Eine Erzieherin bittet ein Kind, sich Schuhe anzuziehen zum Dreiradfahren.
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Kitas in der Krise: Wenn die Oma ständig einspringen muss

Kitas in der Krise: Wenn die Oma ständig einspringen muss

Arbeiten gehen und gleichzeitig die Kinder gut betreut wissen – für viele Familien in Bayern ist das längst keine Selbstverständlichkeit mehr. In vielen Kitas herrscht akuter Personalmangel. Das sind die Folgen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Susanne Uebelhoer aus München ist längst nicht nur Oma – sie ist auch Notlösung. Jede Woche kommt sie nach Würzburg, um ihren zweijährigen Enkel zu betreuen. "Ich habe einen Dienstplan in der Arbeit und einen für meinen Enkel", sagt die 64-Jährige. Ein riesiger Organisationsaufwand, den sie aber gerne auf sich nimmt. Der kleine Hannes geht zwar seit einem Jahr gerne in die Kita. Trotzdem kommt es immer wieder zur Kollision zwischen Beruf und Kinderbetreuung.

Kitas vor dem Kollaps

Rund 70.000 Kita-Plätze fehlen in Bayern – glücklich kann sich schätzen, wer einen hat. Doch ein Platz ist noch keine Garantie dafür, dass das Kind stetig dort betreut wird, kritisiert Hannes' Mutter Anna Uebelhoer. "Wenn ohnehin schon Personalmangel herrscht, bricht schnell das ganze System zusammen." Es komme immer wieder zur sogenannten Notbetreuung, zu Teil- oder Ganzschließungen. Das heißt, nur einzelne Kinder dürfen in die Kita geschickt werden. Alle anderen müssen sich anders organisieren. "Und wenn man berufstätig ist, beginnt man zu jonglieren."

Dilemma für Eltern: Notbetrieb oder offen lassen?

Ein Dilemma für Anna Uebelhoer: Einerseits ist sie auf die Betreuung durch die Kita angewiesen, um arbeiten gehen zu können. Andererseits möchte sie nicht, dass die Kita "eine Aufbewahrungsstätte" ist, wie sie sagt, "wo zu wenig Personal die Sicherheit des Kindes infrage stellt". Sie ist deshalb sogar froh, dass ihre Kita eher früher als später die Reißleine zieht.

Christian Gündling sieht das genauso. Er ist selbst Leiter einer Würzburger Kita. Denn häufig könne das Personal schon im Normalbetrieb nur das Nötigste erledigen. Die Kinder "satt und sauber" halten - mehr schaffe das Personal oft nicht. Pädagogische Arbeit? Fehlanzeige. Er warnt sogar, dass das Kindeswohl gefährdet sei mit der derzeitigen Personalausstattung.

Abwärtsspirale: Personal brennt aus und kommt nicht wieder

Auch das Personal selbst leide unter der Situation im Dauerstress. Gündling ist Sprecher bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Unterfranken. Aktuell kommt im Kindergartenbereich eine Fachkraft auf elf Kinder. Er fordert, dass der Anstellungsschlüssel nicht nur "kosmetisch", sondern drastisch verbessert werden müsse: Eine Fachkraft auf sechs Kinder bräuchte es, um dem Auftrag und Anspruch der Kitas gerecht zu werden.

Dann würde auch nicht so viel Personal wegbrechen. Gündling sagt: Es gebe genug Personal, allerdings brennen viele aus und kehren nicht wieder in den Beruf zurück aus Angst, dass die Bedingungen wieder zu einer Überlastung führen.

Aktion "Wimpel für Wandel" plant Demo

Darauf macht aktuell die Aktion "Wimpel für Wandel" aufmerksam, initiiert von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum München-Freising gemeinsam mit dem Verband Kita-Fachkräfte Bayern. Es sind bereits mehr als 6.000 Wimpel in der Münchner Geschäftsstelle eingegangen, teilt die KAB mit. Am 24. Mai sollen die Wimpel als kilometerlange Kette auf dem Münchner Königsplatz ausgerollt werden.

Sozialministerium: Ausbildungszahlen steigen

Die Aktion richtet sich an die Bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU). Ihr Ministerium erklärt auf Nachfrage des BR, dass eine Fachkraft auf 9,16 Kinder käme, der Anstellungsschlüssel aber kein Personal-Kind-Schlüssel sei, sondern ein rechnerischer Wert bezogen auf die Arbeitsstunden des Personals. Ohnehin liege der Personaleinsatz letztlich bei den Kita-Trägern. Die 630.000 in bayerischen Kitas betreuten Kinder seien die "wirtschaftliche, soziale, familien- und integrationspolitische Zukunftsfrage unserer Zeit." Genug Fachkräfte gebe es laut einer Studie zwar nicht, aber die Ausbildungszahlen steigen. Das Ministerium rechnet deshalb damit, dass der Bedarf in den nächsten drei Jahren gedeckt sein könnte. Eine Rechnung, die nicht aufgeht, sagt die Gewerkschaft. Denn gleichzeitig steige der Bedarf mit Blick auf die offenen Ganztagsschulen.

Also wird Susanne Uebelhoer wohl noch jede Woche nach Würzburg pendeln, um ihren Enkel Hannes zu betreuen. Der Anlass aus der Not geboren ist für die Oma auch ein Geschenk: "Es ist schön mitzuerleben, wie er sich entwickelt. Das ist ein großer Benefit für mich."

Im Audio: Fehlendes Kita-Personal bringt Familienplanung ins Wanken

ARCHIV - 27.01.2014, Nordrhein-Westfalen, Essen: Gummistiefel hängen in einer Kindertageseinrichtung an einer Wand.  (zu dpa: «Grüne: Erzieherausbildung sollte kostenfrei und kürzer sein») Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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