Kirche "St. Norbert" in Höchberg (Landkreis Würzburg)
Bildrechte: BR/Pirmin Breninek
Audiobeitrag

Die Kirche "St. Norbert" im unterfränkischen Höchberg. Einem Pfarrer, der viele Jahre im Ort gewirkt hat, wird sexualisierte Gewalt vorgeworfen.

Audiobeitrag
>

Kritik an Bistum Würzburg nach neuen Missbrauchsvorwürfen

Kritik an Bistum Würzburg nach neuen Missbrauchsvorwürfen

Im unterfränkischen Höchberg ist der Schock groß. Einem katholischen Pfarrer, der viele Jahre im Ort gewirkt hat, wird sexualisierte Gewalt vorgeworfen. Ans Licht kam das erst jetzt auf Umwegen. Das Vorgehen des Bistums löst Kritik aus.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

Im Bericht ist er nur eine Zahl. Mit zehn Ziffern haben die Gutachter den Kleriker anonymisiert. Zwei Frauen werfen ihm sexualisierte Gewalt vor. So steht es in einem Gutachten, das die "Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg" im April veröffentlicht hat. Seit wenigen Tagen wissen die Katholiken im unterfränkischen Höchberg: Die Vorwürfe betreffen einen Priester, der viele Jahre in ihrem Ort aktiv war. Viele sind schockiert. Sie werfen dem Bistum vor, den Fall vertuscht zu haben.

Vorwurf: Sexualstraftaten an Minderjähriger

Auf acht von 800 Seiten beschäftigt sich das Gutachten mit dem Priester. Er ist lediglich einer von 51 Beschuldigten, die darin gelistet sind. Viele Jahre war der Priester in der Gemeinde bei Würzburg tätig, er ist vor einigen Jahren gestorben. Ob die Vorwürfe zutreffen, lässt sich nicht mehr klären. Doch das Gutachten stuft die Missbrauchsvorwürfe als "plausibel" ein.

Die mutmaßlichen Übergriffe richteten sich demnach insbesondere gegen eine der beiden Frauen – über einen Zeitraum von sechs Jahren. Demzufolge sollen die Übergriffe in den 1970er Jahren stattgefunden haben. Damals wirkte der Kleriker noch im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld. Es handelt sich laut den Vorwürfen um schwere Sexualstraftaten. Im Gutachten heißt es: Als diese begonnen hätten, sei das Opfer erst 13 Jahre alt gewesen. Der Priester wechselte später ins nahe gelegene Höchberg. Dort fragen sich nun viele: Gibt es auch hier potenzielle Opfer? Warum hat das Bistum den Fall nicht früher aufgeklärt?

Betroffene informierten Bistum bereits vor 15 Jahren

Bereits 2010 wusste das Bistum Würzburg von den Anschuldigungen. Das geht aus Akten hervor, die für das Gutachten ausgewertet wurden. Demnach hat das Bistum den Priester damals mit den Vorwürfen konfrontiert. Doch offenbar passierte wenig. Der Priester blieb eine angesehene Person. Er ging wenig später in Ruhestand, lebte weiterhin im Ort. Er sendete Sternsinger aus oder hielt Gottesdienste, bei denen ihm junge Ministrantinnen assistierten.

Viele in der Pfarreiengemeinschaft sind auch über das aktuelle Vorgehen des Bistums verärgert. Denn dass ausgerechnet "ihrem" Pfarrer Missbrauch vorgeworfen wird, mussten die Gemeindemitglieder selbst herausfinden. Eine Person hatte das anonymisierte Gutachten gelesen und bemerkt: Die Daten könnten zu dem verstorbenen Geistlichen aus Höchberg passen. Erst eine Nachfrage beim Bistum bestätigte den Verdacht. "Es ist dem Zufall überlassen gewesen, dass wir das herausgefunden haben. Ich weiß nicht, aus welchem Grund", sagt Christina Gold, stellvertretende Vorsitzende im Pfarrgemeinderat.

Generalvikar bittet um Entschuldigung

Generalvikar Jürgen Vorndran sagt: Er könne die "Irritationen" verstehen. Auf eigenen Wunsch kam er nun in die Pfarrgemeinde, um über den Fall zu sprechen – und sich der Kritik zu stellen. "Das Gutachten hat eindeutig festgestellt, dass dieser Fall nicht umfassend aufgeklärt worden ist", sagt Vorndran. Er bat vor den Gemeindemitgliedern um Entschuldigung für das Vorgehen des Bistums vor 15 Jahren. Mit dem Fall war einer seiner Vorgänger betraut gewesen. Der amtierende Würzburger Bischof Franz Jung war noch nicht im Amt. Die Staatsanwaltschaft führte 2022 ein Vorermittlungsverfahren gegen die früheren Verantwortungsträger. Dieses ergab: Strafrechtlich hatten sie sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Das aktuelle Vorgehen des Bistums rechtfertigt Vorndran: Bevor das Gutachten veröffentlicht wurde, habe er alle Hauptamtlichen gebeten, es zu lesen. In Höchberg habe es nur wenige Wochen gedauert, bis sich der amtierende Pfarrer meldete. Ob es andere Orte wie Höchberg gibt, die über mutmaßliche Missbrauchstaten langjähriger Kleriker nicht Bescheid wissen? "Ich glaube nicht", sagt Vorndran. Ein Sprecher des Bistums ergänzt: Man befinde sich in der Prüfung. Die Pfarreiengemeinschaft im unterfränkischen Heidingsfeld ist inzwischen informiert.

Gemeindemitglieder fordern Aufklärung

Die Gemeindemitglieder in Höchberg sagen: Sie haben sich vorgenommen, den Priester von seinem "Podest" zu heben. Ein Portrait von ihm haben sie entfernt. Es hing in einer der Kirchen im Ort. Ein Lied, das der Priester gedichtet hatte, wollen sie nicht mehr singen. Sie wollen Transparenz herstellen – und es potenziellen, weiteren Betroffenen erleichtern, ihre Erfahrungen zu teilen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!