Kathrin Schmidtschläger blickt in die Sonne. Ihr Strandbad in Prien ist derzeit fast mückenfrei. Doch sie weiß, wie schnell sich das ändern kann. Im vergangenen Jahr war die Plage enorm: "Ab 17 Uhr war es nicht mehr tragbar." Für viele touristische Betriebe am Chiemsee sind Mücken nicht nur lästig - sie kosten bares Geld.
Der Kampf gegen Mücken ist ein Wettlauf mit der Zeit
Am Oberrhein, nahe Karlsruhe, wartet Dirk Reichle auf einen Hubschrauber. Der wissenschaftliche Leiter der "Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage" will verhindern, dass aus Milliarden Larven Blutsauger werden. Der Helikopter soll überflutete Waldflächen überfliegen und BTI abwerfen - ein Eiweiß, das Larven tötet, bevor sie sich verpuppen.
Doch der Hubschrauber verspätet sich. "Die Larven sind schon weit entwickelt", sagt Reichle. Nur während eines kurzen Fensters wirkt BTI tödlich. Verpasst man es, ist es zu spät.
Im Video: Mückeninvasion - Wie weit darf der Kampf gegen die Insekten gehen?|Die Story|Kontrovers
Streitpunkt Sonderregelung am Chiemsee
Am Chiemsee hingegen wurde zuletzt 2020 BTI eingesetzt - unter deutlich strengeren Auflagen. Hier gilt: Erst wenn der Pegel des Alz-Auslaufs 1,16 Meter erreicht, dürfen Proben genommen werden. Finden sich darin über 50 Larven pro Liter, darf BTI ausgebracht werden. Doch genau das hat eine Diskussion ausgelöst, die bis in die oberste Landespolitik geht.
Die CSU schreibt dem BR-Politikmagazin Kontrovers: Auch bei niedrigeren Pegelständen könne es durch lokale Regenfälle zu Mückenplagen kommen. Sie fordert eine Lockerung. Die Freien Wähler stimmen zu. SPD und Grüne hingegen warnen vor ökologischen Risiken. "CSU und Freie Wähler unterschätzen das", so die Grünen.
Angst vor Auswirkungen auf die Natur
Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz blickt auf den Chiemsee. Selbst im Schutzgebiet Hirschauer Bucht darf BTI eingesetzt werden - unter strengen Bedingungen. Sie fürchtet, dass bei einer Lockerung bald noch mehr Regionen betroffen sein könnten. BTI wirke nicht nur auf Stechmücken, sondern auch auf Zuck- und Kriebelmücken, erklärt sie. "Das ist eine sehr eiweißreiche und wichtige Nahrung für Amphibien zum Beispiel, für Vögel und Fledermäuse. Das heißt, ich greife in das gesamte Nahrungsnetz ein. Und diese Auswirkungen sind noch gar nicht untersucht", sagt sie.
Reichle sieht das anders. Am Oberrhein wird BTI seit über 20 Jahren eingesetzt - auch in Schutzgebieten. "Belegte Schäden gibt es keine. Im Gegenteil: Wir haben dort Hotspots der Biodiversität", sagt er. Am Rhein darf BTI schon ab fünf Larven pro Liter eingesetzt werden. Das ist heute der Fall. Doch der Hubschrauber ist noch immer nicht da und eine Hubschrauberstunde kostet bis zu 1.500 Euro.
Dann wird es laut. Der Helikopter nähert sich. Unter ihm hängt ein weißer Kübel, hier kommt das BTI-Granulat rein, das jetzt auf 25 Hektar verteilt wird. "Jetzt geht's los", sagt Reichle.
Die Entscheidung fällt bald
Die Gemeinden rund um den See haben sich zum "Abwasser- und Umweltverband Chiemsee" zusammengeschlossen. Der Verband ist für die Mückenbekämpfung zuständig. Bald stehen Gespräche mit den Behörden an - dann wird sich entscheiden, ob es auch hier künftig häufiger Einsätze geben darf.
Welche Auswirkungen die Mückenplage am Chiemsee auf die Menschen hat und wie ein Hubschraubereinsatz zur Bekämpfung von Stechmücken aussieht, sehen Sie am 25. Juni 2025, ab 21.15 Uhr im Politikmagazin Kontrovers im BR Fernsehen und in der Langversion hier im eingebetteten YouTube-Video.
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