Karl Schindele, Leiter Wasserwirtschaftsamt Kempten am Stauwehr an der Günz
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Karl Schindele, Leiter Wasserwirtschaftsamt Kempten am Stauwehr an der Günz

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Hochwasserschutz: Wie gut sind die Gefahrenkarten im Internet?

Hochwasserschutz: Wie gut sind die Gefahrenkarten im Internet?

Im Internet können für ganz Bayern Hochwasser-Gefahrenkarten abgerufen werden. Sie zeigen, welche Flächen je nach Wassermenge wie hoch überflutet werden. Passen die Annahmen im Internet und das tatsächliche Ausmaß des jüngsten Hochwassers zusammen?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Mit so einem Hochwasser habe man nicht rechnen können, sagte Ministerpräsident Markus Söder bei einem Besuch im Hochwassergebiet Anfang Juni. Das Landesamt für Umwelt stellt in seinen Hochwasserrisikokarten im Bayern-Atlas (externer Link) allerdings genau das dar: An welchen Gewässern muss mit welchen Überflutungen gerechnet werden. Das ist für Wasserwirtschaftsämter interessant, aber auch für Grundstückseigentümer.

Verschonte und zerstörte Orte an der Günz

Unterschiedlicher kann das Bild entlang der Günz gar nicht sein: Nach dem wochenlangen Regen bis Anfang Juni ist der Ort Babenhausen im Norden des Landkreises Unterallgäu praktisch untergegangen. Ottobeuren 30 Kilometer südlich ist praktisch verschont geblieben – dank eines neu gebauten Rückhaltebeckens.

Der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes in Kempten, Karl Schindele, steigt den Damm hinauf, zum Stauwehr. Im Süden schaut er auf weites Grünland, in der Mitte fließt wieder ganz friedlich die Günz: "Vor einer Woche haben wir hier zehn Meter Wasser gehabt an dieser Stelle. Und eineinhalb Millionen Kubikmeter Wasser, die hier zurückgehalten wurden."

Rückhaltebecken schützt Ottobeuren

Der Damm und das Wehr haben ihre erste kritische Bewährungsprobe bestanden. Vor ein paar Jahren erst ist das Rückhaltebecken fertig geworden. Die Fläche gehört inzwischen dem Wasserwirtschaftsamt. Dafür haben Landwirte andere Felder im Tausch bekommen, erzählt Schindele. So gab es keine größeren Widerstände gegen das Projekt. Und damit ist der Ortskern von Ottobeuren bei diesem Hochwasser trocken geblieben.

Auf der Hochwasserrisikokarte im Internet zeigt Karl Schindele, wo in Ottobeuren früher Überschwemmungsgebiet war. Jetzt ist Ottobeuren auf der Karte nur noch bei einem extremen Hochwasser als gefährdet dargestellt, ein sogenanntes HQ extrem. Das HQ100 steht für ein statistisch gesehen hundertjährliches Hochwasser. An diesem Szenario werden bislang alle Schutzmaßnahmen ausgerichtet. Für Ottobeuren hat es dieses Mal ausgereicht.

Mehr Regen im nördlichen Landkreis

Flussabwärts nicht. Nur 15 Kilometer nördlich liegt die Ortschaft Günz an der Günz. Auch hier gab es massive Überschwemmungen. Im Ortskern selbst erinnert zehn Tage später nichts mehr an die Wassermassen. Mütter holen ihre Kinder von der Kita ab. Die Hochwasserkarten im Internet? Ja klar kennen sie die. Man sorge vor, so gut es geht. Aber dieses Mal war es viel mehr Wasser als sonst. Tatsächlich fiel zwischen Attenhausen und Babenhausen viel mehr Regen als in Ottobeuren, erinnert sich Wasserwirtschaftsamtsleiter Schindele.

Extremes Hochwasser überschwemmt Babenhausen

Er vergleicht das Online-Szenario mit den tatsächlichen Überschwemmungen: In Babenhausen wurde wesentlich mehr überschwemmt, als es bei einem HQ 100 dargestellt wird. Für ein extremes Hochwasser gibt es keinen Schutz. Trotzdem ist sich Schindele sicher: Wenn mal die drei noch geplanten Rückhaltebecken an der Günz fertig sind, dann ist auch Babenhausen besser geschützt.

Hochwasserkarten zeigen Überschwemmungsrisiko

Im Bayern-Atlas, dem Geoportal des Freistaats, sind Hochwasserszenarien für fast alle Grundstücke in der Nähe von Gewässern abrufbar. Andreas Weiß ist Professor für Wasserbau und Siedlungswirtschaft an der Hochschule in Coburg. Da künftig häufiger und heftigere Hochwasser kommen werden, rät er jedem dazu, sich zu informieren.

Das HQ100-Szenario nimmt der Staat als Grundlage für seine Schutzmaßnahmen. Aber man könne als Grundstückseigentümer nicht erwarten, dass man sich nicht kümmern muss, sagt Weiß. Er gibt zu bedenken, dass auch Versicherungen die inzwischen sehr kleinteiligen Karten für Elementarschadenverträge nutzen: "Der Versicherer wird sicherlich bei einem Gebäude, das jetzt schon drei, vier Schäden gehabt hat, sich dreimal überlegen, ob er das noch anbietet."

Versicherungen überdenken Elementarschadenverträge

Weiß kennt die Überlegungen der Versicherer, auf welche Details sie künftig möglicherweise achten werden: Von welcher Seite kommt das Wasser? Wie viele Fenster hat das Haus, wie hoch liegt die Eingangstüre. Halten die Fenster einem Hochwasser stand? Es passiert gerade viel bei der Hochwasserprävention. Trotzdem wird in zehn Jahren das Thema noch nicht erledigt sein, sagt Weiß, dafür sei die zu beplanende Fläche inzwischen einfach zu groß.

"Nicht mehr planen, sondern machen"

Auch für Juliane Thimet ist Hochwasserschutz ein Dauerthema. Beim Bayerischen Gemeindetag ist sie zuständig für alle Wasserfragen. Eben weil Starkregenereignisse zunehmen, müssen sich alle Gemeinden mit Hochwasserschutz befassen, nicht nur die an kleineren oder mittleren Flüssen. Eine Fülle an Aufgaben, die die Gemeinden nicht alle gleichzeitig anpacken könnten. Die Hochwasserrisikokarten im Internet sind für Thimet dabei ein wichtiger, aber nur der erste Schritt: "Ich glaube, wir wissen genug", für sie geht es jetzt an die Umsetzung: "Wenn wir 80-prozentige Lösungen haben, dann ist das prima, bei der Fülle an Themen".

Wasserwirtschaftsämter, Kommunen, Wissenschaft, Versicherungen, auch die Bürger in den hochwassererprobten Gemeinden kennen das Risiko. Es ist vorhersagbar. Nur wann so ein Extremwetter wieder kommt, das weiß keiner.

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