Bewaffnete Polizisten bewachen am 06.09.1972 auf einem Balkon und auf einem Dach des Münchner Olympischen Dorfes das Mannschaftsquartier des israelischen Teams. Arabische Terroristen der Untergrundorganisation "Schwarzer September" waren tags zuvor am frühen Morgen in das Dorf eingedrungen und hatten neun israelische Athleten in ihre Gewalt gebracht und zwei erschossen. Ihr Ultimatum: Freilassung von 200 gefangenen Palästinensern und freier Abzug mit den übrigen Geiseln.
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Bewaffnete Polizisten bewachen am 06.09.1972 im Olympischen Dorf in München das Mannschaftsquartier des israelischen Teams.

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Olympia-Attentat 1972: Forschung widerlegt populären Mythos

Olympia-Attentat 1972: Forschung widerlegt populären Mythos

Ein Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Olympia-Anschlags in München 1972 widerlegt einen populären Mythos: Die Terroristen konnten wohl doch nicht live im Fernsehen sehen, wie sich Polizisten draußen in Stellung brachten.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Schwer bewaffnete Männer in Trainingsanzügen, die auf den Dächern des Olympischen Dorfes herumklettern – im Visier das Apartment in der Connollystraße 31, wo palästinensische Terroristen israelische Sportler als Geiseln halten. Diese Szenen gehören zu den bekanntesten Bildern des Olympia-Anschlags vom 5. September 1972 in München. Nicht zuletzt, weil das Fernsehen die Bilder in alle Welt live übertragen hat.

Mythos wird seit Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen

Auch der oscarnominierte Kinofilm "September 5" thematisierte die Rolle der Journalisten vor Ort, die damals live berichteten. Dabei wird auch angedeutet, was seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Erzählungen über den Anschlag gehört: nämlich dass die Terroristen im Fernsehen live zuschauen konnten, wie die Polizei versuchte, sie ins Visier zu nehmen. Und: Dass die Polizei daraufhin, als ihr das klar wurde, die Beamten abzog und der Einsatz deshalb scheiterte.

Es gab gar keinen Fernseher in der Wohnung

Jetzt haben die Forscherinnen und Forscher aber herausgefunden: In der Wohnung in der Connollystraße 31 gab es gar keinen Fernseher. Die Terroristen konnten demnach auch keine Livebilder vom Polizeieinsatz sehen. Belegt wird diese neue Erkenntnis durch mehrere Quellen, darunter Polizeiberichte und Fotos vom Tatort. Das teilte das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin am Mittwoch mit.

Die Grundrisse des Architekturbüros, das das Olympische Dorf entworfen hatte, würden zudem zeigen, dass in der Connollystraße 31 keine Fernsehanschlüsse vorgesehen waren. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abzug der Polizisten und der Aufforderung an die Journalisten, die Kameras abzuschalten, sei deshalb reiner Zufall gewesen, so die Historiker.

Abzug angeordnet, um Politiker nicht zu gefährden

Der Abzug der Polizisten von den Dächern hatte laut dem Forschungsbericht des Instituts für Zeitgeschichte andere Gründe: Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher war mit Polizeipräsident Manfred Schreiber und Bayerns Innenminister Bruno Merk zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg, um erneut vor dem Apartment mit den Terroristen zu verhandeln.

Der archivierte Polizei-Funkverkehr dazu zeigt: Man wollte verhindern, dass die Täter die Polizisten auf den Dächern entdeckten und die Politiker durch eine Eskalation gefährdet würden.

Olympia-Attentat wird umfassend wissenschaftlich erforscht

Mehr als 50 Jahre nach dem Olympia-Attentat sollen die Geschehnisse neu bewertet und erstmals umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Dazu wurde eine achtköpfige internationale Forscherkommission gegründet, die zusammen mit dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin die Ereignisse neu untersucht.

Die Ergebnisse des dreijährigen Forschungsprojektes sollen in einem Bericht an das Bundesinnenministerium sowie in einen wissenschaftlichen Sammelband einfließen.

Dieser Artikel ist erstmals am 14.5.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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