Drei junge Rinder springen auf der Weide.
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Die Kühe auf dem Lebenshof "Kuhtopia" freuen sich über den ersten Weidegang.

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Lebenshof "Kuhtopia": Wenn die Kuh nicht mehr gemolken wird

Lebenshof "Kuhtopia": Wenn die Kuh nicht mehr gemolken wird

Steffi Mühlbacher und Helen Hinrichs betreiben am Waginger See in Oberbayern den Lebenshof "Kuhtopia". Auf dem ehemaligen Biohof versorgen sie Kühe und Hühner, ohne sie zu schlachten oder zu melken.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

An einem bewölkten Sonntag im März öffnen Steffi Mühlbacher und Helen Hinrichs zum ersten Mal das Gatter ihres Kuhstalls auf dem Moiernhof. Die jungen Rinder rennen in Richtung Weide und werfen dabei freudig die Hinterbeine nach oben. Ein bisschen unbeholfen sieht das aus, wie Kleinkinder, die aufgeregt zum Geburtstagstisch stolpern.

  • Zum Artikel: "Milchvieh-Rechtsgutachten fordert Aus für Anbindehaltung"

Konzept eines Lebenshofes: Ungenutzte Nutztiere

Steffi Mühlbacher schaut sichtlich gerührt zu. Die 30-Jährige ist auf dem Biohof ihrer Eltern am Waginger See in Oberbayern aufgewachsen. Lange konnte sie sich nicht vorstellen, ihn zu übernehmen. Denn Tiere zu essen oder nur wegen ihrer Milch zu halten, findet sie inzwischen falsch. Doch dann erfährt sie von ihrer Freundin Helen vom Konzept des Lebenshofs. "Auf einem Lebenshof dürfen Tiere einfach leben, ohne Nutztiere zu sein. Das heißt, sie sind nicht für den Menschen da, sondern einfach für sich selbst."

Seit Anfang des Jahres pachten die beiden den Moiernhof unter dem neuen Namen "Kuhtopia". Die Milchkühe werden nicht mehr gemolken und bekommen keinen Nachwuchs. Außerdem hat das Paar 22 Hühner bei sich aufgenommen, die sie vor dem Metzger gerettet haben. Einige Anfragen haben sie schon, weitere Tiere aufzunehmen, sie wollen aber erst mal abwarten.

Finanziert durch Tierpatenschaften

Leben müssen die beiden nicht von dem Hof. Steffi arbeitet als Webdesignerin, Helen studiert Spieleentwicklung. "Der Hof soll sich selbst finanzieren und kein Jobersatz für uns sein", sagt Helen. Die Kosten versuchen sie durch Weideprämien und Tierpatenschaften zu decken. Für 160 Euro pro Monat kann man Kuhpatin werden, für ein Huhn sind es 20 Euro.

Einige Hühnerpaten haben sie schon gefunden. Auch beim ersten Weidegang interessieren sich viele für das Modell. Die meisten Besucherinnen und Besucher kommen aus Tierrechtsgruppen. Sie sehen Lebenshöfe als eine Möglichkeit, aus der Tierhaltung auszusteigen. Milla Widmer ist extra aus München angereist, um sich die "Kühe in Freiheit" anzusehen. "Die Tiere haben es verdient, dass wir sie nicht auf den Schlachthof schicken, nachdem wir sie ausgebeutet haben."

Sensibles Thema

Auf wie viel Begeisterung die "Kuhtopie" bei den alteingesessenen Milchbauern in der Umgebung stößt, ist noch nicht klar. Landwirtschaftliche Flächen sind knapp im Chiemgau. Helen weiß, wie sensibel das Thema ist – auch, weil man sich die Milchtierhaltung ohne Milchverkauf erst mal leisten können muss. "Es ist uns wichtig, dass die Landwirt*innen um uns herum nicht denken, dass wir sie abwerten würden, nur weil wir Dinge anders angehen."

Steffis Eltern, die ehemaligen Milchbauern, vertrauen den beiden zumindest. Das Konzept "Lebenshof" fanden sie erst ungewohnt. Doch auch sie wurden als Biopioniere in den 1990er Jahren erst mal schräg angeschaut – jetzt sind sie gespannt, wie sich die "Kuhtopie" ihrer Tochter in der Realität bewährt.

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