machen kann. Oder ich hinterfrage mich, wenn ich zehn Faktoren habe und neun erfülle ich und eine Sache nicht – dann bin ich nicht geeignet." Ilse Aigner

Mehr Selbstvertrauen, auch durch bessere Vernetzung untereinander, dazu mehr Mut für Kampfabstimmungen um Listenplätze und Direktkandidaturen – so argumentiert auch die Frauen-Union der CSU. Aigner sagt, irgendwann werde die Luft halt einfach dünner. "Und dann habe ich den Eindruck, dass manchmal die Frauen nicht bereit sind, den letzten Kampf auch zu führen."

Allerdings gibt es inzwischen auch in der CSU Quoten, um mehr Frauen in wichtige Parteipositionen zu bringen. Für die Vorstände auf Landes- und Bezirksebene gilt eine Quote von 40 oder 50 Prozent. Einer weiteren Ausweitung erteilte Parteichef Söder zuletzt eine Absage – gegen den erklärten Willen der Frauen-Union.

"Manchmal fragt man sich vielleicht: Ist es das wert?"

Für die wichtigsten Posten gibt es aber bei den Christsozialen keine Quote. Und Aigner spricht auch aus Erfahrung, wenn sie über die oben dünne Luft redet. Als es vor einigen Jahren um die Nachfolge von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ging, war die frühere Bundesministerin und heutige Landtagspräsidentin eine Kandidatin. Aber am Ende rang Söder Seehofer nieder.

Die Frage, wie sie männlich geprägte Machtkämpfe in der CSU erlebt hat, beantwortet Aigner im Rückblick so: "Es gibt welche, die sind einfach auf Krawall gebürstet – und auf Intrigen teilweise auch." Das gebe es bei Männern vielleicht mehr als bei Frauen. "Ich würde mir das auch zutrauen, zu kämpfen", sagt Aigner. "Aber manchmal fragt man sich vielleicht: Ist es das wert?"

Kommunalpolitik: Fast so viele "Thomasse" wie Landrätinnen

Noch eine grobe Regel gilt für die bayerische Politik: Je ländlicher, desto männlicher. Besonders gering ist der Frauenanteil in der Kommunalpolitik. Bei den Bürgermeister- oder Landrats-Posten sind es nur gut neun Prozent. Noch eindrücklicher: Bayernweit gibt es 71 Landratsposten, sieben davon haben Frauen inne. Und allein sechs männliche Landräte tragen den Vornamen Thomas. Auch in den kommunalen Parlamenten sitzen deutlich mehr Männer als Frauen.

Der Frauenmangel bei Mandaten und Ämtern hängt auch zusammen mit einem Frauenmangel an der Basis. In der CSU waren zuletzt knapp vier von fünf Mitgliedern Männer. Ähnlich ist die Mitgliederstruktur im Freistaat bei den Freien Wählern, der AfD und der FDP. Bei der bayerischen SPD lag der Frauenanteil zuletzt bei 34 Prozent, bei den Grünen waren es 43. Parität oder gar mehr Frauen – das gibt’s bisher in keiner der im Landtag vertretenen Parteien.

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Frauenanteil bei den Mitgliedern der im Landtag vertretenen bayerischen Parteien (Stand Juli 2022, CSU: Ende 2021)

"Frauen übernehmen Großteil der Sorgearbeit"

Es gibt viele Gründe, warum Frauen der Schritt in die Politik oft schwerer fällt als Männern – männlich geprägte Strukturen, vergleichsweise viele Abendtermine, sexistische Hasskommentare. Die Grünen wollen nicht nur die politischen Rahmenbedingungen verändern, sondern auch die gesellschaftlichen. "Frauen übernehmen den Großteil der Sorgearbeit, sei es bei den Kindern oder bei den eigenen alten Eltern", sagt Schulze. Langsam tue sich aber etwas, immer mehr Männer seien bereit, für die Familie bei der beruflichen Karriere zurückzustecken.

Dem nächsten Landtag dürften trotzdem wieder deutlich mehr Männer als Frauen angehören, dafür sprechen die bisherigen Kandidaten-Aufstellungen. Was die CSU betreffe, werde sich der Frauenanteil wohl nicht wesentlich erhöhen, sagt Aigner. Die Kandidaturen für die Direktmandate seien "schon ziemlich aufgestellt", da werde es keine großen Veränderungen geben. Aber auch Aigner weiß natürlich: Das letzte Wort haben die Wählerinnen und Wähler. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt sie.

Eine Ministerpräsidentin – wohl frühestens 2028

Eine Ministerpräsidentin, das gab es ebenfalls noch nie in Bayern. Auch bei der Landtagswahl am 8. Oktober gibt es keine Frau, die sich um das höchste Amt im Freistaat bewirbt. Katharina Schulze ist zwar Spitzenkandidatin der Grünen, aber jünger als 40 Jahre und kann daher noch nicht Ministerpräsidentin werden. Und ohnehin liegt die CSU, für die Markus Söder erneut als Spitzenkandidat antreten wird, weit vorne in allen Umfragen.

Insofern dürfte wohl bis mindestens 2028 eine theoretische Option bleiben, was der bayerische Kurzzeit-Ministerpräsident Günther Beckstein schon vor 15 Jahren für möglich hielt: Selbstverständlich könne er sich vorstellen, dass auch in Bayern eine Frau Ministerpräsidentin wird, sagte Beckstein damals. Schmunzelnd fügte er hinzu: "Ich kann mir sogar vorstellen: eine evangelische Fränkin und Frau als Ministerpräsidentin."

Die radioReportage "Noch immer die Ausnahme? Frauen in der bayerischen Politik" lief am 19. April im Notizbuch auf Bayern 2. Nachzuhören ist der Beitrag auch hier.

Anmerkung (19.04.23): In der ersten Version dieses Artikels fehlte die Information, dass der Frauenanteil in der bayerischen SPD-Landtagsfraktion sogar bei 52 Prozent liegt – der aktuell höchste Wert bei den einzelnen Fraktionen. Die Passage wurde entsprechend ergänzt.

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