Wie lassen sich Laichgewässer für Unken und Molche schaffen? In einem Gemeinschaftsprojekt entstehen mit Hilfe der Heinz Sielmann Stiftung und der Margarete Ammon Stiftung in Oberbayern neue Lebensräume für Amphibien. Gemeinsam mit örtlichen Akteuren wie den Bayerischen Staatsforsten wollen die beiden Stiftungen Feuchtgebiete in den Landkreisen Starnberg und Fürstenfeldbruck wieder herstellen.
Laichgewässer als neue Lebensräume
Unken, Fröschen und Molchen fehlen die Laichgewässer. Auf freigelegten Lehm- und Tonschichten, die in der letzten Eiszeit entstanden sind, könnten neue Teiche für Frösche, Unken, Molche und andere Amphibien entstehen. Die Gewässer für die Amphibien sollen auf sogenannten Toteislöchern entstehen. Mitte Oktober begann ein Moorbagger im Wald bei Gilching im Landkreis Starnberg, eines von mehreren Toteislöchern freizulegen. Etwa 20 Kubikmeter Erde soll der Bagger von dem knapp zehn Meter breiten Loch abtragen.
Toteislöcher sind Schätze der Eiszeit
Die Toteislöcher sind Gruben, die bis zur letzten Eiszeit mit Gletschereis gefüllt waren. Beim Schmelzen haben die Eisblöcke Sedimente wie Ton und Lehm zurückgelassen. So ist eine wasserstauende Schicht entstanden, auf der sich oft Seen oder Moore gebildet haben. Mittlerweile sind viele dieser Toteislöcher von Pflanzen, Laub und Erde bedeckt.
In den Löchern sammelt sich meist Regenwasser. Sie füllen sich und bieten bald einen neuen Lebensraum für Amphibien. Damit sollen sich die Lebewesen in den Landkreisen Starnberg und Fürstenfeldbruck besser ausbreiten können, sagt Andrea Hübner, Projektleiterin der Margarete Ammon Stiftung. "Die Amphibien sollen wieder wandern können und dadurch optimale Lebensräume finden, um sich zu vermehren." Das Freilegen der Toteislöcher sei eine besonders effiziente Maßnahme für den Naturschutz, so Hübner.
Klimawandel und Straßen bedrohen Amphibien
Neben der Verlandung der Toteislöcher ist der Klimawandel ein Grund für die immer kleiner werdenden Habitate für Amphibien. Da es durch die Klimakrise im Frühjahr wärmer ist und weniger regnet, trocknen viele Gewässer, in denen die Tiere leben, aus. Zum anderen werden die Amphibien durch die Infrastruktur bedroht. Die Korridore, auf denen die Amphibien von einem zum nächsten Gewässer wandern, wurden zum Teil durch Straßennetze durchbrochen, sagt Reinhard Maier, der Amphibienbeauftragte im Landratsamt Starnberg.
"Deshalb findet oft kein genetischer Austausch zwischen den verschiedenen Amphibienpopulationen mehr statt", so Maier. "Deswegen versuchen wir, so viele Habitate wie möglich zu schaffen, damit wir wenigstens nicht nur Inselvorkommen haben, die dann genetisch verarmen", sagt der Amphibienbeauftragte.
Gelbbauchunken und Kammmolche erwünscht
Besonders Gelbbauchunken und Kammmolche will man mit den entstandenen Teichen anlocken. Sie sind die sogenannten Zielarten des Projekts. Ihnen fehlt es an offenen, kleinen Gewässern, um ihre Eier abzulegen und um sich zu vermehren. Ein Vorteil der kleineren Gewässer wie Teiche in Toteislöchern ist, dass diese zum Teil komplett austrocknen. Amphibien überleben das Austrocknen im Gegensatz zu ihren Feinden- große Fische verenden. Vor allem durch den Bau von Straße haben es Amphibien immer schwerer, um ein Laichgewässer zu finden. Bereits jetzt ist mehr als die Hälfte der 19 in Bayern vorkommenden Amphibienarten gefährdet.
Auch Insekten und Pflanzen profitieren
Von freigelegten Toteislöchern werden nicht nur Amphibien profitieren, sagt Andreas Nemetz, Projektleiter für Südbayern der Heinz Sielmann Stiftung. "Generell werden sehr viele Arten davon profitieren, weil immer mehr Arten auf den immer seltener werdenden Lebensraum Gewässer angewiesen sind, der jetzt hier geschaffen wurde", so Nemetz. "Natürlich sind auch Fressfeinde der Amphibien dabei, wie zum Beispiel Libellenlarven. Aber auch die Libelle ist eine Art, die insgesamt nicht mehr so gut da steht, wie es mal früher der Fall war."
Neben Insekten könnten sich auch seltene Pflanzen wie der rundblättrige Sonnentau oder die Moosbeeren an den Teichen ansiedeln. "Insofern ist das hier ein Biotop – ein Lebensraum für viele verschiedenen Pflanzen- und Tierarten", sagt Nemetz. Nicht mal ein Jahr hat es gedauert, bis man bei ähnlichen Projekten erste Frösche und Molche gesehen hat.
Auch Ammersee und Starnberger See sind Toteislöcher
Mehr als 500 Toteislöcher könnte es allein im Landkreis Starnberg geben, schätzt der Amphibienbeauftragte Maier. Weniger als fünf Prozent dieser Toteislöcher seien freigelegt, so Maier. Auch große Seen wie der Ammersee und der Starnberger See liegen in besonders tiefen Toteislöchern. Sie sind in den Zungenbecken von ehemaligen Gletschern entstanden.
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