Franz Xaver Stein ist in seinem Element. An der Talstation der Hocheck-Bergbahn bei Oberaudorf im Landkreis Rosenheim begrüßt er die Fahrgäste, zwickt die Tickets ab, hilft den Frauen, Männern, Kindern und Hunden beim Einsteigen. Freundlich klappt er die Bügel runter, wenn die Sessel besetzt sind und wünscht allen, die den Berg hinauffahren, "an scheena Dog!".
Traumjob Seilbahner: Kindheitstraum erfüllt
Nach verschiedenen Stationen ist Franz Stein endlich in seinem Traumjob angekommen. Seit seiner Kinderheit wollte er Seilbahner werden. Aufgewachsen ist er in Aschau im Chiemgau, direkt neben der Seilbahn. Seine Eltern haben zudem eine Alm auf der Kampenwand. Die Bergbahnen, die haben ihn schon immer fasziniert. Seit fast drei Jahren darf der 38-Jährige jetzt auch bei einer arbeiten. "I fühl mi sehr glücklich, i bin da sehr erfüllt", schwärmt Stein.
Projekt "MITarbeit": Zuverlässige und motivierte Arbeitskräfte für Unternehmen
Möglich geworden ist die Erfüllung seines Kindheitstraums dank des Projektes "MITarbeit" der Diakonie Rosenheim. Sechs Inklusionsberater um Bereichsleiter Stefan Petzold vermitteln Menschen mit Beeinträchtigungen in "normale" Berufe – und betreuen dann beide Seiten: den Arbeitnehmer und den Betrieb.
Eine Grundbereitschaft müsse freilich vorliegen, so Petzold, dass die Unternehmen jemanden mit Beeinträchtigung mitarbeiten lassen möchten. Aber wenn dies gegeben sei und sich der Betrieb von Anfang an Zeit zur Einarbeitung des neuen Mitarbeiters oder der neuen Mitarbeiterin nehmen würde, dann gewinne dieser eine zuverlässige und motivierte Arbeitskraft. Die Inklusionsberater helfen bei der Einarbeitung, sie sind ein Bindeglied und Ansprechpartner für beide Seiten. Aus psychologischer Sicht sei es auch für die Unternehmen gut, weiß Stefan Petzold, jemanden zu haben, der vermitteln und eingreifen könne.
Erfolgsbilanz: Bisher knapp 40 Jobs vermittelt
Für knapp vierzig Menschen mit Beeinträchtigungen hat das Team von "MITarbeit" bereits einen Arbeitsplatz gefunden. Bei der Stadt München, der Kinderklinik Aschau, in Bekleidungsgeschäften oder bei einer Therme.
Franz Stein, bei dem unter anderem frühkindlicher Autismus diagnostiziert wurde, ist mittlerweile ein festes Teammitglied bei der Hocheck-Bergbahn geworden. Seine Kollegen und sein Chef sind zufrieden. Franz sei ins Team sehr gut integriert, berichtet Geschäftsführer Hannes Rechenauer. Er habe seine festen Aufgaben, es werde auch deutlich angesprochen, wenn mal etwas nicht funktioniert hat. "Und das ist für ihn ganz wichtig, dass er ein vollwertiges Mitglied ist", so Rechenauer.
"Das Schöne ist: Alle wollen arbeiten!"
Nicht nur am Hocheck sind sie zufrieden. Das Projekt "MITarbeit" ist insgesamt ein voller Erfolg. Und Bereichsleiter Stefan Petzold mit ganzem Herzen dabei. Er strahlt, wenn er erzählt, dass alle Betriebe, die bisher Teilnehmerinnen und Teilnehmer von "MITarbeit" aufgenommen haben, nachfragen, ob sie noch jemanden haben könnten. "Nachschub" sei von großem Interesse bei den Unternehmen. "Und ich sag’ immer, das Schöne an der Arbeit ist: Alle, die zu uns kommen, wollen ja arbeiten unbedingt. Das ist ein Vorteil für uns und auch für die Betriebe: Dass ich Menschen hab, die arbeiten wollen."
Wie Franz Stein. Er kann zwar keine Achtstundentage durchhalten, er braucht zwischendurch öfters Pausen und eine umfassende medizinische Betreuung. Doch er hat einen Job, der ihm große Freude bereitet und den er zuverlässig erfüllt. Dass sein Kindheitstraum tatsächlich noch in Erfüllung gegangen ist? "Des ist für mi des Allerhöchste, wos passiern hat kenna. I hob nimmer dro glabt. Und wär der Stefan ned mei Betreuer worn, wär des vielleicht gar ned zustande kemma."
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