Der pensionierte Koch Anton Muttenhammer aus Neukirchen vorm Wald im Landkreis Passau kocht gerne ein Gericht, das nur noch selten auf Speisekarten steht und meist aus den Küchen verschwunden ist: Lüngerl. Früher war es üblich, alle Teile eines geschlachteten Tieres zu verwerten. Muttenhammer will das Wissen ums Lüngerl kochen erhalten und dient damit auch einem guten Zweck.
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Essigsud und rohe Lunge
In einem großen Kessel, in den 150 Liter Flüssigkeit passen, erhitzt Anton Muttenhammer früh am Morgen Wasser, gibt Essig dazu, Lorbeerblätter, Wacholderbeeren und Zitronen. Wie viel jeweils? "Mei, Gefühlssache", lacht der pensionierte Küchenmeister. Insgesamt sollen es etwa 500 Liter Lüngerl werden.
Der dampfende Sud, die blutigen rohen Lungen, eine Kombination, die zweifellos nicht jedermanns Sache ist. "Die Lungen schauen natürlich nicht schön aus, die sind schwammig und blutunterlaufen", gibt Anton Muttenhammer zu. Aber es wird schmecken, verspricht der Küchenmeister.
Traditionelles Gericht zu Beerdigungen
Die rohen Schweinelungen gibt Anton Muttenhammer in den Essigsud. Insgesamt hat er 50 Kilo Lungen, zehn Kilo Schweineherzen und fünf Kilo Zungen bestellt. "Die Metzger haben gesagt, Muttenhammer, Du spinnst", lacht der 73-Jährige.
Seine Eltern hatten ein Dorfwirtshaus mit eigener Metzgerei und Bäckerei: "Da hat mein Papa sehr drauf geachtet, dass wirklich jedes Teil eines geschlachteten Tieres verwertet wird. Und das Lüngerl haben wir eh gebraucht für die Totensuppe." Das ist das Essen, das Gästen bei einer Beerdigung serviert wird. Früher gab es da ein Lüngerl und nicht selten wurden gut 300 Portionen gebraucht, erzählt der niederbayerische "Lüngerlkönig", wie er daheim im Dorf auch genannt wird.
Küchengeheimnis "Einbrenn"
Die Innereien kochen mindestens eine Stunde im Essigsud. Währenddessen heizt Anton Muttenhammer draußen einen Grill an: Er muss die Einbrenn machen.
Die Mehlschwitze oder französisch 'Roux' besteht aus zwei Zutaten: Fett und Mehl. Und er verrät sein kleines Geheimnis: "Ich gebe zum Schluss noch Zucker dazu, der karamellisiert und gibt der Einbrenn eine schöne Farbe."
Historische Lüngerlmaschine unverzichtbares Utensil
Mit einer riesigen Schaumkelle holt Anton Muttenhammer schließlich die gekochten Lungen aus dem Sud. Sie müssen jetzt in feine Streifen geschnitten werden. Dafür nutzen Anton Muttenhammer und seine Helferin Luise Maier eine Art Fleischwolf - der mit einer Kurbel angetrieben wird. "Da müsste man ein Zählwerk anschrauben. Ich habe keine Ahnung, wie oft ich drehe", lacht Luise.
Die Lüngerlmaschine erleichtert die Arbeit in der Küche. Es müssen auch noch jede Menge Zwiebeln klein geschnitten werden. Ist das aber erledigt, ist der größte Stress vorbei.
Einbrenn', Gewürze, Essiggurken und Rotwein
Nach fast vier Stunden Kochen und Schneiden gibt Anton Muttenhammer die Einbrenn in den Sud. Er muss dabei kräftig mit einem großen Schneebesen rühren. Solange, bis die Einbrenn sich aufgelöst hat und eine sämige Suppe ergibt.
Danach gibt er Zwiebeln dazu, Gewürze und die fein geschnittene, gekochte Lunge. Abgeschmeckt wird unter anderem mit Rotwein. Damit ist sein Lüngerl fertig und sollte jetzt über Nacht noch durchziehen. Dann schmeckt es am besten.
Riesige Nachfrage für einen guten Zweck
"Ich mache den Leuten gleich zweimal eine Freude", strahlt der Koch nach getaner Arbeit. "Einmal, weil ihnen mein Lüngerl schmeckt, da fahren sie auch von weit her nach Neukirchen vorm Wald. Und weil sie einem guten Zweck helfen." Den Erlös dieser Lüngerlaktion zum Leonhardiritt spendet der Neukirchener Kirchenpfleger dem Frauenhaus in Passau. In den Jahren zuvor haben sich unter anderem die heimische Feuerwehr oder Priester Thomas aus Indien über Muttenhammers "Lüngerl-Geld" gefreut.
Das Lüngerl ist noch nicht ganz fertig, schon steht der erste Kunde an der Küchentür. Anton Muttenhammer vertröstet den Mann, er soll morgen wieder kommen, wenn es abgekühlt und durchgezogen ist.
Verkauf zum Leonhardiritt und beim Weihnachtsmarkt
Das niederbayerische Muttenhammer-Lüngerl verkauft der Koch am Sonntag zum Leonhardiritt in Neukirchen vorm Wald. Wer leer ausgehen sollte, hat am Jahresende eine neue Chance: Am 30. Dezember verkauft Anton Muttenhammer erneut rund 600 Portionen Lüngerl. Dann beim Weihnachtsmarkt der Feuerwehr Neukirchen vorm Wald zwischen 8 und 12 Uhr.
Zum Nachhören: Der niederbayerische Lüngerlkönig
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