Ein jahrhundertealtes Wirtshaus im kleinen Dorf Unterachtel im Landkreis Amberg-Sulzbach. Es schlummerte im Dornröschenschlaf vor sich hin, bis Nina und Jan Brehm kamen. Sie wollen hier wieder traditionelle Gasthauskultur etablieren, mit Biergarten, Konzerten und Workshops. Auf den Tisch kommt frisches Brot aus dem Holzofen und ein Mix aus Traditionellem und modernen Gerichten.
"Unterstützer finanziell am Aufbau einbinden"
"Wir wollten weg von dieser anonymen Art der Finanzierung über die Bank", sagt die 35-jährige Nina Brehm. Stattdessen wollen sie Unterstützer finanziell am Aufbau der Gastwirtschaft einbinden. Das funktioniert über das Finanzierungsinstrument der Genussrechte. Privatleute investieren 500 Euro oder mehr und bekommen dafür viereinhalb Prozent Zinsen pro Jahr, die als Essensgutschein im Wirtshaus ausbezahlt werden.
Das Wirtsehepaar Nina und Jan Brehm will das alte Gasthaus renovieren, ausbauen und ganzjährig betreiben - mit Unterstützung der Bürger.
Ein Risiko ist da
Gut ein Drittel ihrer anvisierten Summe haben die Brehms auf diese Art schon zusammen. Die Sanierung hat begonnen, die Zwischenfinanzierung läuft über eine Bank. "Natürlich haben die Leute ein gewisses Risiko", sagt Nina. Wenn das Vorhaben scheitert, ist auch das Geld der Anleger futsch. Juristen im Internet und auch die Anbieter von Genussrechten betonen das jeweils in ihren Verträgen vorab. Gibt es keine oder wenig Gewinne, folgt auch keine oder wenig Rendite. Darauf hat die Stiftung Warentest bereits im Jahr 2010 hingewiesen.
Genussrechte geben mehrere Unternehmer in Bayern heraus, von der Käserei, der Bäckerei, dem Gemüsegärtner, bis zur kleinen Brauerei, der Straußenfarm und dem Dirndl-Geschäft. Den jeweiligen Zins legen die Unternehmer fest.
Private Geldgeber sind gleich auch erste Stammgäste
Michael Wildenauer hat vor zwei Jahren seinen Bioladen Schwammerl in Erbendorf im Landkreis Tirschenreuth eröffnet. Mit einem Bankkredit, aber auch mithilfe von Genussrechten. "Das Prinzip ist gut", findet der Koch und Käsesommelier. Es sei zwar nicht - wie erhofft - durch die Decke gegangen, weil die Leute in einer wirtschaftlich unsicheren Zeit vorsichtig mit Investitionen gewesen seien. Dennoch, er ist zufrieden. Denn mit den privaten Geldgebern hat er auch gleich die ersten Stammgäste bekommen. "Die fühlen sich mit dir verbunden und tragen auch ganz was anderes nach draußen, als wenn einer nur mal kurz in den Laden kommt", freut er sich.
Michael Wildenauer kocht für Kindergärten und eine Schule, sein Stolz ist eine Käsetheke mit über 90 Sorten im Laden. Dazu bis zu 2.000 Bioartikel. Sechs Prozent Zinsen pro Jahr können sich seine sogenannten Zeichner als Einkaufsgutschein abholen.
Bei der "Lindenwirtin" schon jetzt Biergartenbetrieb
Zurück nach Unterachtel: In einem Jahr wird es - so die Hoffnung - auch im Gastraum der "Lindenwirtin" rund gehen. Dann soll die Sanierung abgeschlossen sein. Im Biergarten läuft bereits jetzt immer schon am Wochenende der Betrieb.
Zum Video: Wirtsehepaar will Gasthof sanieren
Wenn Unternehmen starten wollen, brauchen sie Kapital, das oft von der Bank kommt, manchmal aber auch über sogenannte Genussrechte.
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