Eine Schülerin schreibt einen Stundenplan an die Tafel.
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Der Religionsunterricht ist bisher konfessionell organisiert. Aber ist dieses Modell noch zukunftsfähig?

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Gemeinsamer Religionsunterricht: Notnagel oder Zukunftsmodell?

Gemeinsamer Religionsunterricht: Notnagel oder Zukunftsmodell?

Immer weniger Schüler sitzen im Religionsunterricht. Deshalb gibt es Modellversuche, katholische und evangelische Schüler gemeinsam zu unterrichten. Wäre nicht auch ein interreligiöser Unterricht, etwa mit muslimischen und jüdischen Schülern denkbar?

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Montagmorgen, 11:30 Uhr: 16 Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse drängen sich in der Kerschensteiner Mittelschule in Germering in das Klassenzimmer. Gleich beginnt der Religionsunterricht. Heute ist das Thema: die Orthodoxe Kirche. Eigentlich ein ganz normaler katholischer Religionsunterricht. Außer: Es sitzen auch drei evangelische Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer.

Immer weniger Schüler im Religionsunterricht

Gleichzeitig besuchen immer weniger Schülerinnen und Schüler den konfessionellen Religionsunterricht in Bayern. Im vergangenen Schuljahr waren es fast 20 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. Trotzdem hat Ministerpräsident Markus Söder klargestellt: An den drei Stunden Religion in der Grundschule wird nicht gerüttelt. Allerdings versuchen die katholische und die evangelische Kirche schon länger, den Religionsunterricht an aktuelle Herausforderungen anzupassen. Seit fünf Jahren gibt es in Bayern zum Beispiel das Modell "Rumek" – das ist die Abkürzung für "Religionsunterricht mit erweiterter Kompetenz". Dabei werden evangelische und katholische Kinder gemeinsam in Religion unterrichtet.

Denn in einigen Regionen Bayerns sind für einen eigenen evangelischen Unterricht zu wenig Kinder da. Die beiden Kirchen kooperieren in solchen Fällen. Luis ist einer der evangelischen Schüler in einer "Rumek"-Klasse: "Es ist keine große Veränderung, weil jede Kirche auch ähnliche Themen hat."

Unterschiede benennen und Gemeinsamkeiten hervorheben

Die Gemeinsamkeiten zwischen den christlichen Konfessionen hervorheben und die Unterschiede benennen: Das ist das Ziel vom Religionsunterricht mit erweiterter Kompetenz. Religionslehrer Denis Bobanovic sagt: In der Praxis hat er eigentlich schon immer konfessionell-gemischte Klassen unterrichtet – nämlich katholisch und orthodox. Aber auch die evangelischen Schülerinnen und Schüler kann er problemlos in den Unterricht mit einbeziehen: "Jetzt, wo ich vermehrt evangelische Schülerinnen und Schüler im Unterricht habe, versuche ich da auch noch mal auf die protestantische Richtung und die Eigenarten einzugehen. Dann auch zu sagen, bei euch ist es eben so und ihr feiert dieses Fest aus diesen und jenen Gründen", sagt Denis Bobanovic.

Denis Bobanovic ist katholischer Religionslehrer, der Unterricht folgt also dem Lehrplan für den katholischen Religionsunterricht. Für ihn sind die Schülerinnen und Schüler anderer Konfessionen keine zusätzliche Belastung, sondern eine Bereicherung für den Unterricht: "Sie bereichern durch ihre eigene Perspektive den Unterricht, zwingen zum Nachdenken, zum Umdenken, und fördern vor allen Dingen das gegenseitige Verständnis", beobachtet der Religionslehrer.

Projekthafte Kooperation mit Islam und Judentum

Wäre dann nicht sogar ein interreligiöser Unterricht denkbar? Also ein gemeinsamer Religionsunterricht für christliche, muslimische und jüdische Schülerinnen und Schüler? Jürgen Belz, Direktor des religionspädagogischen Zentrums Heilsbronn, hat die Entwicklung des Rumek-Modells von evangelischer Seite begleitet. Er ist offen für Kooperationen zwischen Religionsgemeinschaften.

"An Schulen kann man durchaus interreligiöse oder religionswissenschaftliche Themen projekthaft bearbeiten, indem man sich gegenseitig einlädt, indem man mal jemanden aus einer Moschee oder aus einer Synagoge einlädt. Ich denke, das ist eine große Zukunftsaufgabe in unseren Schulen", sagt Jürgen Belz. Das könnte dabei helfen, Unterschiede wahrzunehmen, die eigene Religion zu leben, aber eben in Gemeinschaft mit anderen Religionen.

Konfessioneller Religionsunterricht steht im Grundgesetz

Dass es mehr Kooperationen braucht, da sind sich die beiden christlichen Kirchen einig. Trotzdem soll der Unterricht konfessionell bleiben. Lehrkräfte sollen also selbst in einer Konfession beheimatet sein und nicht aus einer Außenperspektive über die Religion sprechen. Anders wäre es momentan auch rechtlich in Bayern momentan nicht möglich: Der konfessionelle Unterricht ist im Grundgesetz verankert. Dort ist festgelegt, dass die Religionsgemeinschaften den Unterricht selbst gestalten dürfen.

Auf dem Lehrplan steht dabei aber nicht nur das Christentum. "Ich finde es cool, dass man auch neue Religionen kennenlernt wie zum Beispiel den Islam, der hat auch ganz andere Bräuche und Feste", sagt Schüler Luis aus der Rumek-Klasse.

Vom Notnagel zum Zukunftsmodell?

Ein Religionsunterricht, der offen ist für die Kooperation der unterschiedlichen Konfessionen, ist aktuell noch ein Notnagel. Trotzdem könnte bei immer weniger Religions-Schülern und Lehrkräften das Konzept ein Zukunftsmodell werden – vielleicht auch irgendwann zusammen mit anderen Religionen.

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