Bürgermeister und Landrat sitzen am runden Tisch im Feuerwehrhaus Peutenhausen zusammen mit einem Schweißer, einem Frisör, einem Maler, einem Fliesenleger und noch einigen anderen Handwerkern. Die jungen Männer kommen aus Syrien und Afghanistan und wohnen seit Anfang Dezember in der ehemaligen Dorfwirtschaft mitten in Peutenhausen.
Gaskraftwerktechniker Moneer M. spricht gut Englisch und dolmetscht zwischen den anderen Geflüchteten, dem Bürgermeister und dem Landrat. Die Fragen und Antworten gehen hin und her. Sie sind zu hören auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Türkisch. Gemeinsam diskutieren sie, ob es für die geflüchteten Menschen noch eine Perspektive in Peutenhausen gibt.
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Flüchtlinge fühlen sich in Peutenhausen nicht mehr sicher
Aktuell wollen die Flüchtlinge weg aus Peutenhausen. Sie fühlen sich hier nicht mehr sicher. Die Situation ist verfahren. Dabei war die kleine Gemeinde vor einem Jahr noch sehr offen für Flüchtlinge. Als Russland in die Ukraine einmarschierte, zeigte sich Peutenhausen sehr hilfsbereit: Um noch mehr Flüchtlinge aufnehmen zu können, richteten Männer der örtlichen Feuerwehr extra ein Haus her.
Doch dann gab es einige Einbrüche. Spätestens als Mitte Dezember zwei ältere Frauen vor der Dorfkirche sexuell attackiert wurden, fühlte sich die Kommune alleine gelassen – vom Kreis, vom Land, vom Bund. Der örtliche Kreis aus ehrenamtlichen Helfern hatte sich da schon aufgelöst. Bürgermeister Alfred Lengler machte schließlich öffentlich darauf aufmerksam, dass es an Unterstützung fehlte - zum Beispiel an Sprachkursen und Betreuung. "50 Flüchtlinge für ein 650-Einwohner-Dorf sind einfach zu viel", erklärte der Bürgermeisters damals.
Rechte Aktionen lassen Integrationsversuche scheitern
Lenglers Hilferuf wurde gehört. Bundesweit. Die offenen Worte des Bürgermeisters riefen jedoch sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Aus dem Landratsamt in Neuburg kam die Zusage, häufiger als bislang sogenannte Kümmerer in die Unterkünfte nach Peutenhausen zu schicken und sich auch um eine individuelle Betreuung der Flüchtlinge zu bemühen.
Bürgermeister Lengler suchte noch einmal das direkte Gespräch. Er redete mit Gaskraftwerktechniker Moneer M. und anderen Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft. Über ehrenamtliche Arbeit im Bauhof und über 1-Euro-Jobs sollten die jungen Männer mit den Dorfbewohnern in Kontakt kommen und Deutsch lernen. Erste Schritte zur Integration wurden vorbereitet - schließlich waren die mutmaßlichen Täter der Einbruchserie und der sexuellen Übergriffe längst weg aus Peutenhausen. Moneer M. und viele andere erklärten, offen für ehrenamtliches Engagement und Integration zu sein.
Rechtsextreme zünden Rauchkörper und verteilen Flugblätter
Doch dann entdeckte die rechtsextreme Organisation "Der dritte Weg" Peutenhausen für ihre Zwecke. In der vergangenen Woche standen haushohe rote Rauchschwaden über der Gemeinschaftsunterkunft. Bei einer mutmaßlich rechtsradikalen Aktion waren Rauchkörper gezündet worden. Ausländerfeindliche Flugblätter wurden verteilt und die Aktion gefilmt. Drei der mutmaßlichen Täter hat die Polizei bisher identifizieren können, sie wurden festgenommen. Gegen sie besteht der Anfangsverdacht der Volksverhetzung. Die anderen drei Beteiligten werden noch gesucht.
Syrer und Afghanen wachen wechselseitig über ihren Schlaf
Seitdem schlafen die Syrer und Afghanen schlecht. Denn die Aktion des "dritten Weges" ist nicht die einzige ausländerfeindliche Geste. Moneer M. und seine Mitbewohner berichten, dass immer wieder auf der Hauptstraße Autos und Traktoren anhalten und das Haus filmen. Gelegentlich werde auch der Hitlergruß gezeigt.
Landrat spricht von rechten Kreisen "von auswärts"
Für Landrat Peter von der Grün steht fest, dass niemand aus dem Dorf oder Bewohner aus dem Landkreis an den rechtsradikalen Aktionen beteiligt waren, sondern es sich "wohl um rechte Kreise von auswärts" handle. Doch die Flüchtlinge sind sich da nicht so sicher. Sie haben Wachdienste eingerichtet, schlafen in Schichten und wollen nur noch weg aus Peutenhausen. Auf diese Bitte reagiert Landrat von der Grün zurückhaltend. Er verweist darauf, dass mittlerweile einige der ursprünglich 30 Bewohner der Unterkunft anderweitig untergebracht worden sind. Der Landrat will auch dafür sorgen, dass die Bewohnerschaft künftig heterogener wird: nicht mehr nur junge Männer, sondern auch ältere - dazu auch Frauen.
Trotz der ausländerfeindlichen Aktionen hält der Landrat die Gemeinschaftsunterkünfte in Peutenhausen für "so sicher wie die anderen auch". Das habe ihm die Polizei bestätigt. Zudem gebe es in Peutenhausen auch noch eigens engagierte Sicherheitskräfte in der Unterkunft. Im Übrigen zähle für ihn jede Wohngelegenheit, denn zu den über 2.000 Flüchtlingen im Kreis Neuburg-Schrobenhausen komme "alle zwei Wochen ein weiterer Bus mit 50 Flüchtlingen hinzu".
Mehr Geld und Immobilien gefordert
Aus Berlin und München fordert der Landrat mehr Unterstützung: Bundesimmobilien für die Unterkünfte, mehr Geld für die Folgekosten. Es fehle auch an Personal, um die wachsende Zahl der Geflüchteten gut betreuen zu können - in Sprachkursen, Kitas und Schulen.
Wie wichtig Sprachkenntnisse sind, zeigt sich auch bei diesem runden Tisch. Die Flüchtlinge möchten schnell Deutsch lernen, doch aktuell kann der Landrat nur auf wenige Ehrenamtliche verweisen, "die nach Peutenhausen kommen könnten und vielleicht demnächst einen Kurs geben werden". Für die Gründung eines neuen Helferkreises in Peutenhausen gibt es zumindest im Moment keine Anzeichen. Für professionellen Deutschunterricht fehlt es im Kreis Neuburg-Schrobenhausen an Personal. Lediglich zehn Angestellte gibt es im ganzen Kreis, die sich um die Betreuung der Unterkünfte und die Beratung der aktuell mehr als 2.000 Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber und afghanischen Ortskräfte kümmern.
Zeit der Gemeinschaftsunterkünfte in Peutenhausen läuft aus
Die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge wird das Landratsamt noch auf Jahre beschäftigen, weiß der Landrat. In Peutenhausen dagegen ist die Zeit der beiden Gemeinschaftsunterkünfte begrenzt. Ende 2023 läuft der Mietvertrag für die ehemalige Dorfwirtschaft ab. Sie wird dann abgerissen. Im Frühjahr 2024 schließt auch das zweite, extra für ukrainische Kriegsflüchtlinge hergerichtete Haus. An dieser Stelle soll dann ein Hort entstehen.
Neue, große Flüchtlingsunterkünfte wird es danach in Peutenhausen nicht mehr geben. Zumindest da sind sich alle einig: Flüchtlinge, Bürgermeister und Landrat. Und noch in einem weiteren Punkt stimmen alle drei Parteien überein: Schweißer, Frisöre, Maler, Fliesenleger und andere Handwerker würden in Deutschland eigentlich dringend gebraucht.
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