Carola Reiner steht vor dem Auslauf der Muttersauen auf ihrem Hof in Oberdachstetten.
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Die 29-jährige Carola Reiner ist Hofnachfolgerin und übernimmt als Betriebsleiterin den Milchvieh- und Schweinehof ihrer Eltern.

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Landwirtschaft: Nur wenige Frauen leiten Betriebe in Bayern

Landwirtschaft: Nur wenige Frauen leiten Betriebe in Bayern

Gerade einmal neun Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern haben eine Frau als Betriebsleiterin. Eine Forschungsprojekt über Frauen in der Landwirtschaft zeigt jetzt: Die Hürden für Frauen sind immer noch extrem hoch.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Carola Reiner ist 29 Jahre alt und eine Seltenheit in Bayern: Sie leitet einen Milchvieh- und Schweinehof in Oberdachstetten im Landkreis Ansbach. 140 Hektar Land, 180 Milchkühe plus Nachzucht, dazu 20 Muttersauen und fast 300 Mastschweine. Noch ist auch ihr Vater zu gleichen Teilen mit ihr in einer GbR, in drei bis vier Jahren wird sie den Hof ganz übernehmen. "Mir hat das schon immer Spaß gemacht: Große Maschinen, die Viecher, das gefällt mir! Ich mach' das gerne und hab' das immer schon gerne gemacht", erzählt Carola.

Video: Hofgeflüster mit der Hoferbin - Als Frau einen Betrieb führen

Studie: Frauen ohne Brüder werden häufiger Hofnachfolgerinnen

Sie hat noch zwei Schwestern, die allerdings kein Interesse daran haben, den Hof zu übernehmen. Keine Brüder – das ist bis heute die einfachste Möglichkeit für Frauen, als Hofnachfolgerinnen den Betrieb zu übernehmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt über Frauen in der Landwirtschaft der Universität Göttingen und des Thünen-Instituts. Wissenschaftlerin Janna Luisa Pieper hat für die Studie zahlreiche Frauen interviewt und festgestellt:

Es ist immer noch in den Köpfen vieler Menschen in der Landwirtschaft verankert, dass davon ausgegangen wird, dass die Hofnachfolge von einem Sohn angetreten werden muss. Janna Luisa Pieper, Universität Göttingen

Wie überkommen die Vorstellungen sind, zeigt ein weiteres Studienergebnis: "Manche der befragten Frauen glauben bis heute, es sei eine gesetzliche Regelung, dass der Hofnachfolger männlich sein muss", so Pieper. Auch die Erziehung auf vielen Bauernhöfen manifestiert die Tradition der männlichen Hofnachfolge: Es sei immer noch so, dass Söhnen landwirtschaftliche Tätigkeiten wie Traktor fahren und Ackerbau nähergebracht würden und Töchtern dagegen beispielsweise die Kälberaufzucht und hauswirtschaftliche Tätigkeiten.

Die Folge: "Wenn man von Tag eins an als der designierte Hofnachfolger sozialisiert wird, hat man natürlich auch ein ganz anderes Selbstbewusstsein", so Pieper. Dieses Selbstbewusstsein fehle vielen Frauen, wenn es um die Übernahme der Betriebsleitung gehe.

Vorurteile gegenüber Betriebsleiterinnen in der Landwirtschaft

Carola Reiner dagegen ist ganz anders aufgewachsen. Sie war schon als kleines Mädchen voll eingebunden in alle Arbeiten auf dem Hof und kann jede Maschine fahren und bedienen. Arbeiten, die zu schwer für eine Frau sind, gibt es für sie nicht. Die 29-Jährige ist Landwirtschaftsmeisterin und Agrarbetriebswirtin und damit mehr als qualifiziert für die Betriebsleitung des Hofes. Dennoch gibt es immer wieder Momente, wo ihre Kompetenz in Frage gestellt wird, einfach aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau ist.

Wenn Vertreter auf den Hof kommen und ihr begegnen, wird sie beispielsweise gefragt, wo denn der Chef sei. "Die Frau macht wohl nicht so viel her, da muss wohl ein Mann dastehen!", sagt Carola mit einem Augenzwinkern. Darüber kann sie lachen. Ein anderer Vorfall dagegen hat sie wirklich geärgert. Sie wurde für ein Ehrenamt vorgeschlagen und ein Mann hat sich gegen sie ausgesprochen mit der Begründung, sie sei eine Frau, sie sei zu jung und sie habe keine Kinder.

Da denke ich mir wirklich: In welchem Jahrhundert leben wir denn? Carola Reiner, Betriebsleiterin

Zu der Frage, ob sie fachlich für das Ehrenamt qualifiziert war, sei es gar nicht gekommen, erzählt Carola und fügt sarkastisch hinzu: "Das war wohl nicht so wichtig." Die wenig stichhaltigen Argumente ihres Kritikers waren für viele andere dann auch nicht ausschlaggebend. Carola wurde kurze Zeit später in das Ehrenamt berufen.

Kritische Phase: Heirat und Familiengründung

Neben Herausforderungen, denen sich Betriebsleiterinnen gesellschaftlich stellen müssen, gibt es auch auf dem Hof kritische Momente, die laut der Studie häufig dazu führen, dass Frauen die Betriebsleitung wieder aufgeben – zum Beispiel, wenn sie heiraten. Auch hier kommt noch häufig das traditionelle Rollenverständnis zum Tragen. Die Eltern vieler Hoferbinnen seien beispielsweise froh, wenn durch Heirat "dann der Betriebsleiter endlich da ist und die eigentliche Hoferbin aus der Rolle rutscht", sagt Wissenschaftlerin Pieper. Ein weiterer kritischer Moment ist die Familiengründung. Für viele Betriebsleiterinnen heiße es dann, Kind oder Kuh, so Pieper weiter. Und das sogar in Partnerschaften, in denen der Mann nicht die Betriebsleitung übernimmt. Viele Partner würden bis heute die Möglichkeit der Elternzeit nicht wahrnehmen, so die Wissenschaftlerin, selbst wenn sie festangestellte Arbeitnehmer seien.

Auch Carola Reiner ist klar, dass Kinder bekommen und den Betrieb leiten eine echte Herausforderung sein wird. "Ich muss dann mehr Arbeiten abgeben und delegieren", sagt die 29-Jährige. "Es ist zwar anstrengend, aber ich kann bei vielen Arbeiten die Kinder mitnehmen. Wie auf dem Schlepper, da tu' ich dann den Kindersitz mit drauf, und dann geht das auch!" Auf die Frage, ob Kinder bekommen ein Grund für sie sei, die Betriebsleitung an den Nagel zu hängen, lacht Carola laut. "Um Gottes Willen, nein, die gebe ich nicht mehr her, jetzt wo ich sie mal habe!"

Zahl der Hofnachfolgerinnen nimmt zu: Wissenschaft will Förderprogramme

Deutschlandweit werden aktuell elf Prozent der Höfe von Frauen geleitet, das sind nur zwei Prozent mehr als vor 20 Jahren. Doch die Zukunft sieht weiblicher aus: Aktuell gelten auf 18 Prozent der Höfe Frauen als Hofnachfolgerinnen. Um diesen zukünftigen Betriebsleiterinnen die Arbeit zu erleichtern, brauche es Förderprogramme, sagt Janna Luisa Pieper von der Universität Göttingen. Beispielsweise ein Mentoringprogramm, in dem Frauen, die erfolgreiche Höfe führen, junge Betriebsleiterinnen begleiten, sowie Frauennetzwerke im Rahmen von Ausbildung und Studium und auch Förderprogramme für Existenzgründerinnen.

Denn auch bei der außerfamiliären Hofnachfolge werden laut Studie Männer bis heute klar bevorzugt. Und natürlich müsse sich die Erziehung der Töchter auf den Höfen verändern, so Pieper, "dass auch Mädchen Traktor fahren dürfen und dass bekannt wird, dass die Hofnachfolge eine ganz normale Position für Frauen ist."

In der Serie "Hofgeflüster" besucht "Unser Land"-Reporterin Stefanie Heiß Höfe in Bayern. Hier geht es in mehreren Folgen um Themen, über die sonst nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Alle Videos der "Hofgeflüster"-Serie gibt es hier.

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