Die Fußball-WM in Katar ist hoch umstritten. Vor dem Beginn am Sonntag wird die Diskussion über Public Viewing intensiver.
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2022
Videobeitrag

Die Fußball-WM in Katar ist hoch umstritten. Vor dem Beginn am Sonntag wird die Diskussion über Public Viewing intensiver.

Videobeitrag
>

#keinkatarinmeinerkneipe - Bayerische Kneipen boykottieren WM

#keinkatarinmeinerkneipe - Bayerische Kneipen boykottieren WM

Menschenrechtsverletzungen, die Ausbeutung von Arbeitern, der Zeitpunkt: Die Kritik an der WM in Katar ist ungebrochen groß. Mehrere Kneipen entscheiden sich, keine Spiele zu zeigen. Je nach Turnierverlauf könnte sich das bei manchen aber ändern.

Mehrere Kneipen wollen dieses Jahr die Fußball-WM in Katar boykottieren: Unter dem Hashtag "keinkatarinmeinerkneipe" drücken Gastwirte aus ganz Deutschland in den sozialen Medien ihre Ablehnung gegenüber dem Austragungsort der Weltmeisterschaft aus. Sie wollen in ihren Räumlichkeiten keine Spiele übertragen.

Winter als schlechter Zeitpunkt

Wirt Thomas Förster betreibt mit dem "Bratwurst Röslein" schon seit Jahren ein großes Wirtshaus in der Nürnberger Altstadt. Bisher hat er solche Ereignisse immer gerne als Public Viewing übertragen. Diesmal zögert er, weil es einfach noch keine Anfragen seiner Gäste dafür gibt. Der Winter sei eine schlechte Zeit dafür, sagt er, und auch die Diskussion über Menschrechte und Klimaschutz in Katar würden die WM-Euphorie ziemlich dämpfen.

Er rechnet damit, dass das Interesse daran erst dann steigen wird, wenn die Deutsche Fußballnationalmannschaft im Viertelfinale steht. Dann wäre auch er bereit, Public Viewing in seinem Wirtshaus anzubieten, falls das seine Kunden verlangen.

Boykott oder nicht? Dehoga gibt keine Empfehlung

Thomas Förster ist auch Vizepräsident beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Er weiß von vielen seiner Kollegen, dass sie unentschlossen sind, ob sie die Fußballspiele der WM diesmal übertragen sollen oder nicht. Weil die Meinungen darüber so unterschiedlich sind, hat der Verband seinen Mitgliedern auch keine Empfehlung gegeben, wie sie damit umgehen sollen.

Förster rechnet damit, dass sich seine Kollegen jetzt, wie er auch, auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft konzentrieren werden. Zahlreiche Firmenfeiern stehen an. Zudem werden wohl viele Besucher des weltberühmten Christkindlesmarktes das Wirtshaus von Förster in der Nürnberger Altstadt nach zwei Jahren Corona-bedingter Zwangspause stürmen.

Boykott-Plakat aufgehängt

Ganz anders der Standpunkt nur einen Steinwurf davon entfernt. Die Gastwirte vom "Bieramt", dem Kultplatz zu den Füßen der Kaiserburg in Nürnberg, haben schon vor einem Monat ihre Meinung dazu klar zum Ausdruck gebracht. Über ihrem Ausschank hängt ein Boykott-Plakat - obwohl sie eigentlich Fußballfans seien, sagt Boris Braun, einer der Biereinkäufer. Bei Katar stimmt seiner Meinung nach gar nix. Bei Brauer Felix vom Endt von der Craftbeerbrauerei "Orca Brau" vor den Toren von Nürnberg liebäugelt er mit dem "Boykott-Bier". Zur WM-Eröffnung soll es in den Ausschank kommen.

Umfrage zeigt gespaltenes Bild

Einen ganz anderen Weg ist ein Gastronom in Bayreuth gegangen. Cornelius Sturm betreibt hier den Kulturkiosk "Zur Seebühne" in der Wilhelminenaue. Eigentlich wäre sein Lokal ein perfekter Ort für die Übertragungen der anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft. Doch weil diese eben so umstritten ist, entschied er sich, seine Gäste zu fragen, was die davon halten. Er startete eine Umfrage auf der Facebook-Seite des Kiosks. Weit über 100 Kommentare sind darauf eingegangen. Doch zu seiner Überraschung sei das Meinungsbild seiner Kunden sehr unterschiedlich, erzählt er dem BR.

Gastronom zeigt Spiele nicht unkommentiert

Die Meinungen gingen demnach von "Auf keine Fall" bis zu "Auf jeden Fall". Darum hat Sturm jetzt selbst eine Entscheidung getroffen: Er wird die Spiele der Deutschen Nationalmannschaft zeigen, aber nicht unkommentiert. Neben der Leinwand soll ein Stand der Menschenrechtsorganisation Amnesty International stehen. Damit soll der Umgang mit dieser WM für jeden Gast eine persönliche Entscheidung bleiben.

  • Zum Artikel: "Der TV- und Radio-Spielplan - Was läuft wann?"

"Fußballfreie Weihnachten wie in jedem Jahr"

Auch einige Gastwirte in München haben sich gegen die Übertragung der WM-Spiele entschieden. Aufgrund der Diskriminierung von Schwulen und Lesben und den Missständen bei der Arbeitssicherheit war für Simon Bierbichler, Geschäftsführer vom "Trumpf oder Kritisch", schnell klar, dieser Veranstaltung keinen Raum zu geben. Für ihn sei die Zeit gekommen, ein Zeichen gegen die Fifa zu setzen.

Das "Trumpf oder Kritisch" bietet auch kein Ersatzprogramm an: "Wir machen fußballfreie Weihnachten wie in jedem Jahr." Das komme bei den Kunden auch durchweg gut an. Mit Verlusten rechne man aber definitiv. Gerade die Deutschlandspiele seien in EM- und WM-Jahren die umsatzstärksten Tage. Aber auch für den Fall, dass Deutschland ins Finale kommen sollte, will sich Bierbichler treu bleiben: "Meine Hoffnung wäre, dass sie in der Vorrunde rausfliegen. Dann stellt sich die Frage gar nicht."

Hoffen auf niedrige Einschaltquoten

Sein Kollege Michael Peters sieht das ähnlich. Peters betreibt das Restaurant "Drunken Cow" und hat Spiele der EM und WM als begeisterter Fußballfan und Hobby-Kicker in der Vergangenheit immer übertragen. "Aber alles auf dem Weg hin zu dieser WM hat das Fass bei mir zum Überlaufen gebracht", erzählt er.

Er hofft, dass es ihm viele Gastronomen gleichtun und die WM boykottieren: "Wenn die Einschaltquoten nach unten gehen, wird die Fifa vielleicht reagieren. Denn Quoten bringen Geld." Bis dahin konzentriere er sich auf das, was zu dieser Jahreszeit eigentlich ansteht: Es sei schließlich Weihnachtszeit.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!